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Interview Linken-Chefin Gesine Lötzsch"Wir haben keine Wähler verloren"

Ihre Partei wird auch in die Landtage vom Mainz und Stuttgart einziehen, ist sich Gesine Lötzsch sicher. Die Linken-Chefin über die Kommunismus-Debatte und Schnittmengen mit SPD und Grünen.

"Wer nach der jüngsten Finanzkrise nicht über Alternativen nachdenkt, der handelt politisch verantwortungslos." : dpa
Matthias Lohre
Paul Wrusch
Interview von Matthias Lohre und Paul Wrusch

taz: Frau Lötzsch, bei der Hamburg-Wahl ist die Linke mit einem blauen Auge davongekommen. Die Aussichten für Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sind nicht glänzend. Stellen Sie sich schon auf mehr Freizeit ein?

Gesine Lötzsch: Wir haben in Hamburg ein sehr gutes Ergebnis eingefahren, wenn man bedenkt, dass alle gegen uns waren. Obwohl die SPD dazugewonnen hat, haben wir keine Wähler verloren. Das ist eine gute Entwicklung. Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind politisch ein anderes Pflaster. Bisher waren wir bei Wahlen meist besser als bei Umfragen. Ich gehe davon aus, dass wir in die beiden Landtage kommen.

Gregor Gysi sagte am Abend der Hamburg-Wahl, er sei glücklich, seinen "Plan B" nicht greifen lassen zu müssen. Was hätte der beinhaltet - seine Rückkehr und Ihren Sturz?

Das müssen Sie Gregor Gysi fragen. Ich bin gewählte Parteivorsitzende und erfülle meine Aufgaben. Und Gregor Gysi ist Fraktionschef und kümmert sich um die Arbeit der Fraktion.

Würden Sie Ihren umstrittenen Kommunismus-Text heute nochmal so veröffentlichen?

Der Text hat viele Diskussionen ausgelöst. Ich finde es gut, dass sich viele Menschen die Mühe gemacht haben, die Gedanken aufzunehmen und sich zu fragen, wie man in der Gesellschaft etwas grundsätzlich ändern kann. Gerade in der taz gab es dazu eine interessante Debatte.

War der Text als Provokation gedacht?

Ziel meines Textes war es, eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen. Das ist mir auch gelungen. Es wird wieder über Alternativen zum Kapitalismus gesprochen. Wer nach der jüngsten Finanzkrise nicht über Alternativen nachdenkt, der handelt politisch verantwortungslos.

Ökologie spielt bei der Linken eine viel kleinere Rolle als bei anderen Parteien. Müssen Sie sich breiter aufstellen?

Wir wollen die ökologische Frage im Unterschied zu den Grünen mit der sozialen Frage und der Eigentumsfrage verbinden. Wir stellen in Berlin und Brandenburg die Umweltministerinnen. In der öffentlichen Wahrnehmung gibt es da aber noch ein bisschen nachzuarbeiten.

Warum ist das bisher nicht geschehen? Interessiert das ihre Klientel nicht?

Die ökologischen Fragen werden von den Besserverdienenden mit Leidenschaft laut diskutiert. Arme handeln in der Regel viel ökologischer als die Besserverdienenden, sie reden bloß weniger darüber.

Aber in der bundesweiten Wirkung wird die Linke eher wahrgenommen als Partei, die den Kohleabbau im Osten gutheißt.

Um die Kohle gibt es heftige Diskussionen, das ist kein Geheimnis. In Brandenburg haben wir uns schon vor Jahren gegen den weiteren Abbau von Braunkohle ausgesprochen. Klar, es gibt Kollisionen der Interessen, da geht es um Arbeitplätze auf der einen Seite und um ebenso existenzielle Fragen des Klimaschutzes auf der anderen.

Was ist die wichtigste Aufgabe einer Parteichefin?

Die Kernthemen der Partei, wie soziale Gerechtigkeit und Friedenspolitik, immer wieder in die Öffentlichkeit zu bringen, um Mitglieder und Wähler zu gewinnen.

Ist Ihnen das gelungen? Die Umfragewerte stagnieren …

… man kann auch sagen, sie sind stabil …

obwohl Schwarz-Gelb Sozialabbau betreibt. Das müsste Ihnen doch Wähler zuspülen.

Viele Menschen haben resigniert. Sie meinen, sich in die Politik einzumischen, habe keinen Sinn. Wir müssen sie zurückholen, ihnen Hoffnung geben und sagen: Es lohnt sich. Man soll die Welt verändern wollen.

2010 gab es im Bund Annäherungen an Rot-Rot-Grün. Das ist eingeschlafen. Ist bis zur Wahl 2013 genügend Zeit, um Gemeinsamkeiten auszuloten?

Nach der Wahl muss man entsprechend des Wahlergebnisses sehen, ob es genügend Schnittmengen und den Willen, zu kooperieren gibt. Diese Aussage "Niemals mit der Linken" wird jedenfalls immer weniger gemacht.

Eine Koalition braucht Vorbereitung.

Daran wird gearbeitet. Die Schnittmengen sind da. Aber zwischen uns stehen Hartz IV und der Krieg. Da fehlt uns die kritische Aufarbeitung der SPD-Grünen-Regierungszeit.

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16 Kommentare

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  • H
    Hans

    Die Linke muss noch an Wortwahl, Botschaft und Verpackung arbeiten, damit es mit dem Links-ist-In und Links-Radikal-ist-In auch klappt. Wenn ich mir durchlese, wieviele Beifall heute von Dünnbrettbohrer in Deutschland eingefahren wird (zu Guttenberg, Schröder, von der Leyen, Sarrazin) dann möchte ich meine Prognose für Gesine Lötsch nach Oben korrigieren, so schwer ist das - bei diesen Gegnern - auch nicht mehr.

    Es muss allerdings punktgenau treffen ...

  • S
    seyinphyin

    "Und der Begriff "Kommunismus" wird eben verbunden mit Stalin, Gulag, Mauer und SED-Diktatur."

     

    Aber nur von den Ungebildeten oder den Hetzeren, die jene ausbeuten wollen.

     

    Kommunismus hat in der Tat Probleme, schon allein, dass man ihn nicht einfach so einführen kann. Aber mit Diktatur kann er schon per Definition nichts zu tun haben. Und das waren die Probleme von China, SU, DDR, usw., die typischen Diktaturprobleme.

     

    Wer über Kommunismus oder eher Sozialismus (der würde derzeit nämlich problemlos funktionieren) reden will, sollte das schon mit den echten Definitionen dieser Begriffe tun und nicht, womit irgendwelche Ausbeuter das Volk verarscht haben. Alles andere ist schlichtweg nicht ernst zu nehmen.

     

    Abgesehen davon war ja das, was Lötzsch gesagt hat eher eine Beschwichtung der allzu ideologisch behafteten Leute. Der Grundgedanke stimmt ja, aber geht halt zu weit. Unser derzeitige Grundgedanke, der in Deutschland vorherrscht führt aber alleine schon in den Abgrund, dafür müssen wir gar nicht erst zu weit damit gehen. Bei uns läuft nach und nach immer stärker das gleiche ab, wie zu Zeiten des späten Feudalismus. Die Enteignung und Versklavung der Masse. Und das bedeutet nicht Kommunismus, sondern das ist der KERN des Kapitalismus.

  • V
    vic

    @ mellow dramatic

    da sagst Du was. Ich lebe in BW, nahe bei Stuttgart. Und ich habe ein Problem: Klare Sache, Mappus muss weg.

    Wähle ich jedoch die Linke, was ich gerne tun würde, bekomme ich Schwarz-Grün. Ich weiß also nur, was ich nicht wählen kann: CDU, FDP, Grüne, SDP.

    Alle diese Parteien unterscheiden sich nur marginal.

    Wenn SPD und Grüne, dann nur mit Linke.

    Das wird vrmutlich noch schwierig und möglicherweise spontan.

    Ich denke, am Ende wird es darauf hinauslaufen, dass es genügen muss Mappus zu entfernen. Armselig.

  • N
    normalo

    Nach der viel zu lang anhaltenden Schmierenkömödie um den Baron von und zu Guttenberg ist es wohltuend, wieder einmal von Frau Lötzsch normale und nachvollziehbare Gedanken zu hören.

    Für Frau Lötzsch habe ich mich bisher noch nicht schämen müssen, dafür umso mehr für die Politiker und Prominenten, die einen Spitzenhochstapler in "selbstlosem Einsatz" unterstützen.

  • MD
    mellow dramatic

    Voll vorne die Gesine, ungefähr so reflektiert wie die FDP.

     

    Wer in BaWü oder RLP die Linken wählt, hält damit die Machthaber im Sattel - Mappus und Beck, weil die Linken vor Ort ja komplett politikunfähig sind.

     

    Und was soll der Mist mit dem Ökologie und Soziales zusammendenken, ja die CO2-Verpressung in BB mit Hilfe der Linken Umweltministerin, das ist ja total knorke, sozial und ökologisch.

     

    Nee, und in Berlin, das ist ja mal richtig pragmatisch linke Poltik: Privatisierung, Stellenabbau, leistungskürzung und die Defizite soll doch der Rest der Republik tragen. Immer nur Worthülsen wenn's eng wird

  • MV
    Mann vonne Waterkant

    "Obwohl die SPD dazugewonnen hat, haben wir keine Wähler verloren..."

     

    Wie nennt man es denn, wenn man 2011 6,4 % = 220995 Stimmen und 2008 6,4 % = 274196 Stimmen bekomen hat?

    Die Prozentzahl blieb gleich, weil die Wahlbeteiligung sehr niedrig war. Na ja....

     

    Und die gesellschaftliche Debatte? Bestand doch eher

    darin, das über die Linke und ihre Verbindung zum

    hehren Ziel des Kommunismus diskutiert wurde.

    Und der Begriff "Kommunismus" wird eben verbunden mit Stalin, Gulag, Mauer und SED-Diktatur.

     

    Ein toller Erfolg für Frau Lötzsch, den man so richtig zu schätzen weiß, wenn man als Linker bei Minustemperaturen am Infostand in Hamburg friert...

     

    Vielen Dank, Frau Lötzsch, für diese tolle Unterstützung aus Berlin....

  • S
    Stefan

    "Wer nach der jüngsten Finanzkrise nicht über Alternativen nachdenkt, der handelt politisch verantwortungslos"

    Über Alternativen zu dem zusammengebrochenen Kommunismus nachzudenken reichte ihr Verantwortungsgefühl nicht aus?

    Und die kritische Aufarbeitung der SPD-Grünen-Regierungszeit ... Hammer, Gesine! Kleiner Tipp: S E D !

  • C
    corvus

    Gute Fragen,schlechte Antworten.Es stellte sich noch die Frage,ob die Linke auch über Alternativen des

    Kommunismus nachdenkt.Oder gibt es keine Alternativen dazu?

  • F
    FAXENDICKE

    @ von Kaboom

     

    Hartz IV stammte von Herrn Hartz, Steinmeyer und noch einigen Arbeiterverrätern aus der SPD das Ganze wurde mit Schröders BASTA-Politik und den Grünen gegen die Basis durchgepeitscht. So ist das auch gemeint indem ich die Basis der Parteien erwähne!

  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Wie man in Ländern mit doch recht respektablen Akademikerzahlen und einem einigermassen hohen Bildungsstand derartig lange und durchgängig Sozialabbau- sowie sonstige repressive statt mehr Selbstverwirklichung bringende Politik gewählt bekommt, wird hoffentlich unsere intelligenten Enkelgenerationen vor unlösbare Verständnisprobleme stellen.

     

    Diese Trennung des Wahlverhalten vom eigenen Interesse,

    zusätzlich unter offensichtlichen Betrug und Lügen der Abbaupolitiker

    (selberständlich nicht nur und alle, wie in der Alltagssprache vorgesehen)

    läßt Zweifel am Gesamtsystem der Denkungsarten in unserem Land virulent werden.

  • D
    daweed

    "Man soll die Welt verändern wollen."

     

    wäre wohl die bessere Überschrift gewesen.

     

    So sieht das zu sehr nach Verteidigung aus...

  • K
    Kaboom

    @FAXENDICKE

    Ich weiss ja nicht ob es Ihnen aufgefallen ist, aber H-IV stammt von SPD und Grünen. Und exakt solange, wie die beiden Parteien Gestaltungsmöglichkeiten hatten, also an der Regierung waren, so lange fanden beide Parteien die entsprechenden Gesetze ne echt tolle Sache.

    Die Grünen sind seit 2005 für Änderungen, die SPD seit 2009.

    Dieses Land ist wirklich zur Bananenrepublik verkommen. SPD und Grüne suhlen sich zusammen mit CDU und FDP in "der Mitte", und wenn man links wählen will, muss man irgendwelche - sorry - Spinner wählen, die immer noch über irgendwelche Wege zum Kommunismus nachdenken.

    Eine gemäßgigt linke Partei, die den Sozialstaat verteidigt, die endlich wieder für steigende Reallöhne sorgt, die verhindert das die Scheere zwischen arm und reich sich weiter öffnet, die die skandalöse Zeit- und Leiharbeit ebenso zurückdrängt wie die befristeten Arbeitsverträge etc. pp. existiert nicht in diesem Land. Und genau das ist das Problem.

  • H
    hopfen

    Dem kann ich so nur Zustimmen, FAXENDICKE.

     

    Bislang haben die Rechten immer gut die Extremismus-Karte gegen die Linken ausgespielt und die SPD so an einer Annäherung gehindert. Dass die derweil teilweise mit den Rechtspopulisten ins Bett gehen wird von der Springerpresse ignoriert und findet somit nicht statt. Beim Thema Rechtsextremismus wird immer relativiert und vom "Extremismus von beiden Seiten" gesprochen, aber wenn es um die DDR geht wird die erste Diktatur auf deutschem Boden gerne ausgespart und vor allem ihre Helfer (welche ja auch als Blockparteien in der DDR vertreten waren).

  • R
    reblek

    "Wir wollen die ökologische Frage im Unterschied zu den Grünen mit der sozialen Frage und der Eigentumsfrage verbinden." Wer ein Gedächtnis hat, wird sich erinnern, dass exakt dies - erweitert um andere Aspekte wie Frauenfrage, Frieden... - der Ansatz der Grünen war. Die Umsetzung war denen aber nicht nur zu schwierig, sondern versprach auch nicht den schnellen "Erfolg", nämlich Posten in diversen Regierungen. Frau Lötzsch und Co. haben es noch nicht einmal so weit gebracht, dieses Vorhaben auch nur in Ansätzen zu formulieren und umzusetzen.

     

    "Wir stellen in Berlin und Brandenburg die Umweltministerinnen." Ganz sicher nicht, denn jedes Land hat nur eine Umweltministerin und die stellt der Verein von Frau Lötzsch.

  • C
    Christian

    Schade, ich hätte erwartet, dass sie nach dem Wasserglassturm moderate selbstkritische Töne äussert.

    Mit politischen "Ungeschicklichkeiten" wie der am 9. Januar kann man in einer Berliner Stunde die politische Aufbauarbeit vieler Jahre in den Bundesländern wieder zunichte machen.

    Wenn man Diekmann entmachten will, braucht man ihm nicht zuzuarbeiten. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung bietet viele Gelegenheiten, programmatische Fernzieldiskussionen zu führen. Warum dann an falschester Stelle einen verheerenden, zum Falschverständnis geradezu einladenden, Medienauftritt inszenieren ?

    Beratungsresistent, Frau Lötzsch ?

  • F
    FAXENDICKE

    Ich würde mir wünschen SPD und LINKE würden einmal gemeinsam in die Zukunft schauen und einfach entsprechende Kompromisse eingehen. Zumindest bei der Basis beider Parteien findet die Mehrheit Hartz IV nicht in Ordnung und den Krieg schon gar nicht. Die linken Parteien haben schon zu oft den rechten das Feld überlassen. Nur die Uneinigkeit der linken hat Hitlers Ermächtigungsgesetz mit Zustimmung der Zentrumspartei (heute CDU) möglich gemacht, einschließlich der Folgen. Eine Abkehr vom Neoliberalismus dürfte wirklichen Sozialdemokraten doch möglich sein. Diese primitive HICKHACK um Lafontaine und Schröder sollte langsam mal ein Ende nehmen. Zurück zur sozialen Marktwirtschaft geht es nur gemeinsam und mit Sicherheit sieht das auch die Mehrheit der Wähler so. Sofern die grünen Yuppies wieder sozial werden, können die ja auch noch mitmachen.