Riskante Ölförderung: Schrottplattformen überall
Der Nordsee drohen noch weitere Ölunglücke: Viele Plattformen sind altersschwach und müssten ausrangiert werden. Die Behörden sehen keinen Handlungsbedarf.
STOCKHOLM taz | Altersschwache Komponenten, die aus Kostengründen nicht rechtzeitig ausgewechselt werden. Rohre, die fast nur noch von Farbe zusammengehalten werden. Es waren unglaubliche Zustände, die ein Insider vor einem Jahr der norwegischen Tageszeitung Dagbladet mitteilte.
Darin wurde von Wracks berichtet, die als Ölplattformen ohne ausreichende Wartung weit jenseits ihrer Lebensdauer weiter betrieben werden, um auch noch den letzten Tropfen Öl aus den Offshore-Lagerstätten hochzupumpen.
Für 20 bis 25 Jahre sind Ölbohr- und Förderplattformen normalerweise konzipiert. Doch in der Nordsee ist mehr als die Hälfte von ihnen älter, darunter auch "Gannett Alpha", die Unglücksplattform von Shell. Je länger diese alten Anlagen im Einsatz sind, desto höher ist das Unfallrisiko.
In der Statistik schlägt sich das bereits nieder. Obwohl die Konzerne betonen, es gebe durch bessere Technik und gründlichere Schulung des Personals wesentliche Fortschritte in der Sicherheitsarbeit, gab es im vergangenen Jahr in der Nordsee so viele Unfälle mit Öl- oder Gasaustritt wie noch nie. Laut Guardian fand allein im britischen Sockel im Schnitt ein Ölleck die Woche statt. Im norwegischen Sockel haben sich die Vorfälle binnen zwei Jahren verdoppelt.
Einen Plattform-TÜV gibt es bislang nicht. Für die Sicherheit der Anlagen sind in erster Linie die Betreibergesellschaften zuständig. Und für die rechnet es sich offenbar, Wartungsarbeiten oder den Austausch von Verschleißteilen so lange wie möglich aufzuschieben. Die eigentliche Kontrolle erfolgt durch Inspektionen der Versicherungsgesellschaften, während den staatlichen Aufsichtsbehörden weitgehend die Hände gebunden sind.
Man kontrolliere vor allem die "Papierform", also Protokolle von Wartungen und Reparaturarbeiten, heißt es bei der norwegischen Petroleumtilsynet. "Wir sind eine Aufsichtsbehörde, keine Polizei", rechtfertigt sich deren Sprecherin Inger Anda.
Umweltschutzorganisationen beklagen schon lange die mangelhafte Ausstattung der Aufsichtsbehörden. Die norwegische Petroleumtilsynet warnte kürzlich angesichts der veralteten und vernachlässigten Strukturen vor drohenden "Großunglücken". Konsequenzen? Man mahne die Betreiber, doch sorgfältiger zu kontrollieren, so Anda, und bitte sie um "konkrete Vorschläge", wie man diese Entwicklung stoppen könne.
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