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Linke moniert Umgang der Polizei mit PfeffersprayDer ätzende Strahl ins Gesicht

Polizisten setzen immer häufiger bei Demonstrationen Pfefferspray ein. Dabei gilt dessen Verwendung in Polizeikreisen als nicht unproblematisch.

Aus nächster Nähe abgedrückt: Ein Polizist besprüht einen Demonstranten auf dem Rathausmarkt. Bild: Archiv

Ob bei der Besetzung des ehemaligen Altonaer Finanzamtes zu Ostern, beim Flashmob im Verlauf des Kongresses Recht auf Stadt an der Rinderhalle an der Feldstraße oder ob beim Studentenprotest auf dem Rathausmarkt: Polizisten setzen immer häufiger Pfefferspray aus kurzer Distanz ein und zielen direkt ins Gesicht der Protestler. Die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Christiane Schneider, rügt den, wie sie findet, "unverhältnismäßigen Einsatz von Reizsprühgeräten" und verlangt, dass sich der Innenausschuss der Bürgerschaft mit der Polizeiverordnung (PDV 350) zum Umgang mit Reizgas befasst, die von der Innenbehörde als "nur für den Dienstgebrauch - streng vertraulich" klassifiziert worden ist.

"Die mit der Anwendung von Reizgas verbundenen gesundheitlichen Risiken sind bekanntlich groß", sagt Schneider. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages warnte sogar vor Langzeitfolgen. "Beim Einsatz mittels Pfefferspray kann Capsaicin bleibende Schädigungen der Hornhaut jedenfalls dann verursachen, wenn der Abschuss aus kurzer Distanz und mit einer hohen Austreibungswucht vorgenommen wird", stellte er fest. Aber auch bei Asthmatikern, Allergikern oder blutdrucklabilen Personen kann der Einsatz schwere Folgen haben.

Doch beim Studierendenprotest wären nicht einmal Rettungssanitäter oder Ärzte im Einsatz gewesen, die den betroffenen Studierenden hätten beistehen können, kritisiert Schneider. Sie fordert von Innensenator Michael Neumann (SPD), "den zunehmenden Einsatz von gefährlichen Reizgassprühgeräten durch die Polizei bei öffentlichen Versammlungen sofort zu beenden".

Der Senat hatte auf Anfrage der Linkspartei eingeräumt, dass der Pfeffersprayeinsatz gefährlich sei. "Deshalb führen die Kräfte der geschlossenen Einheiten bei größeren Einsätzen Augenspülflaschen mit", teilte er mit. Nach dem Einsatz von Reizstoffen sei betroffenen Personen im Rahmen notwendiger Hilfeleistung Linderung zu verschaffen und zwar durch frische Luft, Entfernung besprühter Kleidung und Spülung des Augenumfeldes und der Haut mit klarem Wasser", so die Vorgaben.

Wenn ein Betroffener Reizgas eingeatmet habe und Atembeschwerden zeige, solle beruhigend auf ihn eingewirkt werden und ihm möglichst durch eine Mundspülung mit Wasser sowie Hinzuziehen von Rettungskräften geholfen werden. "Bei allen nachhaltigen Beschwerden ist in jedem Fall für ärztliche Behandlung zu sorgen", heißt es in der Senatsantwort. Die Landesbereitschaftspolizei stelle bei Großeinsätzen eigenes Sanitätspersonal mit einer Ärztin bereit. "Diese versorgen erforderlichenfalls verletzte Einsatzkräfte wie auch andere Verletzte."

Die Polizei hat sich bei dem Studierendenprotest auf dem Rathausmarkt nicht an diese Vorgaben gehalten, wie eine weitere Anfrage der Linksfraktion zu Tage brachte. "Insbesondere waren weder Augenspülflaschen vorhanden noch Sanitätspersonal oder gar eine augenärztliche Versorgung gewährleistet", schimpft Schneider.

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14 Kommentare

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  • BB
    BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz, Göttingen

    Noch bis zum 7.7.2011 kann die Online-Petition gegen den Einsatz von Pfefferspray gegen Versammlungen, die die Göttinger Initiative "BürgerInnen beobachten Polizei und Justiz" an den Bundestag gerichtet hat, online mitgezeichnet werden. Dazu müsst Ihr euch auf der ePetitionen-Seite des Bundestages mit eurer E-Mail-Adresse registrieren. Der direkte Link zur Petition ist: https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=17847

     

    Aber auch nach dem Ende der Online-Mitzeichnungsfrist kann die Petition gegen Pfefferspray weiter unterzeichnet werden. Das geht dann allerdings nur noch in der Papierversion mit Unterschriftenliste. Mehr Infos zu diesem Verfahren und einen Vordruck-Download gibt es auf der Seite http://www.buerger-beobachten-polizei.de/thema-repression/pfefferspray.'>http://www.buerger-beobachten-polizei.de/thema-repression/pfefferspray.

     

    Unsere Forderung ist, den Einsatz von Pfefferspray seitens der Bundespolizei gegen Versammlungen, Menschenmengen und Einzelpersonen mit Ausnahme der Notwehr zu verbieten. Außerdem soll mittels eines Bundesgesetzes sowie im Rahmen der Innenministerkonferenz die selbe Einschränkung für die Länderpolizeien erwirkt werden.

     

    Denn für Asthmatiker (5 % der Erwachsenen) und Allergiker (ca. 20 %), sowie für Menschen, die Beruhigungsmittel, Drogen sowie bestimmte Medikamente eingenommen haben, besteht ein erhebliches gesundheitliches Risiko. So ereigneten sich in Deutschland im Jahr 2009 mindestens drei Todesfälle nach einem Polizeieinsatz mit Pfefferspray, im Jahr 2010 ein weiterer und in diesem Jahr bereits einer. Von Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Mittel kann keine Rede mehr sein, wenn z.B. eine Sitzblockade mittels Einsatz eines potentiell tödlichen Reizmittels aufgelöst wird. Pfefferspray soll deshalb künftig nur noch ausschließlich zur Abwendung unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben der PolizistInnen erlaubt sein und dessen Verwendung dem Schusswaffengebrauch gleichgestellt werden.

     

    Wir wünschen uns für diese Petition viele, viele Unterschriften und große öffentliche Aufmerksamkeit für die Gefährlichkeit von Pfefferspray.

     

    Also:

    Weiterverbreiten und mitzeichnen!

    Leitet diese Mail weiter, berichtet auf eurer Internetseite über die Petition, verlinkt unsere Schwerpunktseite zum Thema (s.u.), twittert, schreibt bei Facebook, ...

    Papierversion ausdrucken und Sammeln gehen!

    Wir freuen uns natürlich auch auf viele weitere Offline-MitzeichnerInnen!

     

     

    Zum Weiterlesen

     

    Unsere Schwerpunktseite zum Thema:

    http://www.buerger-beobachten-polizei.de/thema-repression/pfefferspray

     

    Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags: "Pfefferspray - Wirkung und gesundheitliche Gefahren" vom 10. November 2010

    http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2010/pfefferspray.pdf

     

    Untersuchung der MdB Karin Binder: "Der Einsatz von Pfefferspray gegen Demonstranten durch Polizeikräfte" vom 16. März 2011

    http://www.karin-binder.de/fileadmin/mdb-seiten/mdb-binder/2010-pdf-dok/Gutachten_-_Einsatz_von_Pfefferspray.pdf

     

    Verurteilung eines Polizisten wegen "Körperverletzung im Amt". TAZ vom 31.03.2011

    http://www.taz.de/1/zukunft/schwerpunkt-stuttgart-21/artikel/1/zahltag-fuer-rambo-polizisten

     

    "'Verbieten sollte man das!'

    Immer wieder gerät die Polizei wegen des übertriebenen Einsatzes von Pfefferspray in die Kritik. Eine E-Petition beim Bundestag will ihn dem Schusswaffengebrauch gleichsetzen lassen." TAZ vom 12.06.2011

    http://taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/verbieten-sollte-man-das/

     

    Chili statt ausgestreckter Hand

    Erst seit der Jahrtausendwende als polizeiliches Zwangsmittel im Einsatz, spritzt die Polizei immer häufiger mit reizenden Substanzen. Und in den letzten Jahren gebe es "eine Dynamik hin zum Pfefferspray", hat Linken-Pfefferspray-Experte Schering beobachtet. "Statt Deeskalation, was ja mühsam und aufwändig ist, wird Pfefferspray gespritzt - wie Insektenspray". TAZ vom 04.05.2011

    http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/chili-anstatt-ausgestreckte-hand

     

    Zum Weiterhören

     

    Interview mit Radio Dreyeckland (Freiburg), 31.05.2011, Länge 9:57 min

    http://rdl.de/index.php?option=com_content&view=article&id=13503%3Aepetitiongegenpfefferspraybeipolizei&catid=236&Itemid=1

  • L
    loaf

    Olaf: Kritische Polizisten?

    Lange nicht mehr so gelacht. Ein Relikt des sogenannten Polizeiskandals unter Senator Wrocklage. Der Mitbegründer und heutige Sprecher ist ein gewisser Wüppesahl, den ich leider persönlich kennen lernen durfte .Wer den kennt, weiß, was davon zu halten ist.

  • H
    hai

    sonnenbrillen sehen nicht nur cool aus sondern bilden auch eine physische barriere zwischen auge und rest der welt

  • NP
    No Pasaran

    Das die "Polizei" bei Demonstrationen regelmäßig ausser Rand und Band geraet ist ja leider nichts Neues - Straftaten der Uniformierten sind an der Tagesordnung. Dabei gibt es doch auch Mittel, die den Angreifer fern halten und auch ein Visier hilft da nicht..... Dies ist ausdrücklich kein Aufruf zur Gewalt, aber jede® hat das Recht auf Selbstverteidigung.

     

     

    NO PASARAN

  • AV
    A. von Schlotterstein

    "Interessant wäre doch mal gewesen zu erfahren, was der Student vorher angestellt hat. Nur weil er rumstand und vielleicht ein Plakat in die Luft hielt, wird er sicher kein Reizgas ins Gesicht gesprüht bekommen haben."

     

    Blaming the victim. Funktioniert immer. Stimmt nie.

  • RS
    reiner Schuhmacher

    Glasklare gefährliche Körpwerverletzung im Amt,die nach dem Legalitätsprinzip der Strafverfolung unrerliegt.

  • S
    Studi

    @Marc:

    Ich kenne den abgebildeten Menschen der da mit Pfeffer 'behandelt' wurde und kann Ihnen versichern, dass von ihm nichts ausgegangen ist was ein derartiges Vorgehen der Polizei rechtfertigen würde. Allerdings kann ich auch berichten, dass die Einsatzkräfte insgesamt doch recht eskalierend waren und etwa es nicht darauf anlegten das angeschleppte Material zu beschlagnahmen sondern auch gezielt zu zerstören.

    Was den von Ihnen aufgeführten Punkt zur Legalität betrifft: Das Brechen einer Bannmeile rechtfertigt es mE noch nicht die körperliche Unversehrtheit von Menschen anzutasten. Wer sowas für legitim hält, ist von Körperstrafen nicht allzuweit entfernt.

    Im Übrigen irren Sie, wenn Sie davon ausgehen, dass nur dieser Studierende von den 'polizeilichen Maßnahmen' betroffen wäre.

  • M
    Matthias

    Mir wurde bei einer Demonstration gegen die NPD in einer norddeutschen Kleinstadt von Polizeibeamten ohne jede Vorwarnung Pfefferspray ins Auge geschossen. Da es nicht sofort ausgespült werden konnte, leide ich bis heute unter einer Verletzung des rechten Auges.

    Und noch eines finde ich bedenklich bei solchen Einsätzen: Wenn wir uns an solche Pfefferspray-Einsätze gewöhnen, was kommt dann als nächstes? Normalerweise dürfte doch schon das Pfefferspray eigentlich nur eingesetzt werden, wenn Leib und Leben der Beamten bedroht sind...

    Wird dann womöglich demnächst scharf geschossen, wenn es mal gefährlich wird? Und von einer Gefahr für die Beamten kann man bei einer Handvoll Studenten auf einer Demonstration, die vom Präsidenten der Uni angeführt wurde, ja nun wirklich nicht sprechen.

  • O
    olaf

    immer wieder interessant zum thema polizei...

    http://www.kritische-polizisten.de/

  • H
    hann0s

    @ Marc: Worauf stützt sich ihre These? In Berlin gab es Anzeigen von Zivilpolizisten gegen ihre eigenen Einhieten bei den 1. Mai Demos, weil unprovoziert mit Quarzhandschuhen geprügelt wurde und Reizgas gesprüht wurde - auf Zivilpolizisten. Entweder die Zivis haben was getan, was ein eklatanter verstoß gegen den Rechtstaat ist, oder sie wurden unprovoziert angegriffen, was ebenfalls ein nicht hinnehmbarer Vorgang wäre. Und bei den mindestens 8 Anzeigen kann man "Einzelfälle" ausschließen. Diese "es kann nicht sein was nicht sein darf" Mentalität ist naiv und Kritiklosigkeit n Sargnagel in jeder Demokratie

     

    Davon ab, Reizgas ist das letzte Mittel, nicht etwas was man wie saure Drops an alles verteilt was bei 3 nicht weggelaufen ist. Kundgebungen sind ein elemtarer Bestandteil unserer Demokratie, es darf durch unverhältnismäßige Gewalt keine Einschüchternde Atmosphäre geschaffen werden. Das sag nich ich, das sagen Richter. Wie verträgt sich das mit dem Einsatz von Pfefferspray gegen 50 als Kühe verkleidete Demonstranten die an Tischen sitzen? (siehe Fleischhallen Aktion in HH)

  • B
    Benjamin

    Lieber Thorsten,

     

    um zu erkennen, dass Bildung wichtig ist und dass es sich dafür lohnt auf die Straße zu gehen, brauche ich keine Links-Partei. Die Demo wurde übrigens vom Präsidium der Uni Hamburg organisiert und ist ohne Ausnahme friedlich verlaufen. Ein recht krudes Demokratieverständnis das Sie da pflegen...

  • M
    Marc

    Interessant wäre doch mal gewesen zu erfahren, was der Student vorher angestellt hat. Nur weil er rumstand und vielleicht ein Plakat in die Luft hielt, wird er sicher kein Reizgas ins Gesicht gesprüht bekommen haben. Am Ende kam doch bisher IMMER raus, dass die Betroffenen auch hart am Limit oder jenseits der Legalität agierten. Und da kann ich dann nur sagen: Selbst Schuld!

  • 1
    1312

    Ich lach mich tot. Bullen die einem das Pfefferspray wieder ausspülen? Wo und wann soll dass denn JEMALS passiert sein?

  • T
    Thorsten

    Wenn die Linkspartei sich darüber beschwert, scheint der Einsatz Wirkung zu zeigen und die von der Linken mitorganisierten und instrumentalisierten Demos entsprechend kontrollierbar zu machen und dafür zu sorgen, dass sich die Fußsoldaten der Linkspartei an die Gesetze halten müssen. Weiter so, liebe Polizei.