: Angriff auf eine Macht
AMAZON Steinchen auf den Riesen werfen – Kleinverlage kündigen aus Protest bei dem großen Onlinehändler
Nicht bei Amazon bestellen können: das gilt demnächst etwa für die Kurzgeschichten „Drei Wochen drüber“ der Autorin Wiete Lenk oder für ein Buch über spätsowjetische Kunst der siebziger Jahre aus der Sammlung von Friedemann Stöckert. Beide Bücher sind in dem kleinen Kunst- und Literatur Verlag Ch. Schroer (aus Lindlar bei Köln) erschienen, der jetzt, ebenso wie der VAT Verlag aus Mainz, seinen Kooperationsvertrag mit Amazon gekündigt hat. Für ihre Bücher muss man dann wieder zum Buchhändler gehen.
Beide Verlage sind klein. Der VAT Verlag verlegt jährlich nur etwa 20 bis 25 Titel, 10 bis 15 Prozent seines Umsatzes kommen über Amazon. Dass trotzdem eine Meldung aus der Kündigung der beiden Verlage wird, liegt an der zunehmenden Kritik an dem global präsenten Internetriesen und seinen Geschäftspraktiken. Ein ARD-Bericht hatte offengelegt, unter welch schlechten Bedingungen Saisonarbeitskräfte aus Spanien, Rumänien, Bulgarien und Polen untergebracht waren. Hinzu kommt, dass Gewerkschaften schon lange monieren, dass Amazon Hilfskräften, die in der Weihnachtszeit gebraucht werden, Festanstellungen in Aussicht stellt, ohne dies jemals einzulösen. Gegen diese Verhaltensweisen protestierten schon viele Kunden mit Löschung ihrer Konten und Boykottaufrufen.
Den schweren Vorwürfen wegen des Geschäftsgebarens fügen die beiden, erst vor wenigen Jahren gegründeten Verlage weitere hinzu: André Thiele vom VAT Verlag führt die „katastrophal schlechten Konditionen“, die Amazon Kleinverlegern gewähre, in einem offenen Kündigungsbrief an. Unter anderem machten hohe Rabattforderungen und ein immenser Verwaltungsaufwand den Vertrieb der Bücher über Amazon unrentabel.
Für die Lieferanten gebe es bei Amazon auch keine direkten Ansprechpartner, sagte VAT-Vertriebsleiterin Katrin Witzleben am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. Die Mitarbeiter der Hotline könnten oft nicht genug Deutsch.
Der Verleger Christopher Schroer beklagte in seinem Kündigungsschreiben zudem, dass sich Amazon von den kleinen Verlagen einen „unglaublichen Skontorahmen“ einräumen lasse und seine „Marktmacht“ rigoros ausnutze.
Auf die Vorwürfe, die Sozialstandards für seine Arbeitskräfte nicht einzuhalten, reagierte Amazon inzwischen mit der Kündigung der involvierten Sicherheitsfirmen. Denn der Imageschaden, der sich abzeichnete, schien gewaltig. Ob der Protest der kleinen Verlage, die sich bessere Konditionen für ihren Handel wünschen, allerdings auch Ergebnisse zeitigt, ist eher fraglich. Vermutlich jucken diese Nadelstiche den Riesen doch zu wenig. DPA, TAZ
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