piwik no script img

Kommentar KlassenwiederholungenKein Sparmodell

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Es wird sich zeigen müssen, ob die derzeit veranschlagten Summen reichen, um die individuelle Förderung so auszubauen, dass das Sitzenbleiben an Hamburgs Schulen überflüssig wird.

E s wird sich zeigen müssen, ob die derzeit veranschlagten Summen reichen, um die individuelle Förderung so auszubauen, dass das Sitzenbleiben an Hamburgs Schulen überflüssig wird.

Aber es ist keine Einsparpolitik, im Gegenteil: Bevor der Wegfall der Sitzengebliebenen auch nur einen ausgegebenen Euro einsparen kann, muss ja erstmal Geld für die Förderung der Schüler vorgestreckt werden. Erst in vier Jahren, wenn ein Schülerjahrgang durchgewachsen ist, ist die Sache kostenneutral.

Wer jetzt die mit falschen Zahlen gegen diese Reform polemisiert, will alles beim Alten belassen: Kinder, die nicht mitkommen, müssen schleunigst raus aus der Klasse - damit die eigenen nicht gebremst werden. Egal, was die Wissenschaft sagt.

Zudem verunsichert solche Rede andere Eltern: Denen nämlich wird verschwiegen, dass es weiterhin die Möglichkeit gibt, falls nötig, sein Kind eine Klasse wiederholen zu lassen.

Hier geht es um die Interessen jener gut situierten Familien, die seit dem Volksentscheid zur Schulreform Oberwasser haben. Auf dieses WählerInnenpotenzial schielt derzeit sogar die wahlkämpfende SPD, wenn sie kostenlose Kita-Plätze auch für Reiche verspricht und dem alles andere im Bildungsbereich unterordnet.

So richtig unberechenbar in Sachen Schulpolitik ist aber die FDP: Ihre Spitzenkandidatin erklärte jüngst im taz-Gespräch, die "Durchlässigkeit zwischen Gymnasien und Stadtteilschulen" gewährleisten zu wollen. Und stellt damit das Zwei-Säulen-Modell gleich ganz in Frage.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • FS
    Franz Schäfer

    Den meisten Eltern scheint nicht klar zu sein, dass die Lehrer SchülerInnen, die überfordert waren, ja nicht deshalb haben sitzen lassen oder "abgeschult" haben, weil die "lästig" oder "unwürdig" waren für die betreffende Klasse oder Schule.

     

    Vielmehr liegt das Problem darin, dass die betreffenden SchülerInnen den Rest der Klasse im Lernfortschritt aufhalten ... denn nachvollziehbar werden diese SchülerInnen unruhig ... langweilen sich und "stören" über kurz oder lang den Unterricht durch allerhand "Nebentätigkeiten", weil sie das, was da läuft nicht verstehen und dann eben anderweitig Beschäftigung suchen.

    Alles menschlich, aber wenn man als Lehrer vor weiteren 29 Schülern steht, die auch was lernen wollen auf ihrem (!!!) Niveau, dann ist das nicht aufzufangen. Die meisten Lehrer wenden sich dann aber - vor die Wahl gestellt - den schwächeren Schülern zu, die stören schließlich am meisten ...

    die stärkeren SchülerInnen fallen in ihrem Lernniveau runter ...

     

    Natürlich könnte man die beschriebenen Probleme auffangen auffangen durch sehr modernen, integrativen und tatsächlich (!!!) - und nicht nur politisch poklamierten - individualisierten Unterricht.

    Dazu bracht man ZEIT (ist aber durch Kürzung des 13. Schuljahres grad verringert worden) und durch PERSÖNLICHE (!!) Betreuung, die diese Bezeichnung auch verdient.

    Experten wissen: das funktioniert nur bei einer Klassengröße von max. 14 SchülerInnen und zwei Lehrern gleichzeitig im Klassenraum. Unter diesen Voraussetzungen wäre dann tatsächlich die Heterogenität der SchülerInnen ein Vorteil für alle Beteiligte (aber eben auch nur unter diesen Voraussetzungen) ...

    ... nicht zu vergessen erfordert die Unterrichtskonzeptionierung für heterogene Lerngruppen wesentlich mehr Vorbereitungszeit auf Seiten des Lehrers - doch auch diese wurde mit dem Lehrerarbeitszeitmodell massivst beschitten ... also auch hier wurde faktisch das Gegenteil von dem durchgeführt, was dem Ereichen von Politkern und Behörde proklamierter Ziele dienlich wär ...

     

    Nicht zuletzt: natürlich ist es so, dass durch "Nichtabschulen" und "Nichtwiederholen" erhebliche Aufwendungen eingespart werden. Denn die Verweildauer einer SchülerIn in der allgemeinbildenden Schule wird sicher sensationell verkürzt werden, damit spart man das teuerste, was die Schule hat: Lehrer und Raum.

     

    Genau wie durch jede andere Reform der letzten Jahre nur Lehrer und Raum eingespart wurden. Das Arbeitzeitmodell, der Wegfall des 13. Schuljahres und die Oberstufenreform hin zu "Profilkursen" usw. (führt zu nachhaltiger Vergrößerung der Oberstufenkurse) ...

     

    Folgen dieser Sachverhalte:

     

    1.) Das Lernniveau an Hamburger Gymnasien ist in den vergangenen Jahren aufgrund oben genannter Reformen kontinuierlich gesunken.

     

    2.) Es ist eine Frage rationaler Logik, dass mit oben diskutierter Reform das Niveau weiter sinken wird.

     

    3.) Natürlich behaupten alle an den Reformen beteiligten Politiker, es wird ständig alles besser ... ist doch klar.

     

    Ergebnis:

     

    1.) Bundesweit ist inzwischen längst bekannt, dass die Hamburger Abiturienten bezogen auf ihre Kompetenzen die rote ALterne besitzen.

    2.) Unter den Junglehrern und Referendaren hat sich inzwischen hinlänglich herumgesprochen, dass die Arbeitsbedingungen in Hamburg die schlechtesten in Deutschland sind, der Arbeitsaufwand gleichzeitig der höchste. Schlimmer ist es nur noch in Berlin (weil die total plete sind).

    3.) Deshalb wirbt die Hamburger Schulbehörde jetzt um "Quereinsteiger" in den Lehrerberuf. Folge: das Lehrniveau an den Gymnasien wird sicher nicht steigen ...

    Immerhin passt wenigstens dieser Plan in das allgemeine Bild an unseren Schulen in Hamburg ....