: Um Längen besser
RBB 20 Jahre Radio Fritz: Für unseren Autor war der Sender ein allabendlicher Lichtblick in der Provinz
Ich habe ihm viel zu verdanken, dem Jugendsender vom RBB, Radio Fritz. Er hat meine Jugend gerettet. Jetzt lässt der Sender die Jugend langsam hinter sich und kommt in ein Alter, das Soziologen „Postadoleszenz“ nennen. Der 20. Geburtstag steht vor der Tür und soll gefeiert werden.
Fast jeden Abend hörte ich „Blue Moon“, eine Talk-Sendung die bis 1 Uhr nachts lief und mir jeden Tag von Neuem zeigte, dass es junge Menschen gab, die ein anderes Leben führten als das meines sächsischen Provinzkaffs, wo das Bermudadreieck Fußball, Karneval, Feuerwehr jeden Hauch von Vielfalt in den Abgrund sog. Weil ich an der Brandenburger Grenze wohnte, konnte ich Fritz gerade noch empfangen, wenn die Antenne in die richtige Richtung gebogen wurde. Der Nacht-Talk war mein Fenster zur Welt. Und morgens kam ich übermüdet zur Schule.
Fritz entdeckte etliche großartige Bands. Christian Ulmen und Steffen Hallaschka fingen dort an. Sternstunden waren die Talk-Sendungen „Das Buch der guten Fragen“ von Konstantina Vassiliou-Enz und die herrlich zynische Welt von Tommy Wosch. Als der Sender Wosch mal wieder feuern wollte, weil er sich nicht an die Programmvorgaben hielt, demonstrierten seine Fans vor dem Sendegebäude und retteten ihm den Job.
Das ist lange her. Und wie das so eben so ist – wenn man erwachsen wird, wird man auch ein bisschen bequem und angepasst. Ähnlich wie bei MDR Sputnik findet man heute auch bei Fritz immer mehr öden Gleichklang. Richtig gut wird das Programm erst abends, zum Soundgarten und beim Nightfly nach 0 Uhr. Trotzdem: Fritz ist immer noch um Längen besser als der durchschnittliche Radiobrei und rettet auch heute noch dem einen oder anderen Jugendlichen in Annaburg, Stülpe oder Luckau den Arsch. Auch wenn die heute keine Antennen mehr verbiegen müssen, sondern einfach auf den Online-Stream klicken. M. RANK
■ Am 9. März: Fritz-Geburtstagsfestival in der Columbiahalle & C-Club
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen