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die wahrheitDer homosexuelle Mann ...

...liebt das Internet. Das Medium, dem er alles anvertrauen kann, das ihm viel Platz lässt, das ihn nicht zurückweist mangels Interesse oder Wichtigkeit...

Hier findet all das statt, wofür es in der übrigen Welt kein Forum gibt. Die Gemeinde der schwulen Blogger wächst ständig, die Anzahl schwuler Seiten hat jede überschaubare Dimension überschritten.

Da gibt es seit drei Monaten einen im Netz, der nennt sich "Brunos Archivar" und hat sich nur einer Person verpflichtet, dem Berliner Verleger Bruno Gmünder. Gmünder, ein Selfmademillionär, ist der Einzige, der den frischen Wind der Schwulenbewegung der siebziger Jahre in bare Münze umsetzen konnte. Angefangen hat er mit dem Stadtführer "Berlin von hinten" und mit dem ersten Schwulenroman von Klaus Mann, "Der fromme Tanz".

Dazu kam später der "Spartacus"-Reiseführer durch alle schwulen Nischen dieser Welt. Seitdem veröffentlicht Gmünder Romane, Softpornos, Bildbände und Zeitschriften, außerdem besitzt er mehrere Pornoshops übers Land verteilt, ist an Pornoproduktionen beteiligt und im Internet präsent mit seinen Erzeugnissen im "queer shop" des schwulen Nachrichtenportals "queer.de". Das alles ist detailliert nachzulesen bei "brunoleaks", dem Blog von "Brunos persönlichem Archivar", wahrlich kein Fan und auch kein Fan-Blog.

Stattdessen setzt sich das virtuelle Schwarzbuch kritisch mit Gmünders Wirken auseinander, denn das hat der - neben seiner Million - geschafft: Er gehört zu den umstrittensten Figuren der schwulen Szene. Und er tut alles dafür, dass das so bleibt. Seine Weggefährten von einst beleidigt er heute als "egozentrische Politschwuchteln", und erscheint ihm mal ein Text zu links in seinem publizistischen Flaggschiff, dem Monatsmagazin Männer, dann zensiert er ihn höchstselbst. Darunter leidet das Personal, der Chefredakteurssessel von Männer gilt als Schleudersitz.

Das große Geld aber hat Gmünder mit (soft-)pornografischen Erzeugnissen gemacht, auch wenn er sich gern als Feingeist und Saubermann feiern lässt. Apropos feiern: Wenn das kein anderer tut, müssen seine Lohnschreiber ran. Im März-Heft von Männer wurde er - neben Roland Emmerich und Karl Lagerfeld - ganzseitig hofiert als einer der mächtigsten Homosexuellen des Landes. So viel Selbstbewusstsein bezieht der einstige Jurastudent auch aus der klandestinen "Herrengesellschaft", eine Runde verschwiegener Homophiler aus den oberen Etagen von Politik und Wirtschaft, die bei ihren monatlichen Diners so tun, als ob sie irgendwelche Fäden ziehen.

Doch jetzt soll Schluss sein mit der Verlegerkarriere. Gmünder habe, so pfeifen es die Spatzen von den Dächern, verkauft an einen, der nicht aus der Branche kommt. Das Internet, das die Schwulen so lieben, hat zu dem Ende geführt, denn das Pornogeschäft - auch das schwule - ist am Boden, seitdem sich jeder seine ganz persönliche Wichsvorlage gratis runterladen kann. Und Brunos Archivar ist, kaum hat er seine Arbeit aufgenommen, bald wieder bloglos.

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1 Kommentar

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  • BP
    Brunos persönlicher Archivar

    Das ist fein, dass sich mal einer traut.

     

    Die explodierenden Zugriffzahlen auf brunoleaks.blogspot.com künden zwar von feixender Neugier, aber kein Ehemaliger traut sich (mit Nachschub) aus seinem Schrank raus.

     

    Gleichzeitig aber diesem "Archiv" den nahenden Exitus zu verkünden, halte ich nicht für besonders feinfühlig. Herr Gmünder kann Schluss machen. Ich fange erst an.

     

    Eingestellt von Brunos persönlichem Archivar