piwik no script img

Wirbelsturm "Irene" in den USANew York kommt glimpflich davon

Hunderttausende auf der Flucht, Millionen Menschen ohne Strom, mehrere Todesopfer: Doch die Schadensbilanz von "Irene" ist nicht so katastrophal wie befürchtet.

Tiefer gelegene Stadtteile in New York wurden teilweise überflutet, so auch Lower Manhattan. Bild: reuters

WASHINGTON taz | "Oh!", seufzt die Gastgeberin der "Hurricane Party" in Washington kurz vor Mitternacht ein wenig enttäuscht, "da habe ich bessere Stürme erlebt." Zu dem Zeitpunkt ist "Irene" bereits weiter nach Norden getobt. Auf ihrem Weg von North Carolina, wo der Wirbelsturm am Samstag erstmals an Land stieß, entlang der Ostküste weiter nach Norden ließ "Irene" mindestens vier Millionen Haushalte ohne Strom sitzen, überschwemmte Straßen und Äcker. Das öffentliche Leben kam zum Erliegen, Bäume knickten um und es gab mindestens elf Tote.

Am späten Sonntagvormittag fegte der Sturm mit bereits gedämpfter Wucht über New York hinweg, wo die U-Bahn seit Samstag gesperrt und mehrere Stadtteile evakuiert worden sind. Dann zog er weiter in Richtung Boston.

Die Schadensbilanz ist beeindruckend, aber nicht annähernd so katastrophal wie befürchtet. Vor dem Sturm hatte Präsident Barack Obama seinen Urlaub abgebrochen und Innenministerin Janet Napolitano ihre MitbürgerInnen gebeten, die Warnungen der Behörden ernst zu nehmen, und Stromversorger wie die "Pepco" im Großraum Washington hatten alle KundInnen angerufen, um Stromausfälle anzukündigen. In den Küstengegenden von North Carolina und Virginia verrammelten die Anwohner ihre Häuser.

Leere Regale für Trinkwasser

Schulen, Universitäten und andere öffentliche Einrichtungen sind seit Donnerstag geschlossen. In der Hauptstadt Washington, deren EinwohnerInnen den Ruf haben, bei Naturereignissen heftig zu reagieren, bildeten sich stundenlange Schlangen vor den Kassen der Supermärkte. Bereits am Freitag waren vielerorts Batterien für Radios und Taschenlampen ausverkauft. Die Regale für Trinkwasser waren leer. Derartig leergekauft waren die Supermärkte zuletzt beim Schneesturm im Februar 2010. Damals blieben Hunderttausende Haushalte tagelang ohne Strom.

Für die meisten BewohnerInnen der Ostküste, der mit 65 Millionen Menschen am dichtesten besiedelten Region der USA, ist der Sturm die zweite Katastrophe binnen einer Woche. Nur vier Tage zuvor haben sie das stärkste Erdbeben seit Menschengedenken erlebt. Bei dem Beben kam es zwar nur zu Sachschaden, doch bis zum Vorabend des Sturms beherrschte es die Gespräche.

In North Carolina und Virginia ist "Irene" sogar die dritte Naturkatastrophe dieses Spätsommers. Im Süden North Carolinas lodert seit mehr als drei Wochen ein Marsch-Brand in dem Great Dismal Swamp. Er hat große Teile eines Naturparks zerstört und den Umkreis von Dutzenden von Meilen in Rauch und Gestank getaucht. "Swamp-fire, Earthquake, Irene" - lautete der Slogan einer Bar im Zentrum von Norfolk: "Lets drink".

Eine der größten Sorgen der US-Behörden vor dem Beginn des Sturms war die mögliche Sorglosigkeit ihrer MitbürgerInnen. Umso eindringlicher waren die Mahnungen. "Wir hoffen auf das Beste. Aber wir müssen uns auf das Schlimmste einstellen", sagte Präsident Obama bevor er seinen Ferienort Marthas Vineyard in Massachusetts verließ.

New Yorker ließen sich nur schwer überzeugen

In den Küstengegenden der Südstaaten Virginia und North Carolina erinnern sich die AnwohnerInnen noch an "Isabel". Das war ein Sturm, der am 11. September 2003 an Land ging und zahlreiche Menschenleben kostete. Dort war daher die Bereitschaft zu Vorsichtsmaßnahmen jetzt am größten. Doch in New York, wo niemand an Wirbelstürme gewöhnt ist, war es für Bürgermeister Michael Bloomberg schwierig, die Evakuierungen in den tief gelegenen Straßenzügen von Manhattan zu rechtfertigen und seine MitbürgerInnen zu überzeugen, dass sie zu Hause blieben.

Der Sender CNN meldete in Manhattan sowohl am East River als auch am Hudson Überschwemmungen. Die Stadtautobahn an der East Side war aber ohnehin geschlossen. An der Westseite überschwemmte das Wasser die 10th Avenue.

Inzwischen droht Gefahr durch Stromleitungen. An vielen Stellen hat "Irene" Starkstromkabel heruntergerissen, warnte die Stadtverwaltung am Sonntag. Wenn die in Pfützen oder auf überschwemmte Flächen fallen, könnten tödliche Stromschläge drohen. Am Sonntag wurde das nur einige Kilometer landeinwärts gelegene Atomkraftwerk Oyster Creek vorsorglich abgeschaltet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • S
    sillything

    In einem Satz und einem Bild irgendwo habe ich von den Toten und Verletzten und den zerstörten Häusern in Mittelamerika durch Irene erfahren. Die paranoiden und egozentrischen New Yorker hatten allerdings in den letzten Tagen mein Mitgefühl. Verkehrte Welt.

     

    Die Kinder, mit denen ich zu tun habe, sagen: "Oh ja, lass und Hurrikan kucken! Mal sehn ob Manhattan unter Wasser steht!" - Die Kleinen lernen schon aus den Medien, dass die Ereignisse, die mit dem Klimawandel einher gehen, wie Katastrophenfilme zu ihrer Unterhaltung veranstaltet werden. Veranstaltet von den Medien.

  • BA
    bitte anonym

    Wollen wir mal alle hoffen das diese ganzen Media-hipes nicht in einer 'Ruf-Wolf' Geschichte resultieren.

     

    Kennen sie die Geschichte noch ?

     

    Ein Kind veraeppelt gern das Dorf und eines Abends ruft es, " Ein Wolf, ein Wolf".

    Als die Buerger das hoerten stuermten sie in die Heide um all ihre 'Schaafe' zu schuetzen und sie in Sicherheit zu bringen. Es war jedoch kein Wolf in der Naehe und das Kind lachte und meinte es habe sie veraeppelt.

     

    Einige Naechte spaehter rief es noch mal: " Ein Wolf, ein Wolf " und wieder liefen die Buerger auf die Heide um ihre Schaafe in Sicherheit zu bringen, es war jedoch wieder kein Wolf in Sichtweite und das Kind lachte weil es wieder alle erfolgreich veraeppelte.

     

    Einige Naechte spaehter sah das Kind tatseachlich einen Wolf der sich der Heide naeherte auf welcher die Schaafe waren, und so rief es : " Ein Wolf, ein Wolf"

    Doch diesmal glaubten die Buerger dem geschrei nicht mehr und blieben zu hause...

     

    Und die Moral der Geschichte ist: wenn man weiss das jemand andere veraeppelt, schickt man jemand anders raus um Wache zu stehen, nicht doch aber das selbe Kind...

  • W
    Wunderpaule

    Es ist schon seltsam, wie uns mit diesem Thema, das in allen deutschn Gazetten die Titelseiten dominiert, das Gehirn zu waschen versucht wird.

     

    Über die regelmäßig den südostasiatischen Raum verwüstenden Taifune erfahren wir jedoch selten etwas. Vielleicht deshalb, weil dort keine US-Amerikaner und Deutsche in dem Maße betroffen sind?

     

    Schon gestern war aus us-amerikanischen Medien ersichtlich, dass der Sturm nicht die Ausmaße annehmen würde, wie sie in deutschen Medien noch heute mit dramatischem Vokabular angekündigt wurden.

     

    Aber warum wundere ich mich eigentlich noch? Selbst die sich links schimpfende taz ist gut bestückt mit bourgeoisen Schmierfinken, denen an der Wahrheit noch nie, sehr wohl aber immer daran gelegen war, ihr eigenes narzistisches Süppchen zu kochen.