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Schnäppchenjäger gehen hohes Risiko einDas Teldafax-Schneeballsystem

"Die Kleinen stehen hinten an": Nach der Teldafax-Pleite warnen Verbraucherschützer vor Verträgen mit Vorkasse. Für Kunden des Stromanbieters beginnt eine Zitterpartie.

Prepaid-Strom ist auch keine Lösung: Billig gekauft kann teuer werden. Bild: dapd

BOCHUM taz | Nach der Pleite des Strom- und Gasanbieters Teldafax warnen Verbraucherschützer vor Verträgen mit Vorkasse. Wer sich mit jährlichen Abschlagszahlungen an Billiganbieter wie Teldafax binde, gehe ein hohes Risiko ein.

"Im Fall der Insolvenz ist das vorausgezahlte Geld für die Kunden verloren", sagt Jürgen Schröder, Jurist der nordrhein-westfälischen Verbraucherzentrale. "Dann werden erst die Mitarbeiter, dann die Großgläubiger bedient. Die Kleinen stehen hinten an."

Teldafax hatte am Dienstag einen Insolvenzantrag gestellt. Zuvor hatten Netzbetreiber wie der Energieversorger Rheinenergie oder die Stadtwerke Münster wegen ausbleibender Entgelte ihre Durchleitungsverträge mit dem Anbieter gekündigt.

Geleistete Vorauszahlungen sind verloren

Für viele der rund 700.000 Kunden der Firma aus dem rheinischen Troisdorf beginnt damit eine Zitterpartie: Sollte Teldafax nicht mehr liefern können, geht bei ihnen zwar nicht das Licht aus. Sie werden dann von ihrem örtlichen Grundversorger beliefert. Doch diese Grundversorgung ist meist deutlich teurer als ihr bisheriger Billigtarif - und: geleistete Vorauszahlungen sind verloren. Allerdings hat Insolvenzverwalter Biner Bähr angekündigt, möglichst viele Kunden vorerst weiterbeliefern zu wollen.

Teldafax hatte zuvor versucht, mit einem aggressiven Preiskampf möglichst große Marktanteile zu gewinnen. Teilweise soll die Firma Strom und Gas unter Einkaufspreis weitergereicht haben. "Teldafax könnte ein Schneeballsystem aufgebaut haben, bei dem Neukunden die überzogenen Rabatte bereits abgeschlossener Verträge bezahlt haben", sagt deshalb Peter Blenkers, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW. Im Strombereich habe das Unternehmen damit Tarife anbieten können, die jährlich bis zu 250 Euro günstiger gewesen seien als die örtliche Grundversorgung.

Wahre Preise werden verschleiert

Ungewöhnlich sei das nicht: Gerade im Billigsegment versuchten Anbieter wie etwa die Berliner Flexstrom, in den Ranglisten der gängigen Internet-Tarifrechnern möglichst weit oben zu erscheinen. Die Rechner aber würden Rabatte auf Vorkasse und sogenannte Boni für einen Anbieterwechsel bereits einrechnen - und so die wahren Preise verschleiern.

Verbraucherschützer raten Teldafax-Kunden aber grundsätzlich trotzdem zu einem Wechsel des Strom- oder Gasanbieters. Allerdings haben sie trotz der Pleite der Troisdorfer kein außerordentliches Kündigungsrecht - das greift erst, sollte die Firma tatsächlich keinen Strom, kein Gas mehr liefern: "Die Kunden erfahren das aus der lokalen Presse", sagt Jurist Schröder. Außerdem werden sie von dem örtlichen Grundversorger angeschrieben.

Ein Preisvergleich seriöser Anbieter lohnt sich aber in jedem Fall: Noch immer haben rund 50 Prozent aller Stromkunden noch nie ihren Versorger gewechselt, zahlen die teure Grundversorgung. So gibt es in etwa NRW keinen Ort, in dem ein zertifizierter Ökostromanbieter wie nicht preiswerter sei als der örtliche Versorger, sagt Energieexperte Blenkers mit Blick auf die Tarifrechner, die von den Verbraucherzentralen der Länder auf ihren Internetseiten bereitgestellt werden. Beim Wechsel zu Ökostrom könnten Stromkunden so bis zu 150 Euro im Jahr sparen – und die Anbieter verlangten auch keine Vorkasse.

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2 Kommentare

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  • S
    sandra

    also von der taz hätte ich hier eine vernünftige analyse erwartet... stattdessen wird nur wiedergekaut, was die verbraucherschützer sagen. aber die verfolgen ihr eigenes ziel: als öffentliche institution wollen die, dass strom bei anderen öffentlichen institutionen gekauft wird.

     

    bei stadtwerken oder bei der enbw. darum haben die verbrauchervertreter aus NRW auch den kohle- und atomkonzern vattenfall mit ihrem ökosiegel ausgezeichnet (ok-label), verklagen aber andere für ihre ökostromwerbung - miese nummer!

     

    auch die enbw-tochter yellow erfreut sich großer beliebtheit, ausgezeichnet sogar vonstiftung warentest. auch wieder eine öffentlich finanzierte institution. was sie uns aber vorenthält: yellow und enbw haben am meisten atomstrom in ihrem strommix.

     

    das sollte uns zu denken geben, genau wie die frage, warum die verbraucherschützer dazu schweigen.

     

    ein fall für die taz? eigentlich schon!

  • S
    Seim

    Das Problem wurde in Sendungen ab 11 Uhr abends im deutschen Fernsehen thematisiert.... aber das ist wohl zu spät.