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Pudel-Club teilt sichDes Pudels Kernspaltung

Der Golden Pudel-Club spaltet sich von der Gastronomie im ersten Stock des Gebäudes ab. Dabei geht es um alles: um Politik und Persönliches.

Wie bei einem alten Ehepaar: Die beiden Eigentümer des Golden Pudel Clubs streiten über das Bistro. Bild: dpa

Du betrittst die Bretterbude Am St. Pauli Fischmarkt Nummer 27 und befindest dich, anders als in all den Jahren zuvor, trotzdem nicht im Golden Pudel Club. Ab heute soll das gehen, denn der Pudel ist zurzeit nicht mehr der ganze Pudel.

Das Café im ersten Stock des Hauses gehört nicht mehr dazu, so heißt es in einer Mitteilung des Clubs: "Dieser Raum wird NICHT vom Golden Pudel Club betrieben und ist auch kein Bruder im Geiste."

So endet vorerst eine verworrene Geschichte, die alle Ingredienzen einer Soap, aber auch die eines handfesten politischen Konflikts in sich birgt, der nicht nur quer durch den Pudel, sondern auch quer durch St. Pauli, ja, wenn man ehrlich ist, quer durch jeden einzelnen verläuft: zwei Seelen, ach, in diesem Haus, in dieser Szene, in dieser Brust.

Natürlich erst zur Soap: Da ist die Geschichte von zwei Parteien, die gemeinsam viel durchgemacht haben, sich streiten, auseinandergehen, sich wiederfinden und irgendwann meinen, nicht mehr miteinander zu können. Kommt in jeder guten Ehe vor.

Hier sind die Eheleute die beiden Eigentümer des Pudel, Rocko Schamoni und Wolf Richter. Grob gesagt, ist Richter der Macher und Schamoni der Visionär. Richter hat den Laden zusammengezimmert und für die Statik (auch im betriebswirtschaftlichen Sinn), Schamoni mit Weggefähren wie Schorsch Kamerun, Viktor Marek, Charlotte Knothe und Ralf Köster für den Geist im Gemäuer gesorgt.

Das Problem einer solchen Arbeitsteilung, aus der klassischen Ehekonstellation hinlänglich bekannt: die eine Seite steht im Licht der (medialen) Aufmerksamkeit, die andere fühlt sich nicht anerkannt, obgleich sie doch die Bedingung der Möglichkeit jenes Glanzes ist. Im Gespräch sagt Richter Sätze wie: "Die vergessen, was ich alles für sie getan habe."

Er zeigt dann Baustellenfotos, auf denen er meist allein zu sehen ist, manchmal schwingt auch Schamoni den Hammer, der Rest des Pudelteams aber "ging lieber malen", so Richter. Mit dem Gedanken, aus dem Pudel eine Genossenschaft zu machen, kann Richter nichts anfangen: "Genossenschaft wäre gewesen, wenn jeder von vornherein mitgearbeitet und Verantwortung getragen hätte", sagt er.

Doch ist damit der Fall, der zwischendurch dazu führte, dass das Café monatelang geschlossen blieb, im Politischen angekommen. Das Pudelteam wollte im ersten Stock des Gebäudes ein Projekt installieren, "welches mit einer gemeinschaftlich entworfenen, gegenkulturellen Ausrichtung Stellung bezieht, gegen die zunehmend gleichgeschaltete St. Pauli-,Kult-Kultur'", wie es in ihrer Mitteilung heißt. Stattdessen nehme nun "eine faktisch privatwirtschaftliche Gastro ihren Betrieb auf".

Das ist die Gentrifizierungskeule - gegen die sich Richter verwahrt. "Wir wollen hier weiter einen skurrilen, komischen Ort. Einen Ort der Gegenkultur und Kunst", sagt er. Der aber müsse sich rechnen, was er zuletzt nicht getan habe.

Richter hat Terry Krug ins Haus geholt, die einst die Tanzhalle betrieb, und die Geschäftsleitung des Bistro im ersten Stock des Pudel übernehmen soll. Ziel ist, den Raum für mehr Publikum zu öffnen: "Kunst soll doch für alle sein", sagt Richter, und dass es toll wäre, wenn auch mal Norderstedter kämen. Krug sagt, dass das Bistro auf Dauer nicht auf der Basis von Selbstausbeutung laufen könne: "Ist doch schön, wenn alle, die mitmachen, angemessen bezahlt werden."

Hier also des Pudels Kern: Lässt sich Gegenkultur innerhalb der kulturell vorherrschenden Muster entwickeln? Ja, sagt der Realo Richter, dem die eigenen, früheren Aussteigerversuche heute im Licht der Romantik erscheinen. Niemals, entgegnen die Fundis des Pudel-Kollektivs, das sich in seinen Keller zurückzieht und im Akt der Abspaltung jene ungetrübte, kompromisslose Radikalität aufleben lässt, die im Alltag für den Club und seine Betreiber gar nicht praktikabel ist. Das macht die Größe der Geste aus. Und ihre Tragik.

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7 Kommentare

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  • L
    LeBambi

    Hallo Zusammen,

     

    So schön der Gedanke ist, Kultur als gesellschaftliches Gegenmodell zu etablieren und dabei immer im Gegensatz zum allgemeinen Konsens zu stehen, sounwahrscheinlich ist diese Forderung.

     

    Dass der Pudel Club vor allem von Horden des gewählten Klassenfeinds aus der Werbebranche (ein Bekannter von Scholz&Friends nannten den Club mal das inoffizielle Agentur-Wohnzimmer) frequentiert wird, macht dabei einen genau so schlechten Eindruck, wie die kindischen Versuche aus der Bretterbude ein Symbol des politischen Widerstands zu machen.

     

    Dass dabei allerlei Missverständnisse, Versäumnisse beiderseits und Schuldzuweisungen die Wellen nicht eben geglättet haben ist ein Problem, das wohl jetzt nicht mehr zu beheben ist. Gentrifizierung jedenfalls entsteht nicht allein dadurch, dass eine Haushälfte warme Mahlzeiten anbietet und sie wird auch nicht dadurch abgewehrt, dass die andere Hälfte (angeblich) ohne Gewinn wirtschaftet.

     

    Gentrifizierung als Feindbild der vernachlässigten Revolution entsteht durch die Abgrenzung zum Mittelmaß, weil dann nämlich eben dieses Mittelmaß Teil der neuen Außenseiter sein möchte. Kein Mensch möchte nach Barmbek, obwohl die Mieten vernünftiger, die Gegend genau so schön und die Menschen nicht weniger nett sind.

     

    Aber genau wie Edeldiscos wie die China Lounge, früher die Betty Ford Klinik und in München das P1 eben einen Menschenschlag anziehen, die dem Nervenkitzel der potentiellen Demütigung durch öffentliche Ausgrenzung erliegen, ist es eben auch mit Stadtteilen. Wenn einige Wenige für sich ein Recht beanspruchen, dass ihr Lebensmodell nicht jeden einbezieht, kommen sofort ein paar phantasielose und wollen Teil dieser "elitären" Bewegung sein.

     

    Ich war schon Gast im in der Tanzhalle und danach im Krug und fand, dass das Personal, das Ambiente und die Gäste besser zu meinem Bild von St. Pauli passen (das ich als Anwohner habe), als manch einer der tolerierten Läden in denen die Überheblichkeit des Personals als "kultig" abgefeiert werden. Das hat bereits in Berlin genervt und wird in Hamburg nicht cooler. Ich war auch schon Gast im Pudel und mag die Musik und das Personal, was mich nervt sind die "Nachts-Sonnebrillen-Träger" und die "Kragen-Hochsteller", die den Laden total krass finden und die Baumängel als "geil trashig" abfeiern. Die Typen, die nicht wissen, dass der FC vom Millerntor früher ein Arbeiterverein ohne Kultstatus und Totenkopf war und vergessen, dass St.Pauli einmal ein Hafenviertel für Hafenarbeiter, Seeleute und die Unterwelt und nicht für verzogene Pinneberger Gören und halbstarke Pseudogangster war und, dass Artikel 2 und 9 des Grundgesetzes nicht nur für einen selbst, sondern auch für jeden anderen gelten.

     

    Ich kann dem Artikel nicht entnehmen, ob die neue Gastro als schlecht eingestuft wird, finde aber, wenn man den Artikel liest wird Wolf als Idiot und beleidigter Kapitalist dargestellt, was er meiner Erfahrung nach nicht ist! Der Erfolg dieses Projekts wird sich zeigen, die Akzeptanz oder Ablehnung aus der "echten" Bevölkerung ist hierfür maßgeblich ausschlaggebend. Denn nicht die umliegende Gastronomie, sondern die Anwohner, die Menschen, um die es geht, müssen entscheiden, wer in ihrer Nachbarschaft willkommen ist.

     

    Konzentrieren wir uns lieber auf echte Probleme, wie die Umwandlung potentiellen Wohnraums zu Edel-Hotelerie und Büroflächen, anstatt uns in Grabenkriegen innerhalb der eigenen Reihen zu verlieren!

     

    Stören wir uns an der Steuergeldverschwendung durch die Elbphilharmonie, an der mangelnden Standhaftigkeit der GAL wenn es um Kohlekraftwerke geht, an

    Polizeiwillkür und den Zigstöckigen Luxushotels anstatt uns über einen Laden zu ärgern, der von echten Pauliandern für den Stadtteil eröffnet, nur weil die Chefin gerne für ihre Arbeit entlohnt werden möchte und auch die Angestellten nicht unfair bezahlt werden sollen. Wenn diese Leute hart arbeiten und etwas schönes schaffen und davon gehe ich nach der Eröffnungveranstaltung aus, dann sollte man ihnen das gönnen, anstatt eine kleinkarierten Hetzkampagne zu führen und die wahren Feinde zu verkennen.

     

    Wohlwollende Schlichter Grüße,

     

    Ihr Hamburger Ströbele,

     

    LeBambi

  • S
    scharbeutz

    so einfach ist der sachverhalt nicht , wie er scheint.

    schön wäre es, wenn es "nur" um eine gescheiterte ehe und kinderkram gehen würde. tatsache nun aber ist:

    herr wolf richter hat sich über alle gespräche (2!!) einfach hinweggesetzt, in eigenregie gehandelt, den laden in nacht und nebel verbarikadiert und die schlösser ausgetauscht, dem gesammten personal gekündigt und tyrannisch beschlossen. wie würdet ihr euch verhalten, wenn auf einmal nestlé euren hobbykeller besetzt und sagt: da können wir auch kohle mit machen. und ich zeig euch nun , wie da geht. -klar der vergleich hinkt ein wenig, man müsste schon die frau von nestlé sein. nun hat aber niemand vorher geahnt das der wolf ein nestlé im kunstpelz ist.

  • K
    Kamira

    Hm, ich glaube ich bin nicht richtig informiert... Ist der Pudel denn keine "privatwirtschaftliche Gastro"? Ja, was ist er denn dann???

  • P
    pjot

    habe das so ein bischen hier durch leute am rand mitbekommen. polemisch verallgemeinert kann man sagen. ideologen die keine verantwortung übernehmen wollen und immer nur andere zahlen lassen ist halt auch st. pauli.

  • S
    Stefan

    Ach ja, in den Künstler Clubs und auf den Kabarettbühnen dieser Welt lässt sich so schön eine Welt jenseits des Kapitalismus und Bürgerlichkeit träumen. Man fühlt sich so anders und erhaben über die Dummen...in Wahrheit beutet man sich oft selber aus, versinkt in Machtkämpfen, fröhnt seiner Selbstdarstellungsgier oder kriegt sektenartige Züge. Im Grunde ist diese story doch nicht anders als in jedem Kleingartenverein.

  • O
    Oneman

    Der Pudel ist schon lange im Establishment angekommen; alleine der Preise wegen. Diese "Subkultur" kann sich nicht jeder leisten:)!

    Wie sich das nicht selber tragen kann ist mir ein Rätsel!

    Eine Alternative gibt es in unmittelbarer Nähe: Das Ahoi!

  • D
    daswois

    Schön mal ein unbesabbeltes neomelodram zu haben wo man sich wie zuhause fühlen tut, so richtig was für Pädagogenkinder...