die wahrheit: Es fährt ein Zug nach Nirgendwo
Die gute Nachricht: Edinburghs umstrittene Straßenbahn wird in diesem Sommer endlich den Betrieb aufnehmen ...
... Die schlechte Nachricht: Man wird davon in der schottischen Hauptstadt nichts merken. Die Bahn wird nämlich lediglich vom ländlichen Vorort Gogar zum ebenso ländlichen Vorort Gogarburn rollen. Das ist eine Strecke von 800 Metern. Die kurze Fahrt werde wenig Einkünfte abwerfen, räumte Alastair Richards, der Geschäftsführer der staatlichen Straßenbahngesellschaft, ein. Das kann man wohl sagen: Die Zahl der Menschen, die täglich zwischen Gogar und Gogarburn pendeln, ist ziemlich begrenzt.
Selbst die Ministrecke ist nicht mal gesichert. Richards sagte, die Voraussetzung dafür sei, dass zwischen seiner Behörde und der deutschen Baufirma Bilfinger Berger "Frieden ausbricht". Zurzeit verhandelt man vor Gericht über den Frieden, gebaut wird schon lange nicht mehr. Das Mannheimer Unternehmen, bei dem der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch im Juli Vorstandschef wird, verlangt mehr Geld, die Schotten wollen es nicht herausrücken.
Als im Juni 2008 mit dem Bau begonnnen wurde, sprach die Stadtverwaltung optimistisch von einer "aufregenden Nahverkehrsrevolution, wie man sie seit dem viktorianischen Zeitalter in Edinburgh nicht erlebt" habe. Wie die meisten schottischen Revolutionen, so scheiterte auch diese kläglich. Eigentlich sollte die Bahn im Juli den Flughafen mit dem 18,4 Kilometer entfernten Hafen verbinden - gut 50 Jahre nachdem die alte Straßenbahn stillgelegt und die Schienen herausgerissen wurden. Doch die auf ursprünglich 545 Millionen Pfund veranschlagten Kosten sind explodiert, der daraus resultierende Rechtsstreit hat den Bau immer wieder lahmgelegt. Wenigstens besitzt man bereits eine Bahn. Die war bis November auf Edinburghs Haupteinkaufsstraße ausgestellt, damit die Bevölkerung begutachten konnte, wofür ihre Steuergelder vergeudet werden. Danach verschwand das zwei Millionen Pfund teure Fahrzeug in einem Industriegebiet, wo es seitdem im Schnee vor sich hin gammelt.
In Glasgow lacht man sich über das schildbürgerhafte Treiben scheckig. Allerdings sind Probleme mit dem öffentlichen Nahverkehr auch in Glasgow nicht unbekannt. Voriges Jahr stellte die Stadt die 500 Jahre alte Fähre über den Clyde ein. Stattdessen sollte ein "Amfibus" die Vororte Renfrew und Yoker verbinden. Das quietschgelbe Amphibienfahrzeug kann 50 Passagiere über Land und Wasser befördern, doch schon die erste Probefahrt ging schief, weil ein Airbag ohne ersichtlichen Grund explodierte. Am Ende entschied man sich, den Fährbetrieb wieder aufzunehmen.
Vielleicht kann man den "Amfibus" den Nachbarn in Edinburgh andrehen. Erstens ist er mit 700.000 Pfund nur ein Bruchteil so teuer wie die Straßenbahn, und zweitens könnte er vom Flughafen ein paar Kilometer nördlich nach Queensferry fahren und dort in Richtung Hafen in See stechen, ohne den lästigen Umweg durch die Innenstadt machen zu müssen.
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