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KP-Parteitag auf KubaWarten auf den Wandel

Nach dreizehn Jahren findet erstmals ein Parteitag der regierenden Kommunistischen Partei statt. Mehr Eigeninitiative und etwas weniger Staat – das soll die bankrotte Insel retten.

Neben der Planwirtschaft soll es einen privaten Sektor geben: Marktverkäufer in Havanna. Bild: ap

"Jeder und jede in Kuba wartet auf den Kongress. Der soll den Wandel bringen, und die Vorschläge wurden überall eingehend diskutiert, sodass wirklich jede Familie auf dem Laufenden ist. Die Erwartungen sind groß", erklärt Gabriel Calaforra. Der ehemalige Diplomat hat mitdiskutiert bei der Veranstaltung in seiner Straße, der Calle Lealtad im Zentrum Havannas. "Zu langsam kommen die Reformen voran und die Ankündigung von weiteren Entlassungen sorgt gleichzeitig für Unruhe und Unsicherheit", sagt der 78-Jährige.

Er ist kein Anhänger der Regierung und kritisiert die Bedingungen, mit denen die neuen Selbstständigen zurechtkommen müssen: "Die Steuern sind absurd hoch angesetzt, die meisten Kubaner haben kein Investitionskapital und keine Ahnung, wie man ein Unternehmen leitet."

Dennoch begrüßt auch Calaforra, dass die Regierung endlich Initiativen ergreift, um die Wirtschaft wieder flottzumachen. Sie wurde seit dem letzten Parteitag, der im Oktober 1997 stattfand, immer stärker zentralisiert. Ein Modell, so klagen selbst kubanische Ökonomen, das vor allem Kosten verursacht und das Finanzsystem der Insel beinahe hat kollabieren lassen. Auf 20 Milliarden US- Dollar sind die Schulden bei den Gläubigern angewachsen, wobei die Altschulden bei den ehemaligen Partnern des sozialistischen Lagers nicht eingerechnet sind.

KP Kuba

Die Partei: Die Kommunistische Partei Kubas (PCC) wurde 1965 in ihrer heutigen Form gegründet und ist die einzige legale Partei Kubas. Beitreten kann nur wer älter als 30 ist und über einen untadeligen Lebenslauf verfügt. Die Partei versteht sich nicht als Massenpartei sondern als Partei der revolutionären Avantgarde.

Der Parteitag: Parteikongresse sind laut Statut alle fünf Jahre vorgesehen. Der erste fand jedoch erst 1975 statt, der fünfte und letzte im Oktober 1997. Der sechsteParteitag wurde immer wieder verschoben. Zuletzt im Oktober 2009 - nach der verheerenden Hurrikan-Saison. Vom 16. April an werden 1.000 Delegierte, darunter auch Fidel und Raúl Castro, über ein 32-seitiges Papier debattieren. Es schlägt die umfassendste Wirtschaftsreform vor, seit Kuba vor genau 50 Jahren den Sozialismus zur Staatsdoktrin erklärte. (kuh)

Eine Abwertung des Peso convertible ist überfällig

Das Modell der doppelten Währung ist ein Fiasko. Auf der einen Seite gibt es den Peso nacional, in dem die Staatsangestellten bezahlt werden, auf der anderen den Peso convertible, die vermeintlich harte Währung, mit der in Supermärkten, Hotels und Bars abgerechnet wird. Ein signifikante Abwertung des Peso convertible, der seit Längerem nicht mehr ausreichend durch Dollar oder Euro gedeckt ist, ist überfällig.

Über das Ende der doppelten Währung sollen die Parteitagsdelegierten genauso entscheiden wie über die Absenkung der Sozialausgaben in einem Land, das sich immer als Insel der sozialen Sicherheit präsentiert hat. Der Rechenschieber, so hat Staatschef Raúl Castro mehrfach gemahnt, lasse keine Alternative zu. Kuba stehe am Abgrund. Zuletzt hat Raúl Castro im Dezember versucht, Regierungs- wie Parteimitglieder auf den neuen Kurs einzuschwören. Der sieht die Erhaltung der Planwirtschaft vor, ergänzt um einen privaten Sektor.

Die Partei bleibt oberste Instanz

Kritiker monieren, dass die Kontrolle in den Händen der Partei bleibt. Die ist, so hat es Fidel Castro jüngst noch einmal in einer seiner Kolumnen betont, die oberste Instanz. Ihr soll sein Bruder Raúl als Generalsekretär vorstehen. Das Amt hatte Fidel, wie vor einigen Monaten erst bekannt wurde, bereits im Juli 2006 gemeinsam mit dem des Staatschefs niedergelegt. Dem Vorschlag Fidel Castros werden die Delegierten vermutlich folgen, denn alle der bisher fünf PCC-Parteitage endeten mit einmütigen Entscheidungen.

Ob das beim sechsten auch der Fall sein wird, ist jedoch offen, denn die tiefen Einschnitte in das Sozial- und Versorgungssystem schmecken nicht allen Delegierten. Dass es Widerstände gibt, ist kein Geheimnis. So ist die geplante Streichung der Libreta, der Rationierungskarte, die es seit Beginn der sechziger Jahre gibt, ein Politikum. Vor allem die einfachen Familien sind auf den Bezug billiger und hoch subventionierte Lebensmittel angewiesen.

Alternative Fördersysteme - wie von Kritikern angeregt - hat die Regierung aber bisher nicht präsentiert. Der soziale Charakter der kubanischen Revolution, eine zentrale Quelle der Legitimation, könnte auf der Strecke bleiben.

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7 Kommentare

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  • W
    Wolkenkratzer

    Oh mein Gott, ein libertärer Linker. Es scheint mir ein Discord-Commünist zu sein. Von undialektischen Utopisten, die meinen das Leben ist ein großer Spaß, sollte für gewöhnlich auch kein Anständiger Kommentar kommen, war ja klar.

    Ich hoffe, dass das ZK klug genug ist trotz Privatisierung die Ausländischen Imperialisten so gut wie möglich rauszuhalten. Leninistische NEP statt Öffnung zum Kapitalismus. Im großen und ganzen ein vernünftiger Schritt, um die Leute auf ein besseres Wohlstandsniveau zu bekommen, der allerdings auch äußerst nach hinten los gehen kann. Hoffen wir das sie der Linie treu bleiben.

  • L
    LCA

    Und wo bleiben die Kubaner?

    Ich frage mich das und antworte mich selbst: Euch interessiert nur, dass ihr hier Euros zu verfugen habt, aber die Kubaner sollen weiter bluten, damit ihr ein Ideal habt. Ist das wirklich was ihr wollt? Wofür stehet ihr überhaupt? Solidarität..? Es ist das gerecht? Ich bin auf Kuba weg, weil ich es nicht ertragen könnte, eure Doppel Moral, eure Heuchelei, eure dekadente Sozialismus sollte ihr dort richtig erleben. Warum seid ihr nicht auf Kuba? Ich kann es euch auch sagen: weil ihr dort es nicht wohl fühlt. Als Tourist schon, als Sympathisant, als Revolucionario für ein Paar Tage. und die Kubaner? Weißt ihr, dass das was wir hier machen auf Kuba absolut strafbar ist?

    Ist das was hier gemeint ist?

    Übrigens, diese Parteitag ist einfach nur blaw blaw blaw... Nur damit die Revolucionarios, die leben wie ihr hier, weiter ihr Leben ungestört macht. Und ihr es weiter verteidig. Eure Traum, der einfach und klar ein Alptraum für uns Kubaner ist.

    Sorry, aber wenn ich mein Name schreibe, werde ich verfolgt. Sorry, aber ich habe Angst. LCA

  • RS
    Reinhold Schramm

    Nicht pseudokommunistische und vulgärmarxistische (= antikommunistische) bürgerliche Spinnereien, sondern tägliche Kopf- und Knochenarbeit in Theorie und Praxis (als Einheit) ist notwendig! Die antikommunistischen und zugleich kleinbürgerlichen Traumtänzer - mit und ohne Parteibuch - in die tägliche materielle Produktion der Existenz-, Reproduktions- und Lebensgrundlagen (Wert- und Mehrwertschöpfung)! Nach einem harten Arbeitstag (- ohne geht es nicht!) bleibt noch Zeit für die (Zukunfts-)Theorie. Aus der Erfahrung der täglichen Arbeitspraxis (- daran müssen sich alle erwerbsfähigen Bürger ausnahmslos beteiligen, - auch im Staatsapparat und Büro, ebenso jene BürgerInnen im Tourismus, in Dollar und Euro - Prostitution und Überweisungsgeschäften etc.) erfolgt die notwendige sozial-ökonomisch-ökologische Korrektur - und zugleich Emanzipation der Gesamtgesellschaft.

  • NI
    nein,nein,das ist nicht der kommunismus

    @Marielle D:"...mehr Solidarität...":

    ähhmmm,nein!

    "..von den deutschen Linken...":

    wer sind denn die? die, die an den erlöser glauben? die, die damals bis heute von den anderen denen wegsperrt werden?

    es ist ja unbestritten, dass kuba ein gutes gesundheitssystem hat etc, aber genauso wohl auch große probleme (geschaffen) hat.

    ich finde, du schreibst genau so oberflächlich wie die anderen, die in castro satan persönlich sehen.

     

    @jens: "Denn es steht die Antwort der arbeitenden Menschen noch aus, ob sie bereit sind mehr zu arbeiten!"

    "Kubaner sind es gewöhnt auf Kommando von oben zu gehorchen, nur diesmal kostet es etwas."

    bisschen viel verallgemeinerungen oder? und die guten castros kommen erstaunlich gut dabei weg. die väter der revolution, die doch nur durch die stupiden menschen gelähmt wird.

    also in deiner welt möcht ich ja nun ma gar nicht leben wollen... ich schenk dir mein leben für die arbeit, denn nur dann kann ich im glücke auf den feldern ein fröhliches liede auf des grashalme spitze pfeifen....oder wie?!?

     

    ich glaub, ihr sucht immer nach einem idealzustand und unterwerft euch bestimmten verpsrechen, welche euch dann dahin führen sollen.

    da bin ich doch froh, dass in D die libertäre "linke" nicht ganz so schlecht vertreten ist

  • J
    Jens

    Die Staatsbetiebe arbeiten unwirtschaftlich auch weil hier Angestellte "arbeiten", die sonst keine Arbeit hätten, denn nach dem Zusammenbruch des RGW hat man die vielen Beschäftigten aus den zusammengebrochenen Teilen der kub. Wirtschaft mitaufgenommen. Das führt unweigerlich zur Ineffizienz, unterstreicht aber den humanen Charakter dieser Entscheidung und der kub. Revolution.

     

    Die Staatswirtschaft ist nun mal das Einzige was Kuba zu bieten hat, diese Staatswirtschaft zu privatisieren wäre der reine Wahnsinn, denn den Zerfall dieser Wirtschaften kann man im ehem. Ostblock bestaunen. In Bulgarien sind 1. Million ausgewandert, da ist nichts mehr. Die Verhältnisse in Rumänien sind noch schlimmer.

     

    Es ist nicht war, dass die Libretta abgeschafft werden soll, das Bezugssystem soll umgebaut werden. Denn es bekommen alle Kubaner Lebensmittel auf Bezugsschein, die teuer importiert werden müssen, die Zugang zum CUC haben. Der Personenkreis wird sich also an der Bedürftigkeit messen lassen.

     

    Die Wirtschaftspolitik der Regierung zielt darauf, neue staatliche aber auch genossenschaftliche Betriebe aufzubauen, in denen nach effizienter Rechnungsführung in selbstverwalteten Strukturen gearbeitet wird. Staatliche Betriebe, die über längere Zeiträume nicht rentabel arbeiten werden geschlossen. So längst geschehen in der Landwirtschaft.

     

    Es tut sich einiges in Kuba, aber Reformen dauern lange, und in Kuba noch etwas länger, denn die Kubaner arbeiten behäbig. Sie wollen Geld vom Staat, der sie zu bezahlen hat, aber der Staat hat nichts zu verteilen, weil die Arbeitsproduktivität zu gering ist. Der Paternalismus vom Fidel hat das Land genau da hin manövriert, das kann das Ende bedeuten. Denn es steht die Antwort der arbeitenden Menschen noch aus, ob sie bereit sind mehr zu arbeiten! Kubaner sind es gewöhnt auf Kommando von oben zu gehorchen, nur diesmal kostet es etwas.

  • MD
    Marielle D

    Mehr Eigeninitiative und etwas weniger Staat - irgendwie kommt mir das bekannt vor.

     

    Ideologisch rein ist das aber nicht mehr. Wir dürfen alle nicht vergessen, welche leuchtendes Vorbild der kubanische Sozialismus für uns sein könnte! Wer sich mal über das kubanische Gesundheitssystem oder Bildungssystem informiert, wird mir zustimmen: Kuba braucht nicht weniger Sozialismus, sondern mehr Sozialismus, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich! Und gerade von den deutschen Linken würde ich etwas mehr Solidarität mit Kuba fordern.

  • ...

    insgesamt finde ich den artikel ganz ok und zu großen teile angenehm unaufgeregt geschrieben.

    nur eine sache wird falsch dargestellt bzw hier widerspricht sich der autor selbst:

    "Sie [die wirtschaft] wurde seit dem letzten Parteitag, der im Oktober 1997 stattfand, immer stärker zentralisiert."

    das stimmt so nicht, denn wenig später heisst es auch:

    "...mit denen die neuen Selbstständigen..."

    inwieweit diese maßnahmen nun erfolgreich oder als gut/schlecht erachtet werden, ist nochmal eine andere sache.

    desweiteren sollte auch, besonders wenn sich auf staatsschulden von ehemaligen sozialistischen ländern handelt, auch die embargos, militärische bedrohung etc einfließen lassen. denn ansonsten kommt nur ein karikiertes bild zum vorschein.