Kommentar Syrien: Der Revolution treu bleiben

Der syrische Widerstand hat Recht damit, dem bewaffneten Kampf eine Absage zu erteilen. Die Erfahrungen aus Palästina zeigen, dass eine militärische Eskalation der falsche Weg ist.

Nichts scheint den Diktator Baschar al-Assad bislang daran zu hindern, die syrische Bevölkerung abzuschlachten. Sämtliche Boykott- und auch alle Vermittlungsversuche lassen ihn unbeeindruckt.

Einige syrische Oppositionelle haben dies zum Anlass genommen, jetzt die Aufnahme des "bewaffneten Kampfes" und/oder ein militärisches Eingreifen der Nato wie in Libyen zu fordern.

Dem haben die Örtlichen Koordinationskomitees, die Organisatoren des Widerstands in Syrien, eine deutliche Absage erteilt. Und das völlig zu Recht. Ein bewaffneter Kampf im Innern oder eine militärische Intervention von außen kann nur dem Regime von Nutzen sein.

Richtigerweise verweisen die Komitees auf die Erfahrung der Palästinenser. Während die "Intifada der Steine" im Jahre 1987 den Palästinensern weltweit große Sympathien eingebracht habe, endete die bewaffnete "Al-Aqsa-Intifada", die im Jahre 2000 begann, in einem wahren Desaster.

Eine militärische Auseinandersetzung würde jetzt nicht nur dazu führen, dass die Demonstranten ihre "moralische Überlegenheit" verlören, die aus der Friedfertigkeit ihres Protestes herrührt.

Eine militärische Eskalation würde derzeit vor allem die Möglichkeiten der Bevölkerung zur Beteiligung am Widerstand gegen das Regime drastisch einschränken. Nur eine kleine Minderheit wäre erfahren genug, mit der Waffe in der Hand zu kämpfen.

Zwar verfügen auch die Aufständischen über Waffen, nicht zuletzt durch Überläufer aus der Armee. Aber solange diese sich nicht zu wesentlichen Teilen vom Regime abwenden, wäre ein Bürgerkrieg Selbstmord.

Der Volkswiderstand gegen das Regime verlöre seinen Charakter. Das wäre - zum jetzigen Zeitpunkt - Verrat an der syrischen Revolution.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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