Hurrikan an der US-Ostküste: "Irene" in New York angekommen
Die Wirbelsturmspitze hat New York am Samstagabend erreicht. Die größte US-Metropole gleicht einer Geisterstadt. Atomreaktor musste abgeschaltet werden. Bisher forderte "Irene" acht Tote.
NEW YORK afp | Das Zentrum des Hurrikans "Irene" hat am Sonntagmorgen die Küste des US-Staats New Jersey erreicht. Das Nationale Hurrikanzentrum in Miami teilte mit, das Auge des Wirbelsturms sei um 05.35 Uhr (Ortszeit) mit Windgeschwindigkeiten von 120 Kilometer pro Stunde über Little Egg Inlet hinweggezogen. Durch den gewaltigen Wirbelsturm starben in den USA nach amtlichen Angaben bisher acht Menschen. In der Nähe der US-Hauptstadt Washington musste wegen Beschädigungen das AKW Calvert Cliffs abgeschaltet werden.
Die Lage in dem AKW sei sicher, teilte de Betreiberfirma Constellation Energy Nuclear Group (CENG) mit. Angestellte oder die Umgebung des Kraftwerkes im Staat Maryland seien nicht betroffen, hieß es. Nach Angaben eines Sprechers der Betreiberfirma war der Haupttransformator von einer Aluminiumverkleidung getroffen worden. Die Atomanlage steht an der Chesapeake-Bucht südöstlich der Hauptstadt. CENG ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Constellation Energy und des französischen Konzerns Electricite de France
In den von Irene betroffenen Bundesstaaten verließen mehr als 1,5 Millionen Menschen vorsorglich ihre Häuser, allein in North Carolina und im benachbarten Virginia waren etwa 900.000 Haushalte ohne Strom.
New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg sagte auf einer Pressekonferenz: "Die Spitze des Hurrikans befindet sich über uns". Er fügte hinzu, dass die Zeit für Evakuierungen nun vorbei sei. Wer bis jetzt sein Haus nicht geräumt habe, dem rate er, da zu bleiben, wo er sich befinde und sich von den Fenstern fernzuhalten. Die größte Stadt der USA glich unterdessen einer Geisterstadt, die von starken Winden und heftigen Regenfällen heimgesucht wurde. In Manhattan waren Bars und Restaurants geschlossen, Broadway und Times Square lagen verlassen da.
Zuvor hatten mehr als 370.000 New Yorker in gefährdeten Gebieten einen Evakuierungsbefehl erhalten, über 7000 Menschen waren vorsorglich aus in Küstennähe gelegenen Krankenhäusern und Pflegeheimen in Sicherheit gebracht worden. Bloomberg hatte gewarnt, dass im südlichen Manhattan möglicherweise der Strom ausfallen und es dort Überschwemmungen geben könnte. Busse und U-Bahnen hatten ihren Betrieb eingestellt, die drei New Yorker Flughäfen waren komplett geschlossen. 900 Nationalgardisten und 2500 Mitarbeiter der Stromversorger wurde in Bereitschaft versetzt, um notfalls sofort eingreifen zu können.
Durchmesser: 840 Kilometer
Der Hurrikan war am Samstag mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 140 Stundenkilometern weiter in nördlicher Richtung die US-Ostküste hochgezogen. Auf seiner Route tötete er allein in North Carolina fünf Menschen. Darunter war ein 15-jähriges Mädchen, das wegen Stromausfalls einer Ampel an einer Kreuzung überfahren wurde, sowie ein Mann, der einen Herzinfarkt erlitt, als er die Fenster seines Hauses mit Brettern vernagelte. Zwei Menschen starben bei Verkehrsunfällen, ein Mann wurde von einem herabfallenden Ast tödlich getroffen.
Ein elfjähriger Junge wurde am Samstag in Newport News in Virginia von einem auf das Wohnhaus seiner Familie stürzenden Baum erschlagen. Ebenfalls in Virginia starb ein Mann, als ein Baum auf sein Auto stürzte. Ein 55-jähriger Surfer starb am Freitag vor der Küste Floridas. Straßen und Flughäfen wurden geschlossen, 12.000 Telefonverbindungen unterbrochen.
Zwar wurde "Irene" zwischenzeitlich wieder auf die unterste Hurrikanstufe herabgestuft und sollte sich auf dem Weg entlang der Ostküste weiter abschwächen. Doch dürfte der Hurrikan allein wegen seines schieren Ausmaßes schwere Schäden anrichten. Der Monstersturm hat laut einer Schätzung der US-Raumfahrtbehörde NASA aufgrund von Satellitenbildern einen Durchmesser von rund 840 Kilometern, das entspricht fast einem Drittel der Gesamtlänge der US-Ostküste.
Neben New York könnten auch andere Metropolen wie Washington, Boston und Philadelphia betroffen sein. An den dortigen Flughäfen wurden zahlreiche Flüge gestrichen, der Flughafen von Philadelphia wurde geschlossen. Der Bahnverkehr wurde ebenfalls stark heruntergefahren, und die Bahngesellschaft Amtrack wollte am Sonntag den gesamten Zugverkehr an der Ostküste einstellen.
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