Kolumne Kriegsreporterin: Ratz und Rübe live aus Kundus
Kerner talkt für Sat1 aus Afghanistan. Da müssen ARD und ZDF mitziehen und planen schon Sendungen aus dem Kämpfer-Camp. Als kultureller Brückenschlag natürlich.
H allo taz-Medienredaktion, zwar hat man bei der ARD treffsicher erkannt, dass Stephanie zu Guttenberg bei ihrem Versuch, den Begriff "Innocence in Danger" auszuweiten, sich in Afghanistan ein wenig verlaufen hat. Dennoch blicken die Öffentlich-Rechtlichen mal wieder neidisch auf die Privaten.
Nach der medialen Aufmerksamkeitsrakete, die Johannes B. Kerner, die Dietrich unter den Moderatoren, durch seine Front-Show im afghanischen Bundeswehrstützpunkt abgeschossen hat, überlegen nun auch ARD und ZDF, direkt aus dem Kriegsgebiet zu senden. Schon bald könnten etwa "Volle Kanne Susanne", die Medizinsendung "Visite" oder auch "Kein schöner Land" aus dem Kämpfer-Camp kommen. So machen Besatzer das. Ist billig, weil eh unseres, und so können die Zausel, die in Lehm und unter Tüchern leben, mal sehen, wie die Zivilisation aussieht, die wir ihnen bringen. Man darf das als kulturellen Brückenschlag verstehen.
Die Einzigen, die dabei ein dummes Gesicht machen, sind die Macher von "Wetten, dass..?". Hätte dieser Dummbatz nicht erst Ende 2011 am Autodach hängen bleiben können? Was für tolle Wetten wären das gewesen! Sandflohschießen, mit dem Panzerrohr Soldatinnen ausziehen, Munition am Geschmack erkennen und, und, und … Aber nein! Nun gibts statt lustigem "mit dem Leopard über Kameraden fahren, ohne dass sie durchbrechen" Sackhüpfen in Mainz.
Na ja, wenigstens besinnt sich bei all dem Trubel Süddeutsche.de auf ihre Kernkompetenz und bringt eine Stilkritik von Stephanie zu Guttenberg. Man will die Boulevardisierung von Politik und ihren Ausrutschern ja nicht den anderen überlassen. Mir zum Beispiel, die ich auch nur allzu gern über Schuhe, Handtaschen und Frisuren spreche. Ich möchte heute mal den Stil von Tom Buhrow würdigen, dessen Haarpracht über nur wenige Nächte quasi um das Elffache zugenommen hat und der jetzt aussieht wie Ratz und Rübe aus der Rappelkiste. Wobei er natürlich nur aussieht wie Ratz, Rübe hatte noch so einen Puschel auf dem Kopf.
Silke Burmester berichtet für die taz von der Medienfront.
Dass man es als Journalist heutzutage nicht leicht hat, belegt auch das Beispiel vom Weser-Kurier, der einen Reporter zum Konzert von "Unheilig" schicken wollte und dafür um eine Pressekarte bat. Das sei kein Problem, ließ laut Weser-Kurier das Management wissen, man wolle aber im Gegenzug die Kritik vor Abdruck prüfen, um über eine Freigabe entscheiden zu können. Natürlich haben sich die tapferen Weser-Kuriere dem Zensurversuch widersetzt. Sie haben die Karte gekauft. Und sich die Pressefreiheit rund 30 Euro kosten lassen.
Von Geld will man hingegen in der Pressestelle von Gruner + Jahr nichts wissen und hat von der vom Hamburger Abendblatt gestreuten Nachricht, Bernd Buchholz habe in einer Betriebsversammlung verkündet, weltweit 25 Millionen Euro an die Mitarbeiter ausschütten zu lassen, nichts gehört. Und möchte auch nach Rücksprache - mit dem Abendblatt? - nichts sagen. Schade. Gern hätte man den Verlag, der noch im Herbst bei der Brigitte alle Pauschalistenverträge gelöst hatte, gewürdigt. Dafür, gezeigt zu haben, wo der Hammer hängt. Der Zeit zum Beispiel, die mit ihrem Bonus letztes Jahr von 1.000 Euro pro Angestellten, bei rund 400 Personen, ganz schön blass aussieht.
Blass dürften auch bald die Protagonisten des ARD-Primetime-Programms werden. Weil die Politmagazine auf einen neuen, fünf Minuten kürzeren Sendeplatz am Dienstag geschoben werden, will man die vorherigen Sendung schneller abspulen. Auf 45 statt auf 33, sozusagen. Bei so viel Einfallsreichtum gebe ich grün zurück nach Berlin!
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