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Alkoholverbot in Bus und BahnKein Vorglühen mehr

Der Hamburger Verkehrsverbund verbietet das Trinken. 86 Prozent der Fahrgäste sind dafür. Zum Abschied droht eine Facebook-Party.

Aus fürs Feierabendbier: Alkoholgenuss ist in Bus und Bahn bald verboten. Bild: Hackebeilchen / photocase.com

HAMBURG taz | Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) wird zum 1. September ein Alkoholverbot einführen. Das Verbot gilt in allen Bussen und Bahnen des Verbundes mit Ausnahme derjenigen, die nach Schleswig-Holstein fahren, und der Elbfähren. Bei einer repräsentativen Erhebung hatten sich 86 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, das Alkoholtrinken in öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbieten.

Die Debatte über ein Verbot angestoßen hatte die Hamburger SPD im Frühjahr 2010 nachdem sich das Alkoholverbot bei der Metronom-Eisenbahngesellschaft als Erfolg erwiesen hatte. Die Privateisenbahn verkehrt zwischen Hamburg, Bremen, Cuxhaven und Göttingen. Ausgelassene Reisegruppen, insbesondere Fußballfans, ließen es in den Zügen dermaßen krachen, dass Fahrgäste an den tief liegenden Eingängen durch ein Flaschenmeer waten mussten.

Nach Einführung des Alkoholkonsumverbots mussten die Putztrupps nur noch 55 statt 163 Tonnen Müll pro Monat aus den Metronom-Zügen schaffen. Die Vandalismusschäden hätten sich im ersten Jahr nach der Einführung im November 2009 um 30 Prozent verringert, teilt die Firma mit. Die Zahl der Straftaten ging um 55 Prozent zurück.

Allerdings warnt Metronomsprecherin Tina Allerheiligen, die Verhältnisse beim Metronom seien nicht ohne weiteres mit denen beim HVV zu vergleichen. "Die durchschnittliche Reisezeit unserer Fahrgäste liegt deutlich über der von S- und U-Bahn", sagt sie. In die U-Bahn nehme man doch eher selten eine Kiste Bier mit.

"Wir wollen, dass sich unsere Fahrgäste sicher und wohl fühlen", begründet Ulrich Sieg vom Vorstand der Hamburger Hochbahn das Verbot. Das sei eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass sich Menschen für den öffentlichen Nahverkehr entschieden, ergänzt HVV-Geschäftsführer Lutz Aigner.

Dass der Alkohol-Konsum als störend empfunden wird, belegt eine telefonische Umfrage unter 1.200 Menschen im HVV-Gebiet. 86 Prozent der Befragten - ob HVV-Nutzer oder nicht - meinten, das Trinken von Alkohol "sollte verboten werden". Nur 13 Prozent waren dagegen. Die Zustimmung liegt selbst in der Altersgruppe "16 bis 29 Jahre" noch bei 70 Prozent.

Der HVV und seine Mitgliedsunternehmen wollen ihre Fahrgäste sanft an das neue Verbot gewöhnen. Wer im September noch mit einer offenen Flasche Bier, Schnaps oder Wein erwischt wird, soll ermahnt aber nicht bestraft werden. Ab dem 1. Oktober droht ihm eine Strafe wegen Verstoßes gegen die Beförderungsbedingungen von 40 Euro. "Wir werden mit besonderem Augenmaß vorgehen", verspricht Hochbahn-Vorstand Sieg.

Der HVV setzt auf die Einsicht der meisten Fahrgäste. "Wir erwarten, dass das Alkoholverbot ähnlich akzeptiert wird wie das Rauchverbot, das mittlerweile gesellschaftlich Konsens ist", sagt HVV-Geschäftsführer Aigner. Er rechnet damit, dass diejenigen, die trinken, isoliert werden.

Wo der Gruppendruck nicht hilft, sollen 110 zusätzliche Sicherheitsmitarbeiter der Hochbahn und der S-Bahn helfen. Im Rahmen einer Sicherheitspartnerschaft mit der Stadt sollten sie ab 2012 ohnehin eingestellt werden. Jetzt kommen sie früher und werden besonders geschult.

Eine besondere Herausforderung droht ihnen am 30. September, dem letzten Tag, an dem straflos getrunken werden darf. Über das Internet-Portal Facebook hat ein Spaßvogel zum Abschiedstrinken in der U-Bahnlinie 3 aufgerufen. 17.000 Teilnehmer haben sich angekündigt. Die Einladung ist inzwischen zurückgezogen.

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18 Kommentare

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  • P
    pablo

    das argument sicherheit wird immer wieder aufgeführt, wenn der hvv für ein sicherheits gefühl sorgen will sollte er auf den bahnsteigen und in den bahnen und bussen sicherhetispersonal aufstellen. das im metronom die sachbeschädigungen etc. rückläufig sind ist eher dem geschuldet das in jedem metronom ein schaffner durch den zug läuft und dieses auch tatsächlisch kontrollieren und ahnden kann. interessant wird es wenn fussball gespielt wird, in qwie weit dann das alkoholverbot durchgesetzt wird. vandalismus läßt sich mit einem verbot nicht reduzieren sehr wohl aber mit dauerhaften kontrollen wie in metronom und fernzügen.

  • VW
    von wegen Freie Stadt

    na, dann wird der sprit eben in fanta- und fürst-bismarck-flaschen umgefüllt ...

  • P
    Piet

    Wieder ein fataler Schritt

    in Richtung Polizeistaat.

     

    Ich werde den Anblick

    der Generation Praktikum,

     

    die cool und rebellisch

    am Tannenzäpfle nuckelt,

     

    am Freitagabend in der U3

    recht schmerzhaft vermissen.

  • B
    BiBo

    Ich möchte mal sehen, wie der durchschnittliche Kontrolleur zur der Gruppe Hooligans geht und denen 40€ für das Bier aufbrummt.

     

    Beim Auf-dem-Weg-nach-Hause-Trinker geht das wohl einfacher.

     

    Im Ruhrgebiet ist es so, dass der DB Sicherheitsdienst sich einen Dreck um pöbelnde und zum Teil agressive Alkis und Junkies kümmert

  • L
    Leser

    "wird zum 1. September ein Alkoholverbot einführen"

     

    vs

     

    "Eine besondere Herausforderung droht ihnen am 30. September, dem letzten Tag, an dem straflos getrunken werden darf."

     

    Einer der beiden Monate ist falsch...

  • MB
    Michael Bauer

    15 Euro kostet ein Verstoß gegen das Rauchverbot. Wahre Kippenberge auf den - regelmäßig gereinigten - Bahnsteigen zeugen davon, dass das keine Ausnahme ist.

     

    Passiv rauchen ist erstens für die anderen Fahrgäste auch auf Bahnsteigen unter freiem Himmel ungesund und zweitens extrem störend.

     

    Der HVV sieht sich nicht in der Lage, das Rauchverbot durchzusetzen, wie er mir schrieb.

     

    40 Euro kostet ein Verstoß gegen das - Achtung, Alkoholkonsumverbot.

     

    Passiv trinken scheint Wissenschaftlern noch nicht als unmittelbare Gefahr aufgefallen zu sein. Dass besoffene, agressive Fahrgäste eine sein können, steht außer Frage. Aber die dürfen ja weiter mitfahren. Ja, man will ja sogar, dass Betrunkene nach Feiern mit öffentlichen Verkehrsmittel nach Hause fahren. Stören die nicht?

     

    Dem neuen Verbot entzieht sich jeder Logik und jeder Begründung. Warum aber werden dann aus meinen Fahrgeldern 100 Kontrolleure extra dafür abgestellt, dieses unsinnige Verbot durchzusetzen?

  • MN
    Mein Name

    Schade das wieder alle über einen Kamm geschert werden. Nur weil ich während einer langweiligen Fahrt nach Hause gern ein Bierchen trinke, bin ich noch kein randalierender Hooligan. Trotzdem werde ich mit denen auf eine Ebene gestellt.

     

    Vielen Dank dafür.

  • SE
    straight edge buddy

    Es wird nur leider übersehen, dass das Verbot kaum zu einer wesentlichen Verbesserung führen dürfte. Denn während es zB den Handwerker der auf dem Heimweg schon mal sein Feierabendbier zu sich nehmen möchte mit Strafe bedroht, bleiben die alkoholisierten Gruppen die sich wahlweise auf dem Weg vom Vorglühen zum Kiez oder vom Kiez nach Hause befinden davon weitgehend unberührt weil sie eben schon vor Betreten der Bahn abgefüllt sind.

    In der Hauptsache also doch eher mal wieder ein weiterer Schritt hin zu einer über-reglementierten, total-überwachten und möglichst rauschfreien Gesellschaft.

  • X
    xVegAnarchistx

    Und noch ein Verbot in dieser ach so freien Gesellschaft, und wenn die Menschen dann irgendwann mal die Schnauze voll haben weil man ihnen jeden Aspekt ihres Lebens vorschreibt, und sie zurecht ausrasten, dann weiß wieder keiner woran es gelegen hat.

  • P
    pablo

    das argument sicherheit wird immer wieder aufgeführt, wenn der hvv für ein sicherheits gefühl sorgen will sollte er auf den bahnsteigen und in den bahnen und bussen sicherhetispersonal aufstellen. das im metronom die sachbeschädigungen etc. rückläufig sind ist eher dem geschuldet das in jedem metronom ein schaffner durch den zug läuft und dieses auch tatsächlisch kontrollieren und ahnden kann. interessant wird es wenn fussball gespielt wird, in qwie weit dann das alkoholverbot durchgesetzt wird. vandalismus läßt sich mit einem verbot nicht reduzieren sehr wohl aber mit dauerhaften kontrollen wie in metronom und fernzügen.

  • VW
    von wegen Freie Stadt

    na, dann wird der sprit eben in fanta- und fürst-bismarck-flaschen umgefüllt ...

  • P
    Piet

    Wieder ein fataler Schritt

    in Richtung Polizeistaat.

     

    Ich werde den Anblick

    der Generation Praktikum,

     

    die cool und rebellisch

    am Tannenzäpfle nuckelt,

     

    am Freitagabend in der U3

    recht schmerzhaft vermissen.

  • B
    BiBo

    Ich möchte mal sehen, wie der durchschnittliche Kontrolleur zur der Gruppe Hooligans geht und denen 40€ für das Bier aufbrummt.

     

    Beim Auf-dem-Weg-nach-Hause-Trinker geht das wohl einfacher.

     

    Im Ruhrgebiet ist es so, dass der DB Sicherheitsdienst sich einen Dreck um pöbelnde und zum Teil agressive Alkis und Junkies kümmert

  • L
    Leser

    "wird zum 1. September ein Alkoholverbot einführen"

     

    vs

     

    "Eine besondere Herausforderung droht ihnen am 30. September, dem letzten Tag, an dem straflos getrunken werden darf."

     

    Einer der beiden Monate ist falsch...

  • MB
    Michael Bauer

    15 Euro kostet ein Verstoß gegen das Rauchverbot. Wahre Kippenberge auf den - regelmäßig gereinigten - Bahnsteigen zeugen davon, dass das keine Ausnahme ist.

     

    Passiv rauchen ist erstens für die anderen Fahrgäste auch auf Bahnsteigen unter freiem Himmel ungesund und zweitens extrem störend.

     

    Der HVV sieht sich nicht in der Lage, das Rauchverbot durchzusetzen, wie er mir schrieb.

     

    40 Euro kostet ein Verstoß gegen das - Achtung, Alkoholkonsumverbot.

     

    Passiv trinken scheint Wissenschaftlern noch nicht als unmittelbare Gefahr aufgefallen zu sein. Dass besoffene, agressive Fahrgäste eine sein können, steht außer Frage. Aber die dürfen ja weiter mitfahren. Ja, man will ja sogar, dass Betrunkene nach Feiern mit öffentlichen Verkehrsmittel nach Hause fahren. Stören die nicht?

     

    Dem neuen Verbot entzieht sich jeder Logik und jeder Begründung. Warum aber werden dann aus meinen Fahrgeldern 100 Kontrolleure extra dafür abgestellt, dieses unsinnige Verbot durchzusetzen?

  • MN
    Mein Name

    Schade das wieder alle über einen Kamm geschert werden. Nur weil ich während einer langweiligen Fahrt nach Hause gern ein Bierchen trinke, bin ich noch kein randalierender Hooligan. Trotzdem werde ich mit denen auf eine Ebene gestellt.

     

    Vielen Dank dafür.

  • SE
    straight edge buddy

    Es wird nur leider übersehen, dass das Verbot kaum zu einer wesentlichen Verbesserung führen dürfte. Denn während es zB den Handwerker der auf dem Heimweg schon mal sein Feierabendbier zu sich nehmen möchte mit Strafe bedroht, bleiben die alkoholisierten Gruppen die sich wahlweise auf dem Weg vom Vorglühen zum Kiez oder vom Kiez nach Hause befinden davon weitgehend unberührt weil sie eben schon vor Betreten der Bahn abgefüllt sind.

    In der Hauptsache also doch eher mal wieder ein weiterer Schritt hin zu einer über-reglementierten, total-überwachten und möglichst rauschfreien Gesellschaft.

  • X
    xVegAnarchistx

    Und noch ein Verbot in dieser ach so freien Gesellschaft, und wenn die Menschen dann irgendwann mal die Schnauze voll haben weil man ihnen jeden Aspekt ihres Lebens vorschreibt, und sie zurecht ausrasten, dann weiß wieder keiner woran es gelegen hat.