piwik no script img

Kreuzberg demonstriert gegen NazisMit Lautsprecher zur "Hölle"

Ca. 1.000 Menschen demonstrieren am Samstag gegen Nazis, gegen die Polizei und teils auch für Kurdistan.

Die Demonstartion in Kreuzberg am Samstag Bild: dpa

Sie stehen in Formation. Rund 200, meist schwarz gekleidete junge Menschen drängeln sich hinter dem Leittransparent. "Gegen Faschismus und Staatsgewalt" steht da drauf. Und etwas kleiner: "Den antifaschistischen Selbstschutz selbst organisieren". Aus dem Lautsprecherwagen dahinter tönt eine Frauenstimme: "Wir lassen uns den Kiez nicht von Nazis überrennen. Und auch nicht von prügelnden Polizisten." Dann folgt ein bunter Trupp Demonstranten. Am Ende des Zuges haben sich etwa 250 Kurden eingereiht. Sie fordern: "Free Kurdistan!"

Genau eine Woche zuvor hatten rund 100 Neonazis auf dem Mehringdamm demonstrieren wollen. Die Polizei hatte den Termin und die Route bis zuletzt geheim gehalten - um Gegenproteste zu vermeiden. Dennoch hatten mehrere hundert Menschen die Straße blockiert. Als die Polizei die Nazis durch den U-Bahnhof unter der Blockade hindurchgeleiten wollte, brachen die Nazis aus, griffen neutrale Passanten und Gegendemonstranten an. Die Polizei hatte später erklärt, dass sie die Lage falsch eingeschätzt habe.

An diesem Samstag ziehen nun gut 1.000 Menschen vom Kottbusser Tor aus über Hermannplatz und Südstern zum Mehringdamm. "Unerträglich" sei der Naziaufmarsch in ihrem Kiez gewesen, erklärt eine junge Frau, warum sie gekommen ist. "Ganz Berlin", schallt es aus dem schwarzen Block, "hasst die Polizei." Transparente gibt es wenige. Weit hinten im Zug trägt jemand ein Fähnchen der Linkspartei. Das größte Transparent ist mit griechischen Buchstaben beschrieben - und mit zwei englischen Wörtern: "Destroy fascism!" In Griechenland, erklärt die Stimme aus dem Lautsprecherwagen, habe es zuletzt vermehrt Angriffe von Rechtsextremen auf Migranten und besetzte Häuser gegeben. "Lasst uns gemeinsam ein Zeichen gegen Nazis und staatliche Repression setzen", tönt es. Die gemeinsame Basis der Demonstranten ist nicht unumstritten. "Ich hab nichts gegen Kurden", erklärt ein junger Berliner mit türkischem Migrationshintergrund. Aber "die da", sagt er, und zeigt auf die Gruppe am Ende der Demo, seien von der PKK. Die seien doch selbst totalitär, mit denen könne er nicht zusammen gegen Nazis sein, sagt er und verlässt den Aufzug.

Andere Teilnehmer erweitern das Demo-Motto auf naheliegendere Weise. "Nazis, verpisst euch … und nehmt den Sarrazin gleich mit", heißt es auf einem Transparent. Die rassistischen Thesen des Exfinanzsenators waren schon Hauptthema der Auftaktkundgebung am Kottbusser Tor gewesen. Dort hatte eine Jugendtheatergruppe mit Anti-Sarrazin-Raps für Stimmung gesorgt.

Die Demo zieht schließlich zum Platz der Luftbrücke, vor das Polizeipräsidium - an den Ort, den eine Woche zuvor auch die Nazis erreichen wollten. Nach über sechs Kilometern Laufstrecke haben sich die Reihen etwas gelichtet. Der schwarze Block präsentiert sich längst nicht mehr so geschlossen wie zu Beginn. Die Kurden sind gar nicht mehr dabei. "Wir wollen der Polizei unsere Meinung sagen", schallt es aus dem Demolautsprecher. Doch direkt vor dem Präsidium bleibt die Menge einfach nur still. "Wir befinden uns hier im Vorhof der Hölle", verkündet der Lautsprecher, "lasst uns schnell weiterziehen." Kurz darauf wird die Demo aufgelöst.

Die Polizei ist mehr als präsent. Schon weit vor Beginn der Auftaktkundgebung am Kottbusser Tor waren die Seitenstraßen mit Mannschaftsfahrzeugen zugeparkt. Mehrere Hundertschaften sind im Einsatz. Nicht direkt neben den Demonstranten, aber stets in Sichweite. "Bullen, haltet euch raus!", ruft der Lautsprecherwagen. Die Angesprochenen halten sich daran.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • B
    Berliner

    Immer wieder erstaunlich, wie anmaßend so ein kleiner Haufen Außenseiter meint, repräsentativ für den großen Rest der Bevölkerung zu sprechen. Es gibt wahrscheinlich Millionen Berliner, die zwar Nazis hassen, aber ganz sicher nicht die Polizei.

    Und spätestens, wenn mal wieder einer dieser Typen in der Nacht beim Naziangriff um sein Leben fürchten muss, weil seine "Genossen" ihn aus Schiss allein zurückgelassen haben (wie 2009 am Ringcenter in Berlin F'hain), wird auch der sich über die anrückenden Beamten freuen.

  • S
    Schwabe

    nur mal so als frage:

     

    gab es eigentlich auch transparente gegen die "überfremdung" von kreuzberg durch ausländische touristen?

     

     

     

    "berlin doesn't love you"

  • I
    IchDemonstriere

    Ich finde den Artikel sehr gut geschrieben. Er spiegelt genau das wider, was ich auf der Demo erleben durfte. Der Zug war tatsächlich dreigespalten: vorne ein geschlossener Block autonomer, mittendrin ein großer buntgemischter Block mit Trillern und Hupen und ganz hinten ein ursprünglich andersmotivierter Block aus kurden.

     

    Es fehlt natürlich die Info, dass vorher eine andere Demo stattgefunden hatte, und diese sich der Antifa-Bewegung angeschlossen hatte, warum auch immer. Für diese Einzelheit hatte ich mich Samstag nicht sonderlich interessiert.

     

    Die Reaktion des türkisch-stämmigen Migranten kann ich vollkommen nachvollziehen. Es geht hier nicht um Kurden. Es geht vielmehr darum, dass die PKK, mit der der Block in den hinteren Reihen zumindest symphatisiert, sich zwar als links einstuft, aber in Wahrheit nur einen rechten Flügel unter der kurdischen Bevölkerung bildet. Nicht jeder, der Ché-Pullis trägt und Hammer und Sichel- Fahnen wedelt, kann objektiv als links und antifaschistisch bezeichnet werden. Selbstverständlich ist die PKK gegen eine türkische faschistische Regierung, aber selber ist sie eine vollkommen faschistische kurdische Bewegung, nichts weiter.

     

    Dass die Kurden auf der Demo mit der PKK symphathisierten, war offensichtlich. Gegen wen richteten sich denn sonst die "türkischen Militäroperationen" in den letzten Tagen?!

     

    Schade war auf jeden Fall, dass eigentlich weniger Nazis und der seit einigen Monaten wachsende Rechtspopulismus Thema war, man hatte eher den Eindruck, die Demo würde sich primär gegen die Polize richten. Dennoch demonstriere ich, wenn das Motto stimmt, auch wenn die Meinungen unter den Demonstranten eigentlich weit auseinander liegen.

     

    Viele Grüße

  • CM
    Christa Meyer

    Dieser Artikel lässt leider einige wichtige Details aus und stellt es so dar, als seien "die Kurden" alleine wegen der kurdischen Frage dort gewesen. Zuvor gab es eine kurdische Demonstration gegen die türkischen Militäroperationen, dann schlossen sich TeilnehmerInnen dieser Demonstration der Antifademo an um ihre Solidarität mit den AntifschisInnen zu zeigen und deutlich zu machen, dass Antifa auch ihr anliegen ist. Der Autor hätte einfach auch mal jemanden aus dem kurdischen Block fragen können oder, sollte das zu viel sein, den in Deutsch vorgetragenen Redebeiträgen und Presseerklärungen vom zweiten Lautsprecherwagen zuhören können. Hier wurde dies immer wieder betont - unter der kurdischen Jugend war Antifa Genclik Enternasyonal - also Internationale Antifa Jugend eine häufig gehörte Parole.

    Böswillig ist es ausschließlich einen türkischen Teilnehmer zu diesem Thema zu Wort kommen lassen. Die deskriminierte kurdische Bevölkerung wird so erneut anscheinend auch durch die taz isoliert und indirekt denunziert.

    Schade

  • H
    Hansi

    Man sollte eine gesetzliche Verpflichtung einführen, daß die Bevölkerung über angemeldete Demonstrationen immer informiert werden muß. Eine deartige Verantwortungslosigkeit, Nazis durch ein Stadtviertel, in dem viele Immigranten leben, an einer Straße, an der es viele Schwulenbars gibt, marschieren lassen zu wollen, ohne daß die Betroffenen sich auch nur ggf. aus dem Staub machen können, darf sich nie wieder zutragen!

  • E
    egal

    Wenn der Autor nicht nur einen subjektiven' Ich bin dabei gewesen- Erfahrungsbericht geschrieben , sondern einfach mehr Inhalt !präsentiert hätte , dann wäre er vielleicht auch auf das ziemmlich weit vorne sichtbare griechische Transparent aufmerksam geworden, wozu nämlich explizit aufgerufen wurde! Und dann wäre der von ihm verfasste Text tatsächlich interessant geworden.