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Die Medien, die Justiz und der Fall Torben P.Die Gesellschaft tritt zurück

Der 18-jährigen Schüler Torben P. ist wegen einer Gewalttat in der U-Bahn angeklagt. Nächste Woche fällt das Gericht sein Urteil. Aber nicht nur die Medien haben ihn längst verurteilt. Wie kommen sie dazu?

Torben P. auf der Anklagebank Bild: dpa

Die Verhandlung gegen den 18-jährigen Schüler Torben P. und einen gleichaltrigen Mitangeklagten findet im größten Verhandlungssaal des Kriminalgerichts Moabit statt. Das Interesse der Öffentlichkeit ist riesig. Fast alle deutschen Medien sind vertreten. Onlineredaktionen setzen mehrmals täglich Berichte vom Prozessfortgang ab. Egal ob Boulevardzeitungen oder sogenannte Qualitätsmedien - selten war man sich in der Bewertung eines Falls so einig. Selten wurde die Unschuldsvermutung so ignoriert und ein Angeklagter so einvernehmlich vorverurteilt: "Der Hasstreter" - "Der U-Bahn-Schläger".

Torben P. ist wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Überwachungskameras auf dem U-Bahnhof Friedrichstraße hatten die Tat am 23. April aufgezeichnet. Die Szene, bei der Torben P. einen Mann mit einer Flasche niederschlägt und ihm, als dieser bewusstlos auf dem Boden liegt, viermal mit voller Wucht gegen den Kopf tritt, hatte die Polizei unmittelbar danach zur Fahndung ins Netz gestellt. Der kurze Ausschnitt ist seitdem unzählige Male von den Medien gezeigt worden, auch bei YouTube wird er immer wieder aufgerufen. Das Bild war auf dem Titel des Spiegels, es gibt kaum jemanden, der es nicht kennt.

Torben P. hatte sich noch am selben Tag gestellt. Am ersten Prozesstag legte er ein Geständnis ab: Was er getan habe, sei "eine Schweinerei" und durch nichts zu entschuldigen. Auch nicht dadurch, dass er betrunken gewesen sei. Der Angeklagte hat versucht, sich bei seinem Opfer, dem 30-jährigen Gas- und Wasserinstallateur Markus P., zu entschuldigen, er bot ihm ein Schmerzensgeld an.

Torben P. wird von zwei Anwälten nach allen Regeln der Kunst verteidigt. Das ist nicht nur das Recht eines jeden Angeklagten, egal was ihm vorgeworfen wird: Jeder, der sich in dieser Situation befände, würde es so machen. Die meisten Eltern würden versuchen, ihren Kindern die bestmögliche Verteidigung zu organisieren. Allerdings verteidigen Torben P.s Anwälte ihren Mandanten nicht auf Kosten des Opfers. Dabei könnten sie auch das tun - indem sie versuchten, ihm eine Mitschuld zu geben.

Es ist etwas Schlimmes passiert auf dem U-Bahnhof. Die Frage, die sich nicht nur im Gerichtssaal alle stellen: Wie kann jemand so die Kontrolle über sich verlieren? Torben P. sagt: "Ich kann das nicht erklären, weil ich selbst keine Erklärung habe". Er schäme sich zutiefst. Man kann ihm das abnehmen oder nicht. Die Mehrzahl der Medien tut es nicht. Boulevardzeitungen unterstellen ihm eine "Kuschelstrategie", um sich beim Gericht anzubiedern. Auch der Schuldspruch steht für sie schon fest: Keine Gnade. Eine Tageszeitung, die nicht im Verdacht steht, den Boulevard zu bedienen, schrieb dieser Tage: "Ihm drohen maximal zehn Jahre Jugendstrafe. Aber so hoch wird die Strafe nicht ausfallen. Schon jetzt bemühen sich seine Anwälte, ihren Mandaten in keinem allzu schlechten Licht dastehen zu lassen".

Dass die Medien Parallelprozesse führen, ist nicht neu. Richtig offensichtlich wurde es im Prozess gegen den wegen Vergewaltigung angeklagten und später freigesprochenen Wettermoderator Jörg Kachelmann. In seinem Fall waren es zwei Frauen, die für unterschiedliche Medien Richterinnen spielen durften: Alice Schwarzer für Bild, Gisela Friedrichsen für Spiegel Online.

Torben P. ist nicht so prominent wie Kachelmann. Gäbe es nicht die Bilder von den Überwachungskameras - das öffentliche Interesse an dem Vorfall wäre längst erlahmt. Ohne seine Taten bagatellisieren zu wollen: Im Kriminalgericht Moabit finden viele Prozesse statt, bei denen junge Angeklagte, die zuvor schon diverse Male als Gewalttäter in Erscheinung getreten sind, sich wegen ähnlicher Rohheitsdelikte verantworten müssen. Oder sogar für Taten, nach denen das Opfer nie mehr aufgestanden ist.

Medizinische Sachverständige haben im Prozess gegen Torben P. ausgesagt, bei dem Geschädigten habe zwar "abstrakt Lebensgefahr" bestanden, weil er in ein tiefes Koma gefallen sei, es habe aber keine "konkrete Lebensgefahr" bestanden. Markus P. selbst sagte als Zeuge aus, er leide seither unter Schlafstörungen. Wochenlang habe er wegen Schwindelgefühlen auf keine Leiter steigen können. Auf die Frage, warum er das Schmerzensgeld abgelehnt habe, antwortete er, seine Anwälte hätten ihm das geraten. Sein Zeugenauftritt, so schien es, war eher vom Bemühen getragen, den Ball flach zu halten. Ganz im Unterschied zu seiner Anwältin, die ihn im Prozess als Nebenkläger vertritt. Sie stellt sich vor die Fernsehkameras und fordert eine Strafe für Torben P. mit einer Signalwirkung für ganz Deutschland.

Es ist die Macht der Bilder, die so viele dazu veranlasst, sich als Richter aufzuspielen. Alle haben die Bilder gesehen, alle sind Zeugen, alle fühlen mit dem Opfer mit. Tatort ist der öffentliche Nahverkehr, jeden könnte es treffen. Jeder kennt sich aus. Es ist wie beim Fußballgucken: Jeder hält sich für den besten Bundestrainer.

Hätten die Gewaltszenen also von der Polizei zurückgehalten werden müssen? Nein. Auch das Video vom "Mann in Blau", einem Fahrradfahrer, der im September 2009 am Rande einer Demonstration von Polizisten zusammengeschlagen wurde, ist ein erschreckendes Zeugnis von Enthemmung. Es ist gut, dass sich die Öffentlichkeit ein Bild von solchen Vorgängen machen kann.

Das Video der Überwachungskamera ist zwar ein wichtiges Beweismittel - und doch handelt es sich nur um einen winzigen Ausschnitt aus dem Leben von Torben P. Es gibt noch andere Dinge, die im Urteil Berücksichtigung finden müssen: P. ist 18 Jahre alt, er hat nie zuvor Straftaten begangen. Seine Eltern seien Frührentner, seit der Tat werde die Familie von den Medien verfolgt, sagte der Angeklagte. Man habe schließlich sogar umziehen müssen. Eine Boulevardzeitung griff unlängst noch einmal auf, dass der Gymnasiast seine Schule in Reinickendorf verlassen musste, damit der Schulfrieden gewahrt blieb. Nun bekommt er in einer anderen öffentlichen Einrichtung Einzelunterricht. "Die nächste Sonderbehandlung für den U-Bahn-Prügler", so die Zeitung.

Es ist davon auszugehen, dass Torben P. nach Jugendstrafrecht verurteilt wird. Infrage kommt eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung oder Vollrauschs. Die Mindeststrafe sind sechs Monate, Höchststrafe zehn Jahre. Torben P. steht noch am Anfang seines Lebens. Die Frage ist: Wem wäre gedient, wenn er die nächsten Jahre im Knast verbrächte? Der Gesellschaft? Der Abschreckung anderer potenzieller Gewalttäter? Zu diesem Zweck darf eine Jugendstrafe aber nicht verhängt werden: Sie dient allein der Erziehung.

Anders ist es bei Erwachsenen: Der gesellschaftliche Druck machte es möglich, dass ein 43-Jähriger wegen Brandstiftung unlängst zu 22 Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Der Sachschaden an dem Fahrzeug, das er angezündet hatte, betrug 75 Euro. Würden in Berlin nicht fast jede Nacht Autos brennen, der Mann hätte allenfalls eine Geldstrafe bekommen. Das zeigt, welchen Einfluss Stimmungen in der Gesellschaft auf ein Urteil haben können.

Richter, die sich davon nicht beeindrucken lassen, müssen ein dickes Fell haben. Sogar Politiker wie Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky nehmen sich heraus, sie als "Schwachmaten" zu beschimpfen, wenn ihnen das Urteil nicht passt.

Urteile ergehen "im Namen des Volkes". Aber bitte nicht im Namen des Stammtischs.

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25 Kommentare

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  • L
    Leidkultur

    Nun, bei Tätern mit Mihigru liest man fast immer, dass sie "polizeibekannt" seien oder schon x Vorstrafen hätten. Und immer und immer wieder ließ man die laufen...Wenn dieser deutsche Täter nu nicht mal so was vorweisen kann, dann sollen alle Volksverurteiler die Füßchen ganz still halten.

  • O
    Oliver

    Dieser journalitische Artikel ist fast schon ein Skandal!

     

    In einem Land, in dem Cannabisrauchen ohne Folgen für Sachen und Personen immer noch zu Gefängnisstrafen führen kann, sollen Fast-Totschläger mit Bewährung davon kommen...

     

    Zum Glück hat ja das Gericht nicht auf Frau Plarre gehört. Allerdings die fast drei Jahre Haftzeit ist meiner Ansicht nach um ein Drittel zu kurz...

     

    Davon abgesehen, Frau Plarre, auch Justizirrtümer und Rechtsbeugung ergehen "im Namen des Volkes". Wollen Sie den Kritikern solcher Urteile wirklich authoritäre Hörigkeit vorschreiben?

     

    Ich dachte immer, die TAZ sei kritisch und links von der Mitte?

  • S
    Sozialarbeiter

    Hallo schrieb:

     

    "Vermutlich keiner kennt in diesem Forum Opfer oder Täter persönlich. Die Beurteilungen werden aufgrund der öffentlichen Berichterstattung gefällt. Eine differnziertes Urteil über den Sachverhalt, die Hintergründe und die Konsequenzen für Täter und Opfer sind so wohl kaum möglich. Das kann nur und wird daher die Aufgabe des Gerichtes sein."

     

    So gesehen könnte mensch auch sagen, vermutlich kennt kaum jemand die spruchkörper und somit ist ein differenziertes urteil über deren fähigkeiten nicht möglich ...

     

    Also gleich auflösung des gerichts?

     

     

    Ich kenne auch die redakteurin des taz-artikels nicht persönlich. Also am besten die zeitung gar nicht lesen?

     

     

    Im strafgesetzbuch gibt es immer einen strafrahmen. Für besonders krasse taten kann der strafrahmen voll ausgeschöpft werden, wozu sonst ist er da?

     

    Und viel krasser als das was der angeklagte tat geht es ja wohl nicht.

     

     

    Es könnte seine zukunft verbaut werden?

    Erstens gibt es keine todesstrafe in der BRD, also hat er auf jeden fall eine zukunft.

    Zweitens: soll das heißen, am besten soll er eine neue identität bekommen und ansonsten in ruhe gelassen werden?

     

    Soll die bemerkung, er habe so etwas vorher noch nicht gemacht bedeuten, jeder bekommt mal einen freischuss, egal wie der aussieht?

  • T
    Thauris

    Was soll diese Gutmenschenkacke? Wer wissen will wie primtive und kriminelle Brutalität aussieht, kann sich in dem Video davon überzeugen. Dabei ist es vollkommen egal, welches Leben der Angeklagte sonst führt - er ist eine Gefahr für die Gesellschaft!

     

    Eine Täter-Opfer-Umkehr durch solche Gutmenschen und ihre Schuldzuweisung an andere ist vollkommen verantwortungslos, denn Verantwortung für spätere Taten werden sie selbstverständlich nicht übernehmen!!!!

     

    Mein Mitleid gilt dem Opfer dieser brutalen Killermaschine, und mein Dank dem tapferen Helfer, der im Gegensatz zu vielen anderen Zivilcourage zeigte!

  • S
    Susi

    Es obliegt dem Gericht eine gesetzeskonforme Strafe zu finden. Aber: Gerade dieser verharmlosende, unverantwortliche Kommentar ist das, was die Menschen aufregt. Ein 18jähriger ist volljährig, hat alle Rechte, aber eben auch alle Pflichten, die Verurteilung nach Jugendstrafrecht eben nicht die Regel.

    Es ist eher Zufall als Absicht, dass das Opfer keine bleibenden Schäden davon trägt. Die Bemerkung, dass ja nie wirklich Lebensgefahr bestand, ist eine Verhöhnung des Opfers.

    Es gibt ein Grundrecht auf Unversehrtheit, auch wenn gerade Jugendliche, dass sehr oft nicht ernst nehmen.

    Ich würde mir wünschen, dass Thorben Verantwortung für sein Handeln übernimmt, es ist nämlich kein dummer Zufall, dass er besoffen war und dass er zugetreten hat.

  • U
    unverständnis

    Soll dieser Blödsinn die Leser provozieren-

    oder hat Plutonia wieder zu lange an den

    Brennstäben geschnüffelt?

  • B
    überrascht

    Die Einstellung der links-alternativen Schlechtmenschen zur Behandlung von gewalttätigen Straftätern lassen einen einfach ratlos und ohnmächtig zurück!!

  • K
    Kalle

    Also er ist durch das Video überführt und er hat mehrfach gestanden, aber wer ihn für schuldig hält, setzt die Unschuldsvermutung außer Kraft?

     

    Also ehrlich:

    Musste man die Seite noch irgendwie vollkriegen?

  • H
    Hallo

    Vermutlich keiner kennt in diesem Forum Opfer oder Täter persönlich. Die Beurteilungen werden aufgrund der öffentlichen Berichterstattung gefällt. Eine differnziertes Urteil über den Sachverhalt, die Hintergründe und die Konsequenzen für Täter und Opfer sind so wohl kaum möglich. Das kann nur und wird daher die Aufgabe des Gerichtes sein. Deshalb verstehe ich nicht, wie sich Leute derart aufplustern und glauben genau beurteilen zu können, was Recht und richtig wäre. Ich hoffe auf ein vernünftiges Urteil, das beiden, Opfer und Täter, gerecht wird und beiden die Möglichkeit lässt, die Tat eines Tages hinter sich zu lassen, damit beider gesamtes Leben zukünftig nicht nur auf eine Tat(nacht) reduziert bleibt.

  • V
    vicym

    Es ist ja wohl unglaublich, daß sich in diesem Zusammenhang über eine Vorverurteilung aufgeregt wird. Ich denke nur an Kachelmann, der hat nichts gestanden und es gab auch kein Video seiner Tat.

     

    Also, Thorben hat gestanden, und er hat sich erst gestellt, nachdem sein Akoholkonsum nicht mehr nachweisbar war.

     

    Zudem gab es dieses Video.

     

    MfG

  • B
    Bernd

    Die Medien sollten nicht urteilen, schreibt die Autorin. Dass ausgerechnet jetzt sie selbst sich zum großen Verteidiger eines Gewalttäters ausspielt, ist beschämend. Bald wird jedem klar: als Jugendlicher darfst anderen auf den Kopf treten, kein Problem. Denn wenn man dich in den Knast steckt, ist ja niemand damit geholfen. Also immer schön weiter treten.

  • E
    elvis

    jeder, der schon mal genug Alkohol getrunken hat, wird die Version eines Vollrausches und auch Filmrisses anzweifeln, wenn er das Video sieht.

    die vom Angeklagten im Eiltempo vollzogene moralische Kehrtwende und der Gedächtnisverlust verhöhnen das Opfer in meinen Augen maximal.

    es war schon das falsche Signal, die Täter nicht bis zum Urteilsspruch in Untersuchungshaft zu nehmen.

  • F
    franky

    komisch, wenn es um brutale schläger und brandstifter geht, entdeckt die taz ihr herz für die unschuldsvermutung

     

    interessante klientel an die ihr euch da anbiedert

     

    dann kommt ja im nächsten schritt der ruf nach geringen strafen für prügelnde neonazis. da ist ja auch keinem damit gedient, dass verführte junge menschen am anfang ihres lebens länger im knast sitzen. außerdem gibt es da so eine aufgeheizte gesellschaftliche stimmung gegen nazis in kreuzkölln, dass richter dadurch beeinflußt werden

     

    jetzt mal im ernst: habt ihr noch alle latten am zaun????

     

    wenn jeder schläger weiß, dass er mit ein bisschen geheule gut davon kommt nimmt die brutalität noch mehr oberhand

  • B
    bernd

    22 Monate auf Bewährung wegen Brandstiftung, einem der gefährlichsten und abscheulichsten Verbrechen, und das empfindet die TAZ als hart?

     

    Dann sind 6 Monate wegen schwerer Körperverletzung sicherlich auch grausam, insbesondere wenn man bedenkt, das der Täter erst 18 und damit unmündig ist und ausserdem betrunken war. Eigentlich sollte man nur die Hersteller von Hochprozentigem in dem Fall hinter Gitter bringen, richtig?

     

    Wenn die Forderung nach hohen Strafen Stammtischniveau ist, als was bezeichnet man das, was in dem Artikel steht?

  • T
    Torben

    Vielen Dank für die besonnene Darstellung. Dem Artikel wird vermutlich ein regelrechter Shitstorm von Seiten der aufgepeitschten Gerechten folgen, aber warum sollen es Jounalisten auch besser haben als Richter.

     

    Gibt es eigentlich wissenschaftliche Studien zum Zusammenhang von aufgeheizten, gesellschaftlichen Stimmungslagen und der Strafbemessung in entsprechenden Prozessen? Der Justiz sollte sehr daran gelegen sein, sich hier zu hinterfragen und Unabhängigkeit zu wahren oder zurückzuerlangen.

  • K
    Karl

    Unschuldsvermutung - Das erwähnte Video zeigt den Täter und ein Geständnis liegt auch vor.

     

    Körperliche Gewalt ist ein schweres Vergehen und muss entsprechend geahndet werden. Der Schüler hat nicht einen Ladendiebstahl gegangen oder jemanden beleidigt sondern den Tod eines Menschen in Kauf genommen.

     

    Auch kann man nicht sagen dies war ein Ausrutscher und er ist doch sonst ein so guter Mensch der sich sogar jetzt der Religion zuwendet. Eine Tat ist begangen worden und muss dem Gesetz nach entsprechend verurteilt werden.

     

    Persönlich würde ich eine Bewährungsstrafe als verheerendes Signal sehen : Seht her, wenn ihr ein gutes Elternhaus habt und gute Anwälte dann könnt ihr auch mal ausrasten.

    Auch wenn er angibt betrunken gewesen sein sollte dies keine Strafmilderung geben.

     

    Das Opfer wird zeit seines Lebens unter diesen Angriff leiden, auch wenn das körperliche verheilt ist, vergessen wird es wahrscheinlich dies nie.

  • N
    Nania

    Schöner Artikel im Rahmen der derzeitigen boulevaren Hetze gegen jeden, der eine Straftat verübt.

    Es sollte an der Person gar kein öffentliches Interesse bestehen. Erst recht nicht mehr, seit der Täter sich stellte.

    Es ist eine erschreckende Tat, doch soll laut Zeitungsberichten nie das ganze Video zu sehen sein, auf dem auch das Opfer in einem anderen Licht erscheint.

    Die Tat ist furchtbar, doch der Angeklagte scheint ja zu bereuen. Ich fände es viel schlimmer, das Gericht würde ihn wegen "SIGNALWirkung" zu einer längeren Jugendstrafe verurteilen. Dafür ist eine Strafe nicht da.

     

    Wenn wir uns den jungen Mann betrachten, der vermutlich kurz vor dem Abitur steht und sein ganzes Leben noch vor sich hat, zudem vorher nie straffällig wurde, was passiert, wenn er in den Knast wandert. Womöglich 7 und mehr Jahre?

     

    Man kann lapidar argumentieren, dass er sich das Leben selbst verbaut hat. Richtig. Auf einen Menschen im betrunkenen (oder auch nicht) Zustand einzuprügeln, sollte schwer bestraft werden.Schwer, aber angemessen. Sowohl für das Opfer, wie auch für den Täter. Denn im Zweifelsfalle kann eine Gefängnisstrafe nur dazu führen, dass wir später einen Arbeitslosen oder gar einen Kriminellen mehr auf der Straße haben. Wer will so einen schon einstellen.....

     

    Jedem, der stammtischgerecht danach schreit, den Jungen möglichst hart zu bestrafen, sollte mal zu Schillers: "Der Verbrecher aus verlorener Ehr'" greifen. In diesem Buch wird sehr eindringlich deutlich, wozu Strafen da sein sollten. Und auch wie wichtig die Resozialisierung ist. Und vielleicht die Frage, ob diese nicht das Ziel der Strafe ist.

  • HL
    Hauke Laging

    Die Autorin scheint mir verwirrt. "Selten wurde die Unschuldsvermutung so ignoriert und ein Angeklagter so einvernehmlich vorverurteilt." Wie kann man denn hier ernsthaft mit der Unschuldsvermutung argumentieren? Die Tat ist unzweifelhaft, der Angeklagte hat gestanden. Es geht überhaupt nicht mehr darum, ob er schuldig gesprochen wird, sondern nur noch darum, wofür Der Rest des Artikels befasst sich konsequenterweise nur noch mit dem Strafmaß. Aber auch das ist unfreiwillig komisch.

     

    "Es ist davon auszugehen, dass Torben P. nach Jugendstrafrecht verurteilt wird." Ja, davon ist auszugehen, auch wenn das nichts mit der Rechtslage zu tun hat; wie so vieles, das die Justiz sich leistet. Und die armen Eltern mussten jetzt sogar umziehen. Und das nur, weil sie es nicht geschafft haben, ihr Kind so zu erziehen, dass es nicht aus Spaß jemanden fast totschlägt. Deutschland ist so gemein. Was will es von seinen Bürgern noch alles verlangen?

     

    "Torben P. steht noch am Anfang seines Lebens. Die Frage ist: Wem wäre gedient, wenn er die nächsten Jahre im Knast verbrächte? Der Gesellschaft? Der Abschreckung anderer potenzieller Gewalttäter?" Das ist derart geistreich, dass mir dazu kaum noch etwas einfällt. Inwiefern werden denn diese "Argumente" hinfällig, wenn er 21 wäre? Warum soll er überhaupt in den Knast? Ist doch quasi ausgeschlossen (das meine ich ernst), dass er so was noch mal macht. Erziehungsziel erreicht. Im Knast hätte der Sohn aus gutem Hause doch bloß schlechten Umgang.

     

    Also, liebe Autorin: Warum sollen wir überhaupt noch irgendwen wegsperren?

  • F
    Franzi

    Es will mir nicht in den Schädel: Wie kann man einen Beinahe-Mörder verteidigen? Der junge Handwerker ist nur nicht tot, da die Schuhe des Beinahe-Mörders zu weich waren. Ansonsten wäre der Junge jetzt tot!!!

    Wer kann da noch Mitleid mit dem Täter haben? Wann geht es um das Opfer? Seine Schmerzen? Seine Ängste? Die Zerstörung seines Lebens?

    Da geht es nicht um einen Dummen-Jungen-Streich, sondern Mordversuch! Das ist nicht zu entschuldigen, mit nichts!!!

  • A
    anonym

    Bei allem notwendigen Respekt vor den Regeln eines Rechtsstaats, die wir, wie zurecht beklagt, allzuoft vergessen: Unter diesen Umständen von irgend einer (un)beteiligten Person großes Mitgefühl mit dem Täter zu erwarten, lässt sich ebenfalls nur auf die eingespielten emotionalen Affekte einer anderen Sorte von Stammtisch zurückführen. Und zwar der des Teils der Gesellschaft, der noch für den allerletzten Straffälligen mildernde Umstände erkennen kann. (Es sei denn, dieser ist reich, uniformiert oder ein Rassist. Für die gibts die Höchststrafe.)

     

    Fakt ist, dass in diesem konkreten Fall gar keine Form von "Vor-"Verurteilung stattfinden kann; wer der Täter ist und was er getan hat, stand zu keinem Augenblick im Zweifel. Der Autor hat recht, wenn er bemerkt, dass die Strafe einem höheren Zweck dienen sollte, als blindwütigem Vergeltungsdrang. Aber wie dieser Zweck erreicht werden soll, ist ein Problem, welches nicht allein theoretisierende, nie betroffene Juristen klären müssen, sondern die gesammte Gesellschaft.

     

    Gerade weil der Täter ein absolut unbeschriebenes Blatt ist, sollte man sich fragen: ist ein Klapps auf die Finger das richtige Signal? Sowohl an ihn, als auch an uns selber?

     

    Wir sollten uns nicht über Banker wundern, die erwarten,dass wir für ihre Verantworungslosigkeit gerade stehen, wenn wir selbst bei eindeutigen Vorfällen sinnloser,enthemmtester physischer Gewalt nicht Willens sind, ohne Bedenken die vollen Konsequenzen (d.h. die Höchsstrafe = 10 Jahre) einzufordern.

  • A
    anonym

    Bei allem notwendigen Respekt vor den Regeln eines Rechtsstaats, die wir, wie zurecht beklagt, allzuoft vergessen: Unter diesen Umständen von irgend einer (un)beteiligten Person großes Mitgefühl mit dem Täter zu erwarten, lässt sich ebenfalls nur auf die eingespielten emotionalen Affekte einer anderen Sorte von Stammtisch zurückführen. Und zwar der des Teils der Gesellschaft, der noch für den allerletzten Straffälligen mildernde Umstände erkennen kann. (Es sei denn, dieser ist reich, uniformiert oder ein Rassist. Für die gibts die Höchststrafe.)

     

    Fakt ist, dass in diesem konkreten Fall gar keine Form von "Vor-"Verurteilung stattfinden kann; wer der Täter ist und was er getan hat, stand zu keinem Augenblick im Zweifel. Der Autor hat recht, wenn er bemerkt, dass die Strafe einem höheren Zweck dienen sollte, als blindwütigem Vergeltungsdrang. Aber wie dieser Zweck erreicht werden soll, ist ein Problem, welches nicht allein theoretisierende, nie betroffene Juristen klären müssen, sondern die gesammte Gesellschaft.

     

    Gerade weil der Täter ein absolut unbeschriebenes Blatt ist, sollte man sich fragen: ist ein Klapps auf die Finger das richtige Signal? Sowohl an ihn, als auch an uns selber?

     

    Wir sollten uns nicht über Banker wundern, die erwarten,dass wir für ihre Verantworungslosigkeit gerade stehen, wenn wir selbst bei eindeutigen Vorfällen sinnloser,enthemmtester physischer Gewalt nicht Willens sind, ohne Bedenken die vollen Konsequenzen (d.h. die Höchsstrafe = 10 Jahre) einzufordern.

  • OK
    oma Kruse

    Warum wird ein Gymnasiast nach Jugendstrafrecht behandelt? Er sollte doch eigentlich reif genug sein. Und warum rechtfertigt die TAZ, dass ein junger Schläger und (fast) Mörder um den Knast herumkommt?

    Die vier Jungs vom Bahnhof Lichtenberg mit ihrem Migrationshintergrund dürfen so viel Verständnis nicht erwarten.

  • B
    Beckers

    Ich hoffe von Herzen, dass alle diejenigen, die nach reißerischen Neuigkeiten im "Fall Torben P." googlen und unweigerlich bei den Boulevardkommentaren hängen bleiben und sich dadurch ihre Meinung "BILDen", sich auch die Mühe machen, den taz-Artikel zu lesen.

    Die Menge will Blut sehen- ein Exempel statuieren.

    Auch wenn die Brutalität der Tritte nicht an Schrecken und Entsetzen verliert, so wünsche ich den Jungen, dass ihre Zukunft nicht verbaut wird und dass sie an die richtigen Menschen geraten, die unbeeinflusst von den Hetzkampagnen Recht sprechen werden.

    Den Vorwurf der "unterlassenen Hilfeleistung" müssen sich alle gefallen lassen, die zur Tatzeit auf dem Bahnhof standen und nicht den Allerwertesten in der Hose hatten, um zu helfen oder Hilfe zu holen. Aber die sind ja -glücklicherweise- nicht auf dem Video zu sehen.

  • S
    shred

    Ich bin sprachlos. Was für ein Kommentar.

     

    Sie führen ernsthaft an, das Markus P. ja nicht so richtig lebensgefährlich verletzt war? Das ist aber nicht der Verdienst von Torsten P. - der hätte ihn totgetreten. Es ist der Verdienst von einem Zeugen, der sein Leben riskiert hat.

     

    Die Anwälte könnten auf dem Rücken von Markus P. ein Prozess führen, tun dies aber nicht; schreiben sie. Die Wahrheit ist: Sie haben es versucht indem sie waghalsige Interpretation in die Kameraaufnahmen ("Markus P. hat angefangen") gelegt haben. Damit haben sie nur schnell wieder aufgehört, als die Zeugen das richtiggestellt haben.

     

    So reflektiert und weise und reif wie sich Torben P. gibt, verstehe ich überhaupt nicht, warum überhaupt Jugendstrafrecht diskutiert wird.

     

    Es gibt nämlich sehr gute Gründe ihn einzusperren: Ein funktionierendes Rechtssystem ist davon abhängig, dass die Menschen das Gefühl haben, es geht gerecht zu.

     

    Es wird zerstört wenn Jugendlichen vermittelt wird, sie könnten folgenlos jemanden tottreten.

  • W
    Wertkonservativliberaler

    Das Gericht wird in seiner freien Beweiswürdigung entscheiden.

     

    Es hätte diesem Artikel aber gut angestanden, ein entscheidendes Detail noch anzuführen:

     

    Der Beschuldigte setzte gerade an, mit voller Wucht ein fünftes Mal auf den Schädel des Opfers einzutreten, wenn sich nicht ein junger Zeuge beherzt dazwischen gestellt hätte (und dann selbst Tritte einsteckte).

     

    Dass das Opfer alles in allem so glimpflich davon gekommen ist, hat er wohl am wenigsten den Beschuldigten zu verdanken.