Arbeit und Eltern: Familien ticken anders
Eltern haben immer häufiger Probleme, Job und Betreuungszeiten unter einen Hut zu bekommen. Das ist ein Ergebnis des Familienberichts 2011.
Eltern mit flexiblen Arbeitszeiten haben oft ein Problem: Wohin mit dem Nachwuchs, wenn der Job nicht in den klassischen Kita- oder Hortzeiten zwischen 8 und 17 Uhr zu erledigen ist? Das Pankower Frauenzentrum Paula Panke bietet dafür eine Lösung. 15 Betreuerinnen, bezahlt über den Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, kümmern sich besonders am Abend, am frühen Morgen oder am Wochenende bei den Familien zuhause um die Kinder. Das Angebot richtet sich vor allem an Eltern mit geringem Einkommen und an Alleinerziehende.
Ginge es nach dem Berliner Familienbeirat, gäbe es deutlich mehr solcher flexibler Kinderbetreuungen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss verbessert werden, lautet eine zentrale Forderung des Familienberichts 2011, den der Beirat am Mittwoch dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und dem zuständigen Senator Jürgen Zöllner (beide SPD) im Roten Rathaus überreichte. Das betreffe nicht nur Eltern mit kleinen Kindern, erklärte der ehrenamtliche Beiratsvorsitzende, Peter Ruhenstroth-Bauer. Gerade auch pflegende Angehörige hätten häufig Schwierigkeiten, im Beruf zu bleiben.
Der Berliner Beirat für Familienfragen ist ein bunt zusammengewürfeltes Gremium: Familienpolitiker der Parteien sind daran genauso beteiligt wie Vertreter aus den Wirtschaftsverbänden, den Kirchen und anderen Organisationen. Drei Jahre diskutierten die Mitglieder im Auftrag des Senats über die Familienpolitik im Land. Die Berliner selbst konnten sich in Online-Befragungen und bei mehreren Foren in den Bezirken direkt beteiligen. Das Ergebnis: ein fast 200 Seiten starker Band, der sich neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch mit Bildungs- und Armutsfragen beschäftigt. "Von der Politik erwarten wir eine intensive Prüfung und hoffen auf eine breite Umsetzung der Handlungsempfehlungen", sagte Ruhenstroth-Bauer.
Zunächst ist der Bericht aber eine Analyse der Zustände. 442.000 Familien leben in Berlin. Mehrheitlich sind Vater und Mutter erwerbstätig. Nur in 22 Prozent der Familien arbeitet lediglich einer der Elternteile - "die so genannte Hausfrauenehe gehört damit in Berlin zum auslaufenden Modell", heißt es in dem Bericht. Auch 60 Prozent der Alleinerziehenden sind erwerbstätig. Eltern hätten immer häufiger Probleme, Arbeit und Betreuung unter einen Hut zu bekommen, so eine Feststellung. "Die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten, der zunehmende Trend zu Schichtdienstmodellen und überlange Arbeitszeiten belegen, dass dies zu einer Realität wird, der sich immer mehr Familien stellen müssen."
Der Beirat fordert deshalb eine Weiterentwicklung der Kinderbetreuungsangebote in den Rand- und Ferienzeiten. Die Eltern sollten zudem in Beratungen auf bestehende Angebote hingewiesen werden. Generell bestehe das Problem, dass Informationen nicht leicht zugänglich seien. "Ein Internet-Portal für Familien könnte deutlich machen, welche Angebote es gibt", schlug Ruhenstroth-Bauer vor.
Der Familienbericht sei "Politikberatung im klassischen Sinne", sagte Wowereit. Es liege nun aber nicht nur am Senat, sondern auch an Arbeitgebern und der Gesellschaft, die Empfehlungen umzusetzen. Zöllner wies darauf hin, dass das Land mittlerweile über 1,1 Milliarden Euro für familienpolitische Maßnahmen ausgebe. Im Jahr 2006 waren es noch 362 Millionen.
Der ganze Bericht unter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!