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E 10-KriseBerliner halten wenig vom Biokraftstoff

Tankwarte gereizt, Aufahrer misstrauisch. ADAC will auch Nicht-Mitglieder informieren. BUND kritisiert: Das kann man nicht guten Gewissens tanken.

PKW-Fahrer in der Krise: Ja was verträgt mein Autole denn? Bild: dpa

Der neue Treibstoff E10 sorgt für eine Mischung aus Verwirrung und Genervtheit unter Berliner Autofahrern und an Tankstellen. Dabei geht es nicht allein darum, welcher Wagen den neuen Sprit verträgt, sondern auch um ökologische Bedenken. Dies bestätigt der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). "Das kann man eigentlich nicht guten Gewissens tanken", sagte die Sprecherin des Berliner Landesverbands, Carmen Schultze.

Bei einer taz-Umfrage reagierten Mitarbeiter von Tankstellen extrem reserviert. Man soll bitte das Gelände verlassen, ohne Genehmigung des Konzerns dürfe keine Befragung durchgeführt werden dürfen, hieß es bei "Shell" in der Oranienstraße. Das Gleiche bei "Aral" in der Skalitzer Straße und "Total" in der Holzmarktstraße, ebenfalls in Friedrichshain-Kreuzberg: Ohne Erlaubnis des Konzerns keine Stellungnahme und keine Befragung der Kunden.

Beim Bundesverband Tankstellen sieht man die Tankstellen als Opfer der schon vor zwei Jahren beschlossenen EU-Richtlinie zu Kraftstoffen. "Die haben doch selber gar keinen Einfluss", sagt Geschäftsführerin Sigrid Pook.

Am Ostbahnhof erzählt ein Autohändler, er befürchte Verschleiß und Schäden: "Solange keine Langzeitstudien existierten, rühre ich E 10 nicht an." Im Gegensatz dazu reagiert ein Taxisfahrer gelassen. Warum? "Das juckt mich doch gar nicht, ich fahr' Diesel", sagt er. Für eine 24-Jährige ist E 10 alles andere als öko: "Der Regenwald wird plattgemacht, und man schafft weitere Abhängigkeiten" - der E-10-Bestandteil Ethanol verdrängt in vielen Ländern Nahrungsmittelsanbau. Ein anderer fordert, doch gleich Autos zu bauen, die weniger verbrauchen.

Beim ADAC im Infocenter in Wilmersdorf sorgt das Thema zwar nicht für Großauflauf. Die Leute würden aber verstärkt anrufen. "Verträgt das mein Auto?", aber auch "Macht das ökologisch Sinn?" seien die üblichen Fragen, sagt ADAC-Technikexperte Jörg Kirst. Auch Nichtmitglieder sollen Auskunft bekommen, ob ihr Motor E-10-kompatibel ist.

"Wenn wir Hinweise auf mögliche Schäden durch E 10 am Motor haben, werden wir die Fälle sammeln, untersuchen und gegebenenfalls einen Musterprozess gegen die Hersteller führen", so Kirst. Ein Selbstständiger erzählt vor dem Infocenter, dass ihm das Risiko in jedem Fall zu hoch sei: "Es ist nicht klar, ob mein Wagen den Sprit wirklich verträgt - da bleibe ich am Ende auf den Kosten sitzen."

Klar contra ist die Linie des BUND Berlin. "Es ist überhaupt nicht klar, wieviel CO2 durch E10 eingespart wird", sagt Sprecherin Schultze. "Wer sich ökologischer verhalten will, sollte lieber zehn Prozent weniger fahren."

Bundesweit bietet laut Mineralölverband jede zweite Tanke E10 an. In Berlin soll der Anteil höher sein, da verstärkt die Regionen mit großen Raffinerien versorgt würden -und Berlin nur 85 Kilometer von der Raffinerie in Schwedt liegt. Meldungen, wonach manche Tankstellen kein "normales" Super mehr anböten, wies der Tankstellenverband zurück. Allerdings könne es kurzfristig zu Engpässen beim Super kommen, weil wegen E 10 weniger Platz in den Tanks sei.

"Diletantische Informationspolitik" und einen "Griff in die Gelbörsen" sieht Verbraucherschutzsenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei): "Schon jetzt ist klar, dass die Einführung des neuen Treibstoffes für das Drehen an der Preisschraube genutzt worden ist."

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4 Kommentare

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  • K
    Krampfader

    Es gibt keinen Biosprit, genauso wenig wie eine Umweltzone. Benzin gehört schon ewig verboten und die es benutzen werden von den kommenden Generationen als Kriegsverbrecher nach Nürnberg gezerrt.

  • S
    Stefan

    Dank, Hans, für den schönen Nachweis der Wahrheit meiner Behauptung.

  • HD
    Hans Dampf

    Ojojoj, lieber Stefan! Da hast du ja tief in die abgehalfterte Sprüchekiste gegriffen. Was ist denn mit den Leuten, die ein Auto brauchen? Ich für mein Werkzeug zum Beispiel, ich bin selbständig. Und ich fahre gerne Bahn, wenn ich von Karow nach, beispielsweise, Warschauer Straße fahre, bin ich mit S-Bahn billiger dran.

    Also bitte polter hier nicht so allgemein rum.

  • S
    Stefan

    Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen, werdet ihr feststellen, daß sich individuelle Mobilität nur gesellschaftlich, das heißt über ÖPNV und Zugverkehr, verwirklichen läßt. Und einsehen, daß die Behauptung, sie könne auch über das private 4-Radvehikel sich herstellen, schlicht debil ist.