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Bombenexplosionen in SchwedenPolizei geht von Einzeltat aus

Ein Fundamentalist sprengt sich in Stockholm in die Luft und versetzt Schweden in Schrecken. Das Attentat war offenbar amateurhaft umgesetzt.

Blick auf den Ort in der Stockholmer Innenstadt, wo die Bombe explodierte. Bild: dpa

STOCKHOLM taz | Stockholm hat großes Glück gehabt. Zwei Wochen vor Weihnachten ist die schwedische Hauptstadt offenbar einem verheerenden Terroranschlag entgangen. Mitten im Einkaufszentrum der Innenstadt gab es innerhalb weniger Minuten zwei Bombenexplosionen. Ein Selbstmordattentäter, der erst sein Auto und dann sich selbst in die Luft sprengte. Ein Bekennerschreiben deutet auf einen islamistischen Hintergrund hin.

Die erste Explosion ereignete sich um 16.49 Uhr. Ein an der Kreuzung der Olof-Palme-Gata mit der Drottninggatan abgestellter weißer Audi 80 beginnt zu brennen. Die Straßen in der Stadt sind voll von Menschen, die ihre Weihnachtseinkäufe machen.

Kurz vor 17 Uhr, 200 Meter entfernt, ereignete sich die zweite Explosion. Nach dieser liegt vor einem Schuhgeschäft ein Mann leblos im Schnee. Die Polizei sperrt die Straße ab, drängt die Neugierigen weg, warnt, es könne noch eine Explosion geben. Neben dem Toten liegt ein großes Pappschild, hinter dem er womöglich die Sprengladungen an seinem Körper verbarg.

Einige Meter von ihm entfernt ein roter Rucksack. Angeblich ist er voller Nägel. Auch er gehört offenbar dem Selbstmordattentäter. Nach von der Polizei unbestätigten Pressemeldungen explodierte nur eine der sechs Rohrbomben, die er am Körper trug. Abgesehen von dem toten Attentäter gibt es zwei Leichtverletzte.

Zehn Minuten vor der ersten Explosion erreicht den Verfassungsschutz Säpo und die Nachrichtenagentur TT eine Mail mit zwei gesprochenen Textfiles im Anhang. In schwedischer und arabischer Sprache wendet sich der Absender an "Schweden und das schwedische Volk". Unter Bezug auf den Einsatz schwedischer Soldaten in Afghanistan und das Schweigen des offiziellen Schwedens zur Verunglimpfung des Propheten Mohammed durch einen vom Künstler Lars Vilks gezeichneten "Mohammed-Hund" heißt es: "Nun sollen eure Kinder, Töchter und Schwestern so sterben, wie unsere Brüder, Schwestern und Kinder sterben."

"Unsere Aktionen werden für sich selbst sprechen", erklärt der Mann weiter: "Solange ihr nicht mit eurem Krieg gegen den Islam und die Erniedrigung des Propheten und eure dumme Unterstützung des Schweins Vilks aufhört." Er appelliert an "alle Mudschaheddin in Europa und Schweden": "Es ist Zeit zuzuschlagen. Wartet nicht länger. Kommt mit dem, was ihr habt. Und wenn es nur ein Messer ist. Ich weiß, dass ihr mehr als Messer habt. Fürchtet nichts, fürchtet kein Gefängnis, fürchtet nicht den Tod."

Unterschrieben ist die Mail mit dem Namen des Selbstmordattentäters. Nach unbestätigten Pressemeldungen eines in Schweden geborenen 29-Jährigen mit jordanischem oder irakischem Familienhintergrund, wohnhaft in der südschwedischen Kleinstadt Tranås. Er bittet seine Familie, seine Frau und sein Kind um Vergebung und teilt mit, er habe sie wegen des Grundes einer vor einigen Monaten vorgenommenen Reise in den nahen Osten belogen: "Ich bin da nicht hingefahren, um zu arbeiten oder Geld zu verdienen, sondern für den Dschihad." Sein mutmaßliches Facebook-Profil zeigt das Bild heiliger Krieger.

Noch bevor die Polizei dies am Sonntagvormittag auf einer Pressekonferenz bestätigt, twittert Schwedens Außenminister Carl Bildt in der Nacht: Es habe sich um einen "Terroranschlag" gehandelt, der sei fehlgeschlagen, hätte aber "wahrlich fürchterlich ausgehen können". Viel mehr als die Aufnahme von Ermittlungen wegen einer Terrortat teilt die Polizei zunächst nicht mit. Nur dass es zwischen dieser Tat und einer bereits im Oktober ausgerufenen höheren Antiterrorbereitschaft keinen Zusammenhang gebe. Die damals eingegangen Warnungen hätten einem anderen Bedrohungsszenario gegolten.

Magnus Ranstorp, Terrorexperte und tätig an der schwedischen Verteidigungshochschule, vermutet einen Einzeltäter. Womöglich inspiriert von den Attentaten in London im Jahre 2005. Der offenbar glücklicherweise technisch nur amateurhaft umgesetzte Anschlag spreche dagegen, dass eine Organisation dahinterstehen könnte.

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12 Kommentare

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  • L
    Lucia

    @ TOM, Querulant:

     

    Ganz sicher ist Srebrenicza ein unentschuldbares Kriegsverbrechen. Keiner der Täter hat sich jedoch dabei auf die Bibel berufen.

    Auch wurde diese Tat im Westen bedauert und scharf verurteilt.

     

    Wie war die Reaktion nach 9/11? Jubelgeschrei und Freudentänze auf den Straßen islamischer Städte.

     

    9/11 war nicht der erste islamisch motivierte Terroranschlag.

    Er war nur in seiner Größenordnung bisher einmalig.

    Weiter ging es mit Bali, Djerba, Madrid, Beslan, London, usw.

    Was haben diese Terroranschläge gemeinsam?

     

    Daß die religiös motivierten Täter als Mitglieder eines Globalen Terrornetzwerks im Namen des Djihads handeln und sich auf den Koran berufen.

     

    Es ist unzulässig dies mit Kriegs-Massakern gegenzurechnen, die eine völlig andere Motivlage haben, als Terroranschläge von Al Qaida und Co.

     

    Es sei denn man will gezielt verharmlosen und stellt die Täter als Verwirrte hin, die "durchdrehen" statt das System das dahintersteckt (globaler Djihad), zu thematisieren.

     

    Zu durchsichtig...

  • T
    Timötel

    @TOM:

    Interessant ist: Du verurteilst, dass man verallgemeindernd von "den Moslems" sprichst, machst aber mit "den Christen" genau dasselbe.

    Interessante Doppelmoral...

  • T
    TOM

    Timburok: Es sind nicht so viele "Einzeltäter" wie die Zigtausenden von christlichen Soldaten die überall immer wieder Zivilisten zerfetzen, Hochzeitsgesellschaften niederballern und aus Hubschraubern jeden der gerade nen Besen in der Hand hält mit Löchern durchsieben oder Amoklaufen wie Blackwater ohne das DU deswegen schon auf der Straße warst und dagegen protestiert hast. Vorher und nach der Tat immer schön die Messen besuchen und nebenher noch die Raketen mit Bibelsprüchen belegen. Erzählt mir mal lieber selber nichts von Einzeltaten

     

    Lucia und Martin, das gleiche an euch. Legt endlich die Einbahnstraßensicht ab! Christen haben in Srebrenicza doppelt soviele Moslems massakriert wie der 11 September, die Anschläge von London und Madrid addiert und dann verdoppelt. Rechnet mal aus! Erzählt mir bitte, um Himmels Willen, aber bloß nichts von Einzeltaten. Oder ist das alles wieder natürlich selbstverständlich und ohne Frage etwas gaaaanz anderes? Warum nur sieht man so etwas nicht mehr? Weil es normal ist? Weil es Christen waren? Ist es schlimmer wenn ein Moslem durchdreht wie ein wenn ein Christ dies macht? Was macht euch so blind?

  • Q
    Querulant

    @Lucia

     

    tja, vielleicht verharmlosen die einen und die anderen übertreiben...

  • L
    Lucia

    Wenn jmd. wie „TOM“ hier verharmlost:

     

    >>wenn wieder einmal einer unter 1,5 Milliarden durchdreht

  • M
    Marti

    Es sind immer nur "Einzelfälle", hunderte und tausende von Einzelfällen, über all auf der Welt.

     

    Und ganz wichtig: der Islam hat nichts mit dem Islam zu tun, außer natürlich wenn es um "islamische" Philosophie geht, oder um die wahnsinnig hohe "islamische" Kultur im Mittelalter, oder um "islamische" Kunstschätze!

  • T
    Timburok

    @TOM:

    Sind inzwischen ganz schön viele Einzeltäter, oder?

  • M
    Marc

    Naja, was heißt hier "Einzeltäter". Der Zorn, dem westlichen Modell ökonomisch nix entgegensetzen zu können, ist eben leider bei vielen Muslimen verbreitet. Das zu leugnen ist doch schlichtweg realitätsfremd.

  • T
    TOM

    An Patrick: Und wieder einmal gelernt, wie eine Person gleich für einen ganzen Glauben stehen soll

     

    Fazit: Hüte sich der Moslem im Gesamten, wenn wieder einmal einer unter 1,5 Milliarden durchdreht.

  • P
    patrick

    Und wieder mal haben wir gelernt: Der Islam heißt Frieden.

  • KK
    Karl Kraus

    Könntet ihr bitte "heilige Krieger" in Anführungszeichen setzen?

  • PS
    Post Scriptum

    So viele Spinner auf dieser Welt.

    Warum bringen sich diese Egomanen nicht privat um, wie jeder anständige Mensch, wenn sie schon lieber tot sein wollen, warum müssen die andere Leute dabei gefährden und das Leben zig Tausender erschweren, die jetzt wieder unter Generalverdacht kommen?

    Verlogene hirnamputierte Egoisten, die glauben, sie müssten aus ihrem Selbstmord ein öffentlich-politisches Ereignis machen, nur weil sie sich dermaßen schämen, dass sie mit ihrem Leben nicht klar kommen und es lieber beenden wollen. Als ob die sich einen Pfifferling darum scheren, was aus denen wird, die ohne Selbstverschulden als "ihre Brüder und Schwestern" herhalten müssen, oder sonst irgendwem auf der Welt.