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Bergbau in SüdafrikaDas Giftrevier von Grootvlei

Tausende stillgelegte Bergwerke verseuchen mit radioaktiven Resten und Schwermetallen das Grundwasser. Die Millionenstadt Johannesburg wird vergiftet.

Gelb und sauer: Randfontein. Bild: dapd

JOHANNESBURG taz | Die Uniform sitzt stramm, die kugelsichere Weste eng. Der schwarze Sicherheitsmann am Schacht 3 der Aurora-Goldmine in Grootvlei trägt seine Maschinenpistole lose über der Schulter, den Finger am Abzug. Das schwere Vorhängeschloss am Tor im Zaun bleibt zu. Die Bosse mögen keine "Schnüffeleien" auf dem Minengelände. Aber was dort passiert, ist kein Geheimnis: Es wird kein Gold mehr gefördert. Nur noch saures Wasser wird aus dem Erdreich gepumpt. Ein Wettlauf mit der Zeit, denn Aurora droht im hochgiftigen Grubenwasser zu versinken.

Horacio Mimbire radelt durch ein Schlammloch. Eine Wäscheklammer hält seine Hose, damit sie sich nicht in der Kette verfängt. Der Bergmann aus Mosambik kommt vom Schacht 3, wo noch eine Pumpe in Betrieb ist, während die Produktion in allen zehn Schächten ruht. "Das Wasser steigt schneller als geahnt", sagt Mimbire in gebrochenem Englisch. Er arbeitet seit 28 Jahren in dem Bergwerk. Schon beim Vorbesitzer "Pamodzi Gold" war er angestellt, bevor der pleiteging.

Nun droht auch Aurora der Konkurs - und dem Bergbaurevier um die südafrikanische Metropole Johannesburg ein Umweltdesaster gigantischen Ausmaßes. Die verlassenen Bergbauschächte verschiedener Goldminenbetriebe sind mit "Acid Mine Water" gefüllt.

Das orangefarbene, saure Grubenwasser, das sich seit Jahrzehnten angesammelt hat und durch andauernde Regenfälle und Grundwasser angereichert wird, oxidiert mit dem sulfathaltigen Mineral Eisenpyrit und steigt auf in die Schächte. Dabei wäscht es giftige Schwermetalle mit aus dem Gestein. "Und wir pumpen es von der Station in 850 Meter Tiefe heraus", sagt Horacio und malt seinen unterirdischen Arbeitsplatz zur Illustration mit einem Stöckchen in den Sand.

Das Wasser steigt 40 Zentimeter am Tag. Die einzige von ehemals 13 Pumpen, die noch arbeitet, fördert 400.000 Hektoliter pro Tag aus dem Schacht. Doch 1.080.000 Hektoliter müssten es sein, um eine Überflutung zu verhindern. Das überschüssige Wasser fließt nämlich unbehandelt in den nahen Fluss Blesbok Spruit.

Nur noch 17 Arbeiter sind hier beschäftigt. Sie hoffen, dass eines Tages die Mine gerettet werden kann und sie ihre Jobs behalten. "Seit März 2009 sind wir nicht mehr korrekt bezahlt worden", lacht Siphiwe Nxumalo etwas schrill. Auch seine Familie in Mosambik wartet auf Unterstützung. Seit vierzig Jahren arbeitet er als Bergmann in Südafrika und jetzt bleiben Gehälter plus Bonusse seit Monaten aus. Es gibt keine soziale Versorgung, kein Pensionsgeld, keine Versicherungen.

Gesamtes Revier betroffen

Häufige und heftige Regenfälle beschleunigen den Niedergang. Das verseuchte Wasser steigt dadurch noch schneller an die Oberfläche. Saures Wasser mit dem PH-Gehalt 2,4, ähnlich niedrig wie Zitronensaft, füllt allmählich stillgelegte Bergbauschächte und Tunnel. Diese Zeitbombe tickt nicht nur am Ostrand des Goldgürtels, sondern auch in den verlassenen Minenschächten nahe der Stadt Johannesburg und im Westen der Millionenmetropole - das gesamte Revier ist betroffen.

Johannesburg, mit seinem Meer von Hochhäusern im Zentrum und seinen schier endlosen Hüttensiedlungen im Umland, entstand vor rund 120 Jahren im Goldrausch, der später das Fundament für den Aufbau der südafrikanischen Wirtschaft und auch für die Apartheid darstellte. Nur sechs Kilometer von Johannesburgs Innenstadt dreht sich das Riesenrad von Gold Reef City, einem Vergnügungspark direkt über den verlassenen Schächten der alten Crown Gold Mine, die 1977 geschlossen wurde.

Anhand historischer Kulissen wird die Geschichte des Goldes in einem Museumsdorf nacherzählt. Fast täglich werden Besucher und auch Schülergruppen in das alte Werk eingefahren - Anschauungsunterricht unter Tage. "Auch wir sind ein Opfer des sauren Wassers geworden", sagt Geschäftsführerin Joan Goosen am Schacht 14. An einer Leine lässt ein Techniker ein Stück Holz hinab. Es klatscht auf die Wasseroberfläche: Die Schachtöffnung ist nur noch 322 Meter vom verseuchten Wasser entfernt.

Alle zwei Wochen wird der Wasserstand gemessen. Noch vor einem Jahr war der Pegel 174 Meter niedriger als jetzt. Goosen rechnet mit einer Überflutung des Schachtes in 18 Monaten. "Wenn wir die Mine verlieren, können wir Gold Reef City schließen."

Trevor Manuel, Planungsminister im Präsidentenbüro, wiegelte schon vergangenes Jahr ab: "Ängste, dass Menschen in Johannesburg demnächst in Gummistiefeln durch die Straßen schlendern, sind lächerlich." Doch er gab später zu, ungenügende Gesetze aus der Vergangenheit trügen zum Umweltrisiko bei, denn Bergbaukonzerne würden nicht gezwungen, stillgelegte Bergwerke zu sanieren, nachdem sie das Erdreich ausgebeutet hätten. Finanzminister Pravin Gordhan hat gerade 225 Millionen Rand (22 Mio. Euro) für die nächsten drei Jahre zur Behandlung von saurem Grubenwasser bereitgestellt.

Die Arbeiter, die noch in den verlassenen Minen verblieben sind, haben andere Sorgen. In Grootvlei waren einmal 3.000 Arbeiter angestellt, die meisten sind entlassen worden. Sie erhielten nur teilweise Geld, sagt Gideon du Plessis, Sprecher der Bergbaugewerkschaft Solidarität, die deswegen vor Gericht zieht: Aurora soll zur Liquidation gezwungen werden. Zusammen mit der Orkney Mine schuldet Aurora 5.500 Arbeitern rund 12 Millionen Rand (rund 1,2 Mio. Euro). Die milliardenteuren Werksanlagen werden derweil von organisierten Gangs geplündert. "Das Bergwerk ist führerlos", sagt du Plessis.

Enkel und Neffe

Dass keine Behörde gegen die Unternehmensleitung vorgeht, dafür hat der Gewerkschaftler nur eine Erklärung: die politischen Verbindungen der Direktoren. Der Geschäftsführer heißt Zondwa Mandela, er ist Enkel des früheren Präsidenten Nelson Mandela. Der Vorsitzende heißt Khulubuse Zuma, er ist Neffe des amtierenden Staatspräsidenten Jacob Zuma. Sie beide gründeten die Firma Aurora Empowerment Systems, um alte Bergwerke zu sanieren. Erfahrung in diesem Geschäft hatten sie nicht, aber sie übernahmen 2009 trotzdem vorab das Management des Aurora-Werkes, bis sie 390 Millionen Rand (rund 39 Mio. Euro) für den Kauf der liquidierten Pamodzi Gold Mine auftreiben. Stichtag dafür ist im August.

Zondwa Mandela sitzt in einem dunkelblauen Anzug im Parlament, eine Anhörung ist anberaumt worden. Wütend erklärt Gewerkschaftsführer du Plessis, wie ein Aurora-Mitarbeiter dem Druck seiner Schulden durch Selbstmord aus dem Weg ging. Die Gewerkschaften würden dem verzögerten Liquidationsprozess nicht mehr trauen. Mandela erklärt, das Wasserpumpen sei teuer, es koste 6 Millionen Rand im Monat. Aber sein Geschäftspartner Khulubuse Zuma hat gerade 1 Million Rand für Wahlkampagnen der Regierungspartei ANC gespendet. Die Gewerkschaften fordern eine Rückzahlung des Geldes an die Arbeiter. Die Bosse weigern sich.

Nahe Randfontein im Westen Johannesburgs kämpft derweil Mariette Liefferink leidenschaftlich für die Umwelt und gegen Machenschaften der Industrie. Die Absätze ihrer hohen roten Lackschuhe bohren sich in radioaktiven Sand. Die Leiterin der "Föderation für eine nachhaltige Umwelt" dreht ihren Kopf mit dem blond gefärbten Haarzopf, und ihre rot lackierten Fingernägel zeigen auf einen weiß-gelben Minenhügel.

Aus der Halde des verlassenen Bergwerks hat Regenwasser giftige Schwermetalle herausgewaschen, die den herumliegenden Müll orange färben. Anwohner des armen Township Kagiso holen sich dort Feuerholz. Eine Ziegelsteinfirma verarbeitet den Sand zu Steinen, die in Häusern später Gesundheitsschäden auslösen. "Die Radioaktivität in der Wohngegend der Gemeinde ist 15-mal so hoch wie zulässig", sagt die Aktivistin. "Experten haben es mit Tschernobyl verglichen."

Tödlicher Cocktail

Alle unterirdischen Bergwerke hier sind seit einem Jahrzehnt geschlossen. Saures Grubenwasser steigt schon seit 2002 an die Oberfläche, die früheren Eigentümer haben kein Wasser abgepumpt. Das Ergebnis ist dramatisch: Arsen, Kadmium, Uran, Zink, Kobalt und hohe Dosen von Magnesium und Eisen bilden einen giftigen Cocktail, der jegliches Tier- und Pflanzenleben im nahen Robinson-See tötet. In diesem See entspringt der Tweelopiespruit-Fluss, in den wiederum saures Wasser aus einem alten Ventilationsschacht der "West Rand"-Gold-und-Uran-Bergwerke sprudelt. Der "tote" Fluss schlängelt sich dann durch das Krugersdorp-Wildreservat in ein Weltnaturerbe und neue Wassersysteme. "Bei starkem Regen fließen 50 Millionen Liter saures Wasser täglich in den Fluss", sagt Liefferink.

Insgesamt gibt es in Südafrika 6.000 eigentümerlose und verlassene Minen, deren unterirdische Labyrinthe saure Fluten hervorbringen. Sie werden wohl zu 70 Prozent dem Staat und am Ende dem Steuerzahler überlassen bleiben, fürchtet Liefferink.

In Grootvlei leben die verbliebenen Arbeiter jetzt von Essenspaketen der Gewerkschaften. Horacio, der Mosambikaner, kam als armer Mann nach Südafrika und wird genauso arm in seine Heimat zurückkehren. Falls er jemals sein Geld zu sehen kriegt, mit dem er die Rückfahrt bezahlen könnte.

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