Atomdebatte in den USA: Sicher wie in Japan
Präsident Barack Obama hält an der Kernkraft fest und eine Überprüfung der uralten US-Atomkraftwerke nicht für nötig. Doch die kritischen Stimmen werden lauter.
WASHINGTON taz | "Es gibt keinen Grund, weshalb wir die Atomenergie nicht auf sichere und verantwortliche Art nutzen sollten. So wie Japan es tut. Und Frankreich". Mit diesen Worten begründete Barack Obama am 15. Oktober 2009 seine Energiestrategie.
Neben der Öl-, Gas- und Kohleförderung setzt der US-Präsident auf die verstärkte Entwicklung von Technolgien zur Gewinnung erneuerbarer Energien sowie auf den Neubau von Atomkraftwerken. Seit der partiellen Kernschmelze am 28. März 1979 in Reaktor Nummer 2 des AKW "Three Mile Island" in Harrisburg im Bundesstaat Pennsylvania war in den USA kein neues AKW mehr bewilligt worden.
Seit dem Beginn der Katastrophe in Fukushima ist der Atompolitiker Obama zurückhaltender geworden. Bei seiner Pressekonferenz über steigende Ölpreise angesichts der Krise in der arabischen Welt vermied er letzte Woche jede Erwähnung des Atomthemas. Doch eine Generalüberprüfung der 104 Reaktoren, die gegenwärtig an 64 Standorten in den USA funktionieren, hält er angesichts der neuen Lage nicht für nötig. "Sie werden ohnehin ständig überprüft", begründet Jay Carney, der Sprecher des Weißen Hauses. Allerdings hat Obama eine Studie über die "Lehren" aus Fukushima von der Nuclear Regulatory Commission (NCR) verlangt. Die Ergebnisse sollen in künftige Überprüfungen der Behörde einfließen.
Doch in Obamas Partei werden die atomkritischen Stimmen lauter. Am Dienstag forderte eine Gruppe von Abgeordneten das Weiße Haus zu einer Generalüberprüfung, ähnlich wie in Deutschland, auf. Unter anderem äußerten sich Senatschef Harry Reid aus Nevada - dem Standort des einzigen je geplanten Atommüllendlagers - und der Abgeordnete Ed Markey in diesem Sinn.
Am Mittwoch schickte Dennis Kucinich, Kongressabgeordneter aus Ohio und demokratisches Mitglied der Energiekommission, einen Brief an den Chef des NRC, in dem er unter anderem eine "detaillierte Auflistung" aller Pannen in den Atomkraftwerken sämtlicher US-Betreiber verlangt. Darunter auch zwei AKWs in Kalifornien, die sich in Erdbebengebieten und direkt am Meer befinden: San Onofre und Diablo Canyon.
Anträge auf Laufzeitverlängerungen
Für zahlreiche US-Atomanlagen - die Konzepte für die jüngsten Modelle stammen aus der ersten Hälfte der 70er Jahre - sind gegenwärtig Anträge auf Laufzeitverlängerungen für 20 Jahre anhängig. Gleichzeitig beantragen die Betreiber in den meisten Fällen das Recht, die Atomreaktoren mit 120 Prozent ihrer Kapazität zu nutzen. In zahlreichen Fällen sind diese Verlängerungen bereits bewilligt. So erhielt das 1969 in Betrieb gegangene und ursprünglich für eine Laufzeit von 40 Jahren geplante AKW in Oyster Creek, 75 Meilen südlich von Manhattan, bereits 2009 eine verlängerte Lizenz bis ins Jahr 2029. Und der Reaktor Nummer 1 in Three Mile Island, der 1974 in Betrieb ging, darf bis 2034 laufen. Nach der ursprünglichen Planung sollte auch er nach 40 Jahren verschrottet werden.
Während in US-Geschäften der Verkauf von Notfall-Kits (Masken, Taschenlampen, batteriebetriebene Radios, Wasser und Essensrationen) sowie in Apotheken der Absatz von Jod-Mitteln boomt, sagte Energieminister Steven Chu am Dienstag im Kongress: "Es gibt keinerlei Anlass für gesundheitliche Sorgen an den US-Küsten. Und keinen Anlass für solche Käufe."
Die Vereinigung Concerned Scientists hat in den USA 23 Reaktoren vom Typ "Mark 1u2033" aufgelistet, die mit demselben General-Electric-System funktionieren wie Fukushima. Mit einem erschwerenden Unterschied: Die japanischen Reaktoren waren darauf eingestellt, acht Stunden lang ohne Strom durchzuhalten. Die US-Reaktoren sind nur für vierstündige Stromausfälle ausgerichtet.
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