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Kolumne HabseligkeitenMatt ist das neue Schwarz

Kolumne
von Natalie Tenberg

Sie dachten, weiß sei die Trendfarbe beim Automobil? Das war gestern.

I ch mag die Farbe. In meinem Kleiderschrank liegen mindestens fünf schwarze Pullover, wäre ich Brillenträger, wählte ich ohne Zögern ein schwarzes Gestell. Unser Brotkasten ist schwarz und auch das Auto. Dabei meine ich ein gewöhnliches Golf-IV-Schwarz, leicht glänzend, nichts Exaltiertes. Mein Großvater aus Bombay besaß, als ich Kind war, einen wunderschönen Ambassador in der gleichen Farbe. Ungefähr wie die Hälfte aller Autofahrer in Indien, die andere hatte sich für das weiße Modell entschieden. Viel mehr Auswahl gab es nicht, überhaupt fuhren nur sehr wenige dort damals Auto. Mobilität bestand hauptsächlich darin, dass ein Vater seine fünfköpfige Familie auf einem Bajaj-Roller zum Ziel balancierte. Meine Definition der Autofarbe Schwarz war somit klar umrissen. Bis jetzt.

Es begann damit, dass ich dachte, die Wirtschaftskrise hätte, obwohl sie offiziell als überwunden gilt, die Fahrer von aufgetakelten S-Klassen erwischt. Bei dem Wagen, der an mir vorbeiröhrte, reichte das Geld gerade noch für die dicken Felgen des tiefergelegten Mobils, nicht aber, um die Lackierung zu Ende zu bringen. Es sah aus, als habe jemand mit feinem Schmirgelpapier die gesamte Karosserie bearbeitet und es dabei belassen. Das Ergebnis, ich hielt es für vorläufig, erinnerte an diese flach geformten amerikanischen Tarnkappenbomber, deren Crews lange Flüge unternehmen, um im Schatten der Nacht fremde Städte zu bombardieren.

Nur ein paar Tage später fiel mir ein Renault Clio ganz alter Baureihe auf, in dem vier Mädchen saßen, die nicht unbedingt als die Pippa Middletons ihres Jahrgangs durchgehen würden. Aus den heruntergekurbelten Fenstern schallte ein Musikstück, wie man es weder im Deutschlandfunk noch im Kulturradio hört. "Auch denen", dachte ich, "ist das Geld ausgegangen, dafür lachen sie aber viel und wirken recht fröhlich".

Später tauchte in meinem Kiez noch ein dunkelgrüner Opel Kadett auf, der ebenfalls matt war, aber nicht zur Bundeswehr gehörte, obwohl der Fahrer militärisch frisiert war. Seitdem, vielleicht weil meine Sinne geschärft wurden - oder es liegt an den vielen Wettbüros in meiner Straße - sehe ich immer wieder Boliden, die tarnkappenschwarz lackiert sind und genauso aggressiv wirken. Was allerdings durch die Fahrweise ihrer Besitzer noch verstärkt wird.

Inzwischen weiß ich, dass es sich hierbei jedoch um einen Trend ganz besonders großer Autofreaks handelt. Sie übertragen das Prinzip "Armeehose" auf ihr Gefährt, sodass sie auch auf dem Asphalt der Straße kämpferisch rüberkommen. Dafür nehmen sie allerlei Ungemach in Kauf. Dieser Lack nämlich braucht extrem viel Liebe und Zuwendung, man darf damit angeblich nicht durch die Waschanlage fahren, man sollte das Auto am besten gar nicht anfassen, sonst könnte die ganze Herrlichkeit sofort kaputtgehen.

privat

NATALIE TENBERG ist Redakteurin bei tazzwei.

Glücklicherweise sind die Hochzeiten des Camouflage-Looks vorbei, es laufen nur noch wenige Menschen in Flecktarn herum. Die matten Wagen werden verschwinden, dann fahren die Menschen wieder rote, silberne und weiße Autos. Vor allem aber schwarze.

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4 Kommentare

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  • GN
    Graf Nitz

    Wie auch die "Pitbull"-Kleidung ist dieser Trend mittlerweile von Migranten übernommen worden, zumindest hier in FFM.

     

    Und damit doch schützens- und liebenswert, zumindest bereichernd.

  • B
    brot

    Ich finde diesen neuen Trend zum Matt einfach doof. Wirkt zu militärisch, brutal. Jeder wie er mag, klar. Wem's gefällt. Mir nicht.

  • N
    noName

    Liebe Natalie,

     

    Mattschwarz wurde in den mittleren 80er Jahren in Schleswig-Holstein vor allem von denjenigen gewählt, die auf Glanzlack keine Lust hatten. Warum auch immer. Mattfarben sollten nicht militärisch wirken, sondern verkommen und schlampig. Die Autos und Motorräder wurden nach dem Lackieren einfach nie wieder gewaschen. Es hat mit desinteresse und faulheit zu tun, nicht aber mit der Empfindlichkeit der Lackschicht. Heute mag das anders sein. Ich nahme an ausländische Militäragenten haben in Schleswig-Holstein damals herum geschnüffelt und fanden die Farben einfach cool. Militärfahrzeuge werden ja auch nicht so oft gewaschen (damals).

     

    Und also ähnlich wie europäische Cafféhäuser aus Amerika in Form von Coffeeshops zu uns zurückschwappen, so kommt das Mattschwarz auch zu uns zurück. Nur "neu" erfunden.

  • V
    vic

    Rot. Mein Wagen ist rot. Was sonst?