piwik no script img

Stuttgart 21Neuer Stress nach Stresstest

Der geplante Tiefbahnhof in Stuttgart besteht den "Stresstest". Die Gegner des Projekts sehen ihre Forderungen nicht erfüllt und misstrauen dem Gutachten.

Plakatwand vor Stuttgarts Bahnhof. Bild: reuters

STUTTGART taz | Die Deutsche Bahn hat im Konflikt um Stuttgart 21 eine wichtige Hürde genommen und den "Stresstest" bestanden. Dies ergibt sich aus einem Gutachten der Schweizer Firma SMA, das diese am Donnerstag den Projektpartnern und dem Aktionsbündnis übergeben hat.

In dem unveröffentlichten, gut 200-seitigen Dokument, das der taz und anderen Medien zugespielt wurde, heißt es: "Unsere Überprüfung der Simulationsergebnisse hat gezeigt, dass die geforderten 49 Ankünfte im Hauptbahnhof Stuttgart in der am meisten belasteten Stunde und mit dem in der Simulation unterstellten Fahrplan mit wirtschaftlich optimaler Betriebsqualität abgewickelt werden können." Die "Standards des Eisenbahnwesens" seien eingehalten.

Der Stresstest war Teil des Schlichterspruchs, auf den sich Gegner und Befürworter unter der Moderation von Heiner Geißler Ende 2010 geeinigt hatten. Mit dem Test sollte die Deutsche Bahn nachweisen, dass der neue Durchgangsbahnhof in der Spitzenstunde zwischen 7 und 8 Uhr morgens 30 Prozent mehr Züge abwickeln kann als der jetzige Kopfbahnhof. Unklar blieb, ob die Firma SMA die Simulation selbst durchgeführt oder nur eine Simulation der Deutschen Bahn begutachtet hat.

Die Landesregierung wollte zunächst keine Stellungnahme abgeben. Der SPD-Fraktionsvorsitzende und S-21-Befürworter Claus Schmiedel sagte, das Ergebnis sei gut, da Verspätungen abgebaut würden. Fraktionschefin Edith Sitzmann sagte: "Wir Grüne hoffen immer noch, dass Stuttgart 21 nicht kommt."

"Forderung nicht erfüllt"

Schon vor der Übergabe des Gutachtens stand für das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 fest, sich nicht am Dialog über den Stresstest zu beteiligen. "Unsere Forderung ,Alles auf den Tisch' wurde bis jetzt nicht erfüllt", sagte Bündnis-Sprecher Hannes Rockenbauch. Entscheidender Kritikpunkt der S-21-Gegner am Verfahren ist, dass sie nicht an der Definition der Grundlagen für den Test beteiligt wurden. Etwa der, dass der Test scheinbar nur für den Normalbetrieb und nicht für Notfälle wie Gleissperrungen konzipiert worden ist. "Ein Stresstest ohne Stress verdient diesen Namen nicht", sagte Rockenbauch.

Inhaltlich kritisiert das Aktionsbündnis unter anderem, in Bezug auf welche Größe der Leistungszuwachs gemessen wurde. Hier wurden die im Fahrplan 2010 vorgesehenen 37 Züge in der Spitzenstunde zugrunde gelegt, was jedoch nicht der möglichen Kapazität des Kopfbahnhofs entspreche. Weiter seien im simulierten Fahrplan relativ kurze Haltezeiten und viele Gleisdoppelbelegungen vorgesehen, was die Betriebsführung verschlechtere. "Dieser Bahnhof muss funktionieren wie ein Uhrwerk, sonst wird es Verspätungen geben", sagte Klaus Arnoldi vom Landesvorstand des Verkehrsclubs Deutschland (VCD).

Da die Deutsche Bahn nach dem Dafürhalten des Aktionsbündnisses nicht auf diese Kritikpunkte eingegangen ist, wollen sie sich an der öffentlichen Präsentation des Gutachtens nicht beteiligen. "Wir diskutieren nicht mehr auf Augenhöhe. Wir diskutieren nicht auf dem gleichen Informationsstand", sagte Brigitte Dahlbender vom BUND.

"Ich halte die Entscheidung für falsch, denn das Aktionsbündnis hat keinen Grund, eine Gegenüberstellung der Argumente in einem Faktencheck zu scheuen", kritisierte hingegen Heiner Geißler. Das Aktionsbündnis ist unglaubwürdig, erklärte auch Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU).

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • U
    Ulf

    okay, jetzt hat man die Schlichtung gemacht mit aberhunderten Stunden Übertragung und dabei jedes Detail erklärt. Dann hat man jetzt den Stresstest gemacht - attestiert von der unabhängigen Schweizer Prüfgesellschaft, die das Aktionsbündnis sich ausgeckuckt hat. Meine Meinung: Wenn das Thema Bürgerbeteiligung insgesamt im Land gepusht werden soll, dann darf das Aktionsbündnis nicht weiter blockieren. Sonst kommt jeder vernünftige und unabhängige Beobachter zu dem Schluss, dass Bürgerbeteiligungen nur dazu führen, dass eine unreflektierte Minderheit unbedingt blockieren möchte. Das wäre ein Bärendienst für die direkte Demokratie.

  • WW
    W. Wacker

    Wenn der grüne OB Palmer jetzt verkündet, S21 sei gescheitert, weil laut Gutachten nur "gut" und nicht "sehr gut", sollten er und seine Parteigenossen, deren Politik von den Bürgern auch nicht mit "sehr gut" bewertet werden, die Konsequenzen aus ihrem Scheitern ziehen und zurücktreten. Sofort.

  • L
    Lea

    Der Stresstest ist auf Betreiben der S21 Gegner zustande gekommen. Die Firma SMA bekam den Auftrag, hauptsächlich auch, durch einen der Wortführer der Gegner Herrn Palmer (Grüne). Jetzt ist das Ergebnis alles andere als positiv für die Gegner und jetzt protestiert man. Eigenartiges Demokratie-Verständnis.

  • KH
    Karin Haertel

    Bahnstress, Bankenstress, Atomstress. Hat irgendwer in dieser Regierung mal daran gedacht, welchen Stress Buerger angesichts der menschnverachtenden Politik in unserm Land haben? Wohl kaum, denn man muss schn ganz schoen abgebrueht sein, wenn man sich auch noch grosszuegig die Diaeten erhoeht und dem Buerger jede Steuererleichterung verweigert.

  • R
    Raf

    "Unklar blieb, ob die Firma SMA die Simulation selbst durchgeführt oder nur eine Simulation der Deutschen Bahn begutachtet hat."

     

    ...ein Klick auf die Internetpräsenz von sma (www.sma-partner.ch) hätte genügt, um diese "Unklarheit" zu beseitigen. Dort steht deutlich und leicht erreichbar unter "Information zum Stresstest Stuttgart":

     

    – Modul 2: Technische Begleitung / Überwachung der Simulation. Die eigentliche Simulation führt die DB Netz AG durch.

  • B
    Branko

    Wer hat denn ernsthaft geglaubt, bei dem Stresstest käme ein negatives Ergebnis für die Erbauer heraus?

     

    Man muß auch kein Prophet sein, um vorauszusehen, was bei den Stresstests für die AKW herauskommen wird: Alle bestanden - surprise, surprise!

     

    Stresstest für die Banken - bestanden.

     

    Stresstest für die deutsche Regierung - bestanden.

     

    Stresstest für... bestanden.

     

    Blabla-Blabla!

  • B
    Bernd

    Ich hatte es für völlig falsch ständig neue Forderungen aufzustellen und unter dem Motto: "Hauptsache dagegen" sich einem demokratischen Verfahren zu wiedersetzen. Wer dass will, sollte besser nach Kuba oder Venezuela auswandern.Der Stresstest wurde gemeinsam Vereinbart und nur weil das Ergebnis nun nicht wie gewünscht ausfällt, kann man nun nicht alles für ungenügend erklären.

  • M
    Michi

    Hier kann man den Stresstest selbst nachlesen:

     

    http://www.tagesschau.de/inland/stuttgart608.html

     

    Hier ein paar Zitate aus dem Stresstest und Anmerkungen von mir:

     

    Seite 8: "Neue Strecken müssen zusätzlich mit konventioneller Technik neben #ETCS ausgerüstet" - Welche Mehrkosten folgen?

     

    Seite 7: "Es kommt zu einem leichten Verspätungsaufbau im Zulauf zum Hbf und anschließend auch wieder auf der Wegfahrt"

     

    "Die erforderliche fahrplanmäßige Zugfolgezeit von 2,5 Minuten (für S-Bahnen) lässt sich nicht erreichen"

     

    "Einfahrtgeschwindigkeiten von bis zu 100km/h" - Wenn der Bremsweg nicht reicht, hält der Zug hält dann im nächsten Bhf

     

    "Geplante Haltezeit der S-Bahn am Hbf 30 Sekunden, Nahverkehrszug 120 Sekunden, Fernverkehr 180 Sekunden zum Hauptverkehr"

     

    "Nahverkehr im Filstal oft nur 30 Sekunden geplante Haltezeit" - Verspätungen einprogrammiert

     

    SMA-Empfehlung: "Es sind mindestens die zu kurzen Haltezeiten in Stuttgart Hbf anzupassen" - dann schafft man keine 30% mehr

     

    Da frag ich mich wie man den Stresstest als bestanden ansehen kann?