Videoüberwachung eines Protest-Zeltcamps: Alles fest im Auge
Die Hamburger Polizei überwachte das Dauercamp protestierender Studenten mit einer Videokamera. Nach einer Klage wurde die Maßnahme eingestellt.
Die Polizei hat das studentische Protest-Zeltcamp "Alternative Uni" an der Alster mit einer Videokamera observiert, obwohl es selbst von der Polizei als "Versammlung" eingestuft wurde.
Rechtsanwältin Cornelia Ganten-Lange beantragte am Mittwochabend für die Versammlungsleiterin Franziska Hildebrandt von der SDS-Hochschulgruppe der Linkspartei beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung gegen den Grundrechtseingriff.
Wie berichtet, hatten am Dienstag 15.000 Studierende gegen die Sparpolitik an den Universitäten in der Innenstadt protestiert. Ursprünglich sollte der Protest auf dem Rathausmarkt mit einer friedlichen Platzbesetzung fortgesetzt werden.
Wegen der Bannmeile ist jedoch der dreitägigen "Alternativ Uni " samt Zelten das Terrain Reesendammbrücke, Jungfernstieg, Ballindamm zugewiesen worden. Was die Studierenden nicht wussten, dieser Kreuzungsbereich kann mit einer Videokamera eingesehen werden, die der Verkehrsüberwachung dient.
Doch nach taz-Informationen machte die Polizei zu Observationszwecken Tag und Nacht von der Kamera Gebrauch, um die Camp-Teilnehmer zu beobachten, und zu verhindern, dass die Studenten nicht plötzlich doch ihre Zelte auf den Rathausmarkt verlegen oder Transparente an Fahnenmasten aufgehängt und Lagerfeuer entzündet würden.
Zum Ende der Protestwoche gegen die Hochschulkürzungen wird auch bei den Jusos Kritik an der Mutterpartei SPD laut.
Wer Bildung zum Schwerpunkt machen wolle, müsse über Kita und Schule hinausdenken, sagt Juso-Chef Nicholas Gildemeister.
Den Sparkurs des Senats unterstütze er, sagt der Juso. Es müsse aber dabei eine "andere politische Schwerpunktsetzung" geben. Im Vergleich zur "nicht zukunftsträchtigen" Rücknahme der Kürzungen bei der Beamtenbesoldung wirkten die Sparsummen bei den Hochschulen "nicht unaufbringbar".
Partei, Fraktion und Senat sollten auf Hochschulen zugehen und aus dem "Gegeneinader ein Miteinander" gestalten.
Für Verwaltungsrechtlerin Ganten-Lange eine klare rechtswidrige Maßnahme, auch wenn sich die Polizei darauf berufen wollte, nur Übersichtsaufnahmen auf einen Monitor übertragen zu haben. "Das bloße Beobachten der Teilnehmer stellt bereits einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar", sagt sie.
Bei Videoüberwachung bestehe jederzeit die Möglichkeit, "von Übersichtsaufnahmen auf Nahaufnahmen überzugehen und einzelne Teilnehmer der Versammlung einzeln zu erfassen".
Am Donnerstagmorgen teilte die Polizei dem Verwaltungsgericht in einem Schreiben unter der Überschrift "Videoüberwachung einer Versammlung unter freien Himmel" dann mit, dass die "Position der Verkehrskamera" nach Eingang der Klage "unverzüglich" verändert worden sei und nur noch der westliche Teil des Jungfernstiegs erfasst werde. Das Verwaltungsgericht erklärte das Verfahren daraufhin für erledigt.
Wieso es überhaupt zu dem rechtswidrigen Vorgehen gekommen ist, kann Polizeisprecher Mirko Streiber nicht sagen: "Wir klären das noch ab, warum das gemacht wurde."
Hildebrandt freut sich über den Erfolg für die Versammlungsfreiheit. "Es ist ein rechtsstaatlicher Skandal", sagt sie, "dass die Polizei unter dem SPD-Innensenator Neumann friedliche Studierendenproteste kriminalisiert und mit einer Videokamera rechtswidrig observieren lässt."
Das Plenum des Aktionscamp habe beschlossen, die Dauerkundgebung wegen der rechtswidrigen Videoüberwachung bis Freitagnachmittag zu verlängern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!