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Obdachlosenhilfe in DänemarkDie Widerspenstige

In Dänemark sind ausländische Obdachlose in Herbergen gesetzlich nicht geduldet. In der Kälte darf ihnen nicht geholfen werden. Alle halten sich daran, bis auf eine Ausnahme.

Im Winter 2009/2010 starben elf ausländische Obdachlose in Kopenhagen. Bild: reuters

STOCKHOM taz | "Dänisch?", das ist die erste Frage, die einem Obdachlosen gestellt wird, wenn er in Kopenhagen in einer der 17 Herbergen Schutz vor der klirrenden Kälte suchen will. Nein? Dann bleibt die Tür zu. Das ist Gesetz. 2007 hat die ob ihrer restriktiven Ausländerpolitik europaweit berüchtigte dänische Regierung das Sozialgesetz geändert.

Seither wird Obdachlosenunterkünften, die AusländerInnen aufnehmen, die öffentliche Unterstützung gestrichen. Die Aussicht auf ein Bett oder eine warme Suppe könne ansonsten "Dänemark zur Wärmestube der ganzen Welt machen", begründete die damalige Sozialministerin Karen Jespersen das Gesetz.

Elf ausländische Obdachlose sind im vergangenen Winter in Kopenhagen erfroren. Damit das nicht wieder so wird, gibt es für AusländerInnen ohne Geld in der Tasche und Dach über dem Kopf in diesem Winter eine neue Adresse: Axeltorv 12. April Chris hat diese Initiative gegründet und vor einigen Monaten hier ein Gebäude angemietet, in dem jetzt in fünf Zimmern je acht Doppelstockbetten stehen. "Wenn es mal noch mehr werden, müssen die eben in Schicht schlafen", sagt sie. Nach einem Pass wird hier nicht gefragt, jeder wird hereingelassen und bekommt ein warmes Essen.

Warum so viel Menschlichkeit in Dänemark nicht selbstverständlich sein soll, sondern auch noch mit Entzug von Hilfsgeldern bestraft wird, kann die Geschäftsfrau, die in der Musikbranche arbeitet und einen dänischen und einen US-amerikanischen Pass hat, nicht verstehen. Auf das Problem der obdachlosen AusländerInnen war sie letzten Winter aufmerksam geworden. "Cecilia, eine meiner Töchter, kam frierend nach Hause und sagte: Was für ein Glück, jetzt nicht da draußen liegen zu müssen." Darauf sei sie am nächsten Tag zum Sozialamt gegangen und habe sich nach der Situation für Obdachlose erkundigt. "Fünf Stunden später hatte ich zwei Räume angemietet", sagt Chris. Der Start der Initiative "En Varm Seng" - "Ein warmes Bett".

"Ein unmenschliches Gesetz" sei diese Einteilung der Obdachlosen in solche erster und zweiter Klasse, meint Lars Aslan Rasmussen, sozialpolitischer Sprecher der oppositionellen Sozialdemokraten. Und er appellierte an die Kommunen und die Betreiber solcher Einrichtungen, dieses gesetzliche Verbot zu brechen: "Tun wir das nicht und lassen die Leute erfrieren, brechen wir ganz andere Gesetze."

Der frühe strenge Winter hat in diesem Jahr die Obdachlosenfrage in Dänemark verschärft. Die Regierung scheint das nicht zu beieindrucken. Die Herberge von "En Varm Seng" am Axeltorv war vor eineinhalb Wochen Ziel einer Polzeirazzia. Nachts um 3 Uhr holten 30 Polizeibeamte 91 schlafende Menschen aus dem Bett und nahmen 69 von ihnen wegen ihrer ausländischen Herkunft fest. 51 sollten ausgewiesen werden, hieß es erst, später wurde die Zahl 19 genannt. Unter ihnen EU-MitbürgerInnen aus Rumänien, Spanien und Frankreich. "Für Dänemark scheint die Freizügigkeit für EU-Bürger nicht zu gelten", wunderte sich ein 24-jähriger Spanier.

Nachdem einige Medien die Situation der ausländischen Obdachlosen zum Thema machten, gab es eine regelrechte Welle der Hilfsbereitschaft. Die Schuhfirma Ecco schenkte "En Varm seng" 300 Paar Winterschuhe, die Veranstalter des Roskilde-Festivals spendeten umgerechnet rund 80.000 Euro, und ein Bauernhof liefert jetzt jeden Tag kostenlos frische Milch. "Ein Rentner kam mit 2.000 Kronen vorbei", erzählt April Chris, "ein junges Ehepaar mit 10.000, eine 17-Jährige mit den 1.500 Kronen, die sie zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte, und zwei Afghanistanveteranen mit ihren Militärstiefeln."

So viel zivilgesellschaftliches Engagement ließ natürlich auch der Politik keine Ruhe. Kurzfristig kündigte Sozialministerin Benedikte Kjær einen Besuch bei "En Varm Seng" an, um sich "über die Situation zu informieren". Eine geglückte Vorweihnachts-PR-Aktion wurde es für die Ministerin aber nicht. Auf die Bemerkung hin, nicht jeder in Dänemark könne seine eigene Sozial- und Ausländerpolitik machen, platzte April Chris endgültig der Kragen: "Anstatt verantwortungsvolle Politik zu machen, kippt ihr Politiker Scheiße in den Hinterhof, und wenn es dann anfängt zu stinken, erwartet ihr, dass wir das wegräumen", schimpfte sie in die TV-Kameras.

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4 Kommentare

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  • A
    anke

    Dänemark – die "Wärmestube der ganzen Welt"! So viel also zu dem Gerücht, Frauen wären die netteren oder auch nur die klügeren Menschen und eine Quote würde die traurige politische Lage sofort und vor allem deutlich verbessern.

     

    Nein, April Christ irrt sich: Die Politiker erwarten nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger die "Scheiße" wegräumen, die sie "in die Hinterhöfe kippen". Im Gegenteil. Die Politiker hoffen, dass sie möglichst lange und möglichst intensiv stinkt, die Scheiße, damit niemand, der nicht da geboren ist, auch nur auf die Idee kommt, er sollte versuchen einen Fuß in den Hinterhof zu setzen. Kein Wunder also, dass sie den Dänen verbieten will, ihre "eigene Sozial- und Ausländerpolitik" zu betreiben.

     

    Es tut gut zu lesen, dass sich wenigstens nicht alle Zugewanderten an die unmenschlichen Regeln halten, die offensichtlich überforderte MinisterInnen und ParlamentarierInnen in dem Bestreben aufgestellt haben, so etwas wie Handlungsfähigkeit zu zeigen, obwohl die gar nicht vorhanden ist. Wer sonst würde den weniger mutigen Eingeborenen eine Gelegenheit bieten, wenigstens ansatzweise mit anzupacken an der Arbeit, die ihrer angeblichen Führer lieber ungetan liegen lassen würden?

     

    Nicht, dass Sammelunterkünfte wirklich der Weisheit letzter Schluss wären. Einzeln, ohne Medienwirbel und ganz privat untergebracht wären die Obdachlosen (ob nun EU-Bürger mit theoretischem oder Nicht-EU-Bürger ganz ohne jedes Recht) vom Staat sehr viel schwer aufzuspüren und abzuschieben. Aber immerhin erfrieren die Leute ja bei April Chris nicht schon vor dem "Zugriff". Sie können also selbst als Abgeschobene noch auf eine zweite Chance hoffen - wie auch immer die aussehen mag. Die Dänen, finde ich, können jedenfalls ausgesprochen froh sein über diese nicht immer ganz nette "Fremde" – und ihren (weltlichen bzw. geistlichen) Schöpfern herzlich danken für sie. Vor allem so kurz vor Weihnachten und bei Wetterverhältnissen wie den aktuellen. Wer weiß, was die globalen Legendenbildner (siehe "sag") und ihre Berufspolitiker aus den Dänen machen würden im Verlauf der nächsten 2000 Jahre, wenn es solche Zugereisten nicht gäbe...

  • A
    Alexandra

    Das ist eine Unverschämtheit der dänischen Regierung. Diese Illegalen müssten schon längst ausgeschafft sein!

  • H
    helle

    Hej,

    ja, Dänemark hat sich seit der politischen Drehung nach konservativ stark nach rechts verändert.

    Behinderte werden unterversorgt mit Hilfsmitteln, dass sie sterben; es ist nur noch der Run auf das Geld da. Man glaubt es kaum.

    Die einzige Oase scheint da nur noch der fristaden Christiania zu sein.

    Det er rigtigt gået darligt med Danmark, siden dennegang, da det VAR rigtigt hyggeligt!!!

    Helle.

  • S
    sag

    Hej,skandinavische "Hilfsbereitschaft" und"Freundlichkeit" wird immer so inden Himmel gehoben.In der Realität sieht es oft anders aus. Solange man Geld reinbringt ist alles o.k., aber wehe man sitzt mal am Abgrund (Arbeitslosigkeit oder sonstiges)und es wird staatliche Hilfe benötigt und dass noch als Ausländer, da lassen sie einen verhungern. Alles schon am eigenem Leib erlebt, in einem skandinavischen Staat. So nett sind die dort oben im Norden nicht.