Regisseurin über Optimismus und Musik: "Da hat es bei mir klick gemacht"
Hinter den Kulissen des Musikgeschäfts: "Utopia Ltd." von Sandra Trostel zeigt das Making of der Popband 1000 Robota (Perspektive Deutsches Kino).
taz: Frau Trostel, worauf bezieht sich der Titel "Utopia Ltd."?
Sandra Trostel: Meinen Filmtitel habe ich einer britischen Operette aus dem späten 19. Jahrhundert entlehnt, "Utopia Limited or The Flowers of Progress". Sie setzte sich satirisch mit dem Umstand auseinander, dass insolvente Firmen ihre Gläubiger nicht bezahlen müssen, was im Empire sehr verbreitet war. Mein Film erzählt, wie sich Musiker nach dem Geldfluss richten und daran fast zerbrechen.
Sie zeigen das schwierige Making of einer jungen Popband. Welche Popmythen waren dafür konstituierend?
Am Ende des Films erwachsen 1000 Robota als Band, die zwar in die Mühlen des Musikbusiness geraten ist, sich aber trotzdem treu bleibt. Von Mythen wie "Sex, Drugs and Rock n Roll" handelt mein Film definitiv nicht. Eher geht es ums Über-die-Stränge-Schlagen. 1000 Robota sind Platzhalter für andere Bereiche. Etwa für die Frage: Was spielen Ideale und Moral überhaupt noch für eine Rolle?
Ist der ökonomische Druck, dem Sie als Filmemacherin ausgesetzt sind, vergleichbar mit den Auseinandersetzungen von 1000 Robota mit ihrer Plattenfirma?
Die Fertigstellung meines Films war durchaus konfliktgeladen. Ich habe meiner Produzentin oft gesagt, ich halte dies oder jenes für richtig und mache den Film genau so, wie ich mir das gedacht habe. Dass er nun die "Perspektive deutsches Kino" eröffnet, gibt meinem Beharren recht.
wurde 1976 in Baden-Würtemberg geboren. Nach dem Abitur ging sie 1996 nach Hamburg, wo sie zunächst für eine Werbefilmfirma in der Postproduktion arbeitete und dann als Cutterin für Spiel- und Dokumentarfilme. "Utopia Ltd." ist ihr Regiedebüt.
Warum fiel Ihre Wahl ausgerechnet auf 1000 Robota?
Ich habe eines ihrer frühen Konzerte gesehen, und der Sänger Anton Spielmann sagte zur Begrüßung: "Warum sind hier alle so alt?" Da hat es bei mir klick gemacht. Ihr rotziges Verhalten und ihre schlampige Performance sprachen mich an. Etwas Vergleichbares hatte ich lange nicht gesehen.
Wie gelang es Ihnen, der Band nahe zu sein und trotzdem kritische Distanz zu wahren?
Ich habe mich als Person zurückgenommen. Meine Kamerafrau Lilli Thalgott hat gesagt, wir werden zur Tapete.
Was heißt das?
Wir sind tief im Raum verschwunden mit der Kamera, obwohl wir immer mit dabei waren. Mir war wichtig, dass die drei Bandmitglieder ihre Lebensentwürfe selbst erzählen. Ich wollte nicht im Nachhinein über ihren Alltag berichten, ich wollte mittendrin sein, miterleben und nicht werten.
Wie gestaltete sich die Suche nach Bildern, die der Musik und dem Lebensgefühl von 1000 Robota entsprechen?
Meine Collage aus Bildern und Tönen zeigt eher den inneren Zustand der Band und wie er durch mich als Regisseurin hindurchgeht. Wenn ich ein Gefühl zu den Situationen entwickelt habe, dann haben sich die passenden Bilder automatisch gefunden.
Was bereitete am meisten Probleme?
Mit 18-Jährigen zu drehen stellte mein Zeitgefühl auf den Kopf. Da bedeutete eine Woche eine halbe Ewigkeit. Vom Beginn der Dreharbeiten zur Fertigstellung vergingen drei Jahre. Das hat sich niedergeschlagen in 160 Stunden Material. Schon unterwegs suchten Lilli Thalgott und ich Bilder, die wir nachher auch so zusammenmontiert haben. Das hat viel mit dem Gefühl für den Moment zu tun. Mir gefällt Direct Cinema, weil es einfach nur zeigt, was passiert. Ich zeige auch stets, dass ich mit anwesend bin. In dem Moment, wo ich die Kamera in die Hand nehme, werde ich subjektiv.
Wie war es, sich als Filmemacherin in einer reinen Jungswelt zu bewegen?
Ich fand es lustig, denn ich bin mit 34 Jahren fast doppelt so alt wie die drei Musiker. Als ich selbst 18 war, durfte ich an vergleichbaren Jungsrunden nie teilnehmen. Ich bin in eine Teeniewelt zurückgekommen, die ich schon längst hinter mir gelassen hatte. Beim 18. Geburtstag gab es einen Tisch mit Mädchen und einen mit Jungs. Ich saß am Jungstisch als einzige Frau. Aufregen konnte mich da nichts. Nicht mal der Spruch "Alte Frau, geh weg".
Ist Ihr Film optimistisch?
Doch, doch. Trotz aller bitteren Momente wie etwa die Strapazen und der Stress, die 1000 Robota für ihre Musik durchleben müssen, zeigt er etwas Hoffnungsvolles. Dass es möglich sein muss in unserer Gesellschaft, so wie 1000 Robota, sich in aller Ruhe zu entwickeln. Dazu gehört es auch, Fehlentscheidungen zu treffen. Persönlichkeit ist keine von oben aufgesetzte Maske, sie ist nicht marktbestimmt.
Sie zeigen Ihre Band auch als emotional verwundbar. Konnten Sie Ihnen das nachfühlen?
Das Gefühl des Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Gehens kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich hab das vielleicht als Teenager anders ausgetragen, aber ich habe mich auch nie unterkriegen lassen. Ich merke aber, dass ich als Frau an gewissen Stellen viel mehr kämpfen muss. Trotzdem finde ich es interessant, wie sich Frauen und Männer immer mehr einander annähern.
"Utopia Ltd.": 11.2. 19.30, CinemaxX 3; 12.2. 13 Uhr, Colosseum 1; 20.30 Uhr, CinemaxX 1.
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