Sind die Piraten die neuen Grünen?: Mein Porno gehört mir
Die Parallelen zwischen den Grünen und den Piraten sind auffällig. Je genauer man hinschaut, desto klarer werden aber auch die Differenzen.
BERLIN taz | Man könnte es so sehen: die Grünen haben als Partei des Wutbürgers ausgedient, nun kommt eine neue Bürgerrechtsbewegung zum Zuge. Man könnte es auch so sehen: die Piratenpartei ist eine Partei, in der sich politische Neulinge, Wirrköpfe, ehemalige FDP-Mitglieder, Maskulinisten und Leute, die Kontakte zur Neuen Rechten pflegen, tummeln, und die nicht weiß, wie ihre Politik aussehen soll. An beiden Aussagen ist etwas dran.
Die Piratenpartei hat in den wenigen Jahren ihrer Existenz dazugelernt, sie ist keine Ein-Themen-Partei mehr. Sie steht für Transparenz in den Behörden, für Veränderungen im Personennahverkehr, für freien Zugang zur Bildung und für religiöse Freiheit in einem säkularen Staat.
Auch hat sie sich von ihren ehemaligen Bundesvorsitzenden, Jens Seipenbusch, getrennt, der nichts dabei fand, dem stramm rechten Wochenblatt Junge Freiheit gleich mehrfach Rede und Antwort zu stehen. Sebastian Nerz, der Nachfolger, ist da vorsichtiger. Doch auch er tritt eher konservativ auf. Er meint, man verdanke dem Internet eine neue Demokratieform. "Erstmalig hat damit der kleine Mann von der Straße die Möglichkeit, sich öffentlich zu äußern - und gehört zu werden!"
Dass das Demonstrationsrecht diese Möglichkeit schon vorher bot, ficht ihn nicht an. Dass es nur der "kleine Mann" ist, der sich äußern kann, liegt daran, dass das postfeministische Profil, mit dem die Piratenpartei sich schmückt, dem präfeministischen Profil der CSU der siebziger Jahre ziemlich ähnelt. Der Nerd ist nicht eben für seine politisch korrekte Haltung bekannt - im Gegenteil, das Konzept, das zuallererst die Gleichberechtigung aller Menschen zum Ziel hat, ist vielen Piraten nichts anderes als fiese Zensur. Ihr Motto: mein Porno gehört mir.
Auf scharfe Kritik folgt Trotz
Auch ist die Piratenpartei stets beleidigt - kritische Fragen beantwortet sie mit Häme, scharfe Kritik mit Trotz. Zu Fragen der Ökonomie hat sie keine dezidierte Meinung. Daher will sie auch zwischen rechts und links pendeln, mal das bedingungslose Grundeinkommen einfordern - wie in Berlin -, mal will sie dies keinesfalls. In der Piratenpartei sprechen viele Stimmen, und sie sprechen durcheinander.
Gerade das ist aber ihr Vorteil. Die Wählerinnen und Wähler, die sich für die Piratenpartei entschieden haben, wissen durchaus, dass Maximalforderungen schwer bis gar nicht umsetzbar sind. Dennoch wählen sie Piraten, erfreut darüber, dass jemand Maximalforderungen ausspricht. Und vielleicht im Abgeordnetenhaus weiterhin aussprechen wird.
Nicht nur eine Partei der Jugend
Die Piratenpartei wurde auch nicht unbedingt aus politischen, sondern ästhetischen Gründen gewählt. Als ich vor kurzem den 89-jährigen Schriftsteller Rudolf Lorenzen besuchte, berichtete er mir begeistert von der Piratenpartei. Er hatte sich nicht mit dem Programm auseinandergesetzt, er fand die Plakate super. Vor allem jenes, auf dem zu lesen stand: "Warum häng ich hier eigentlich, ihr geht ja eh nicht wählen". Das sprach ihn sofort an. Und ließ ihn die Piraten ernst nehmen. Die Piratenpartei ist nicht nur eine Partei der Jugend.
Damit geht es ihr so wie den Grünen in den Anfangsjahren - damals waren bei denen Rechtsextremisten, Linksradikale, Maximalisten, Pädophile und Spinner vereint, man konnte direkt aus der CSU zu den Grünen wechseln, wenn man die Schnauze voll hatte vom elenden Zustand der urdeutschen Waldheimat.
Andere erkannten in der Atomindustrie etwas anderes als verhasste Technik, sie versuchten die ökonomischen Gegebenheiten der Bundesrepublik insgesamt zu hinterfragen. Die Realos drängten diese Leute schließlich aus der Partei hinaus, denn Vorstandssitze winkten.
Anders als Renate Künast, die immer klarmachte, dass sie als Berliner Oppositionsführerin, ja nicht einmal als Stellvertreterin Wowereits zu haben sein würde, haben die Piraten aber noch keine Möglichkeit, sich mit Lobbyistengruppen zu treffen, allein daraus beziehen sie für viele ihre Glaubwürdigkeit. Sie gelten zunächst deshalb für gut, weil die anderen schlecht sind. Das muss nicht so bleiben.
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