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Google wirbt mit und für WheelmapEine Landkarte gegen die Peinlichkeit

Auf der Onlinekarte können Nutzer die Zugänglichkeit öffentlicher Gebäude prüfen. Davon sollen Rollstuhlfahrer und Ältere profitieren.

Der aktuelle "Radkarte" von Berlin Bild: Screenshot wheelmap.org

Ab sieben Zentimetern, der Höhe einer Stufe, gibt es Orange. Bei mehreren Stufen Rot. Nur Einrichtungen, die über einen komplett stufenlosen Eingang und ein Rollstuhl-WC verfügen, werden grün markiert. Crowdsourcing nennt sich das Prinzip, auf dem die Wheelmap basiert, eine Onlinekarte für Rollstuhlfahrer. Die Nutzer sammeln Informationen und bilden eine Übersicht: Je mehr Einträge es werden, desto lückenloser das Projekt. Restaurants, Museen, Bahnhöfe - weltweit können öffentliche Einrichtungen auf diese Weise auf Barrierefreiheit überprüft und im Ampelsystem kategorisiert werden. Leuchtendes Beispiel für funktionierendes Crowdsourcing ist die Onlineenzyklopädie Wikipedia.

"Seit Anfang Oktober sind schon 40.000 neue Orte dazugekommen. Das ist so viel wie im gesamten halben Jahr davor", sagt Raul Krauthausen erfreut. Er sitzt im Rollstuhl und hat das Projekt mit seinem Berliner Verein Sozialhelden 2010 ins Leben gerufen. Grund für den jüngsten Erfolg ist ein TV-Spot. Der Internetgigant Google stellt die Wheelmap seit Anfang Oktober als Paradebeispiel für innovative Ideen im Onlinebereich vor und bewirbt damit seinen Onlinebrowser: "Das Web ist, was du daraus machst."

Was die Sozialhelden um Krauthausen daraus machen, überschreitet nun auch die Grenzen Berlins. Immer mehr weiße Flecken verschwinden von der Karte. "Am Anfang lag der Schwerpunkt auf Berlin, weil man uns in der Szene hier kannte", sagt Krauthausen rückblickend. "Aber durch den Spot breiten wir uns auch deutschlandweit immer mehr aus." 126.000 markierte Einrichtungen weist die Karte auf, darunter auch schon Orte außerhalb Deutschlands. Das Palais Royal des Louvre in Paris? Rot markiert, Zutritt für Rollis unmöglich.

"Man darf nicht vergessen, dass Mobilitätsbehinderte vor allem Sicherheit brauchen, wenn sie sich draußen bewegen", sagt Jürgen Schneider, Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung. Dem stimmt Krauthausen zu: "Seit zwei Jahren komme ich mit der BVG relativ gut überallhin. Aber die Frage ist, ob sich der Weg überhaupt lohnt."

In Berlin seien etwa 300.000 Menschen, knapp 9 Prozent der Bevölkerung, in ihrer Mobilität eingeschränkt, schätzt Schneider. Mindestens 40.000 bis 50.000 von ihnen säßen im Rollstuhl. Auch die Zahl der über 80-Jährigen, denen Stufen und andere Barrieren das Leben in besonderem Maße erschweren, werde in absehbarer Zeit die 300.000er-Marke erreichen.

Dass aber wohl gerade ältere Menschen nur sehr begrenzt von dem Onlineangebot Gebrauch machen werden, ist dem 31-jährigen Sozialhelden Krauthausen bewusst. Auch die Wheelmap-App für Smartphones, mit der sich Nutzer unterwegs alle barrierefreien Orte in direkter Umgebung anzeigen lassen können, wird weniger internetaffinen Menschen kaum helfen. Für sie ist zwar eine gedruckte Version der Wheelmap in Planung, weil aber täglich Orte neu markiert werden, wäre eine Wheelmap als Buch morgen schon wieder veraltet, sagt Krauthausen. "Wir brauchen flexiblere und kreativere Lösungen."

Er spielt mit der Idee, eine stets aktualisierte Karte etwa an Touristeninformationen zum Ausdruck anzubieten oder die Wheelmap mit einem Callcenter zu kombinieren, von dem auch ältere Menschen Gebrauch machen könnten. Das Potenzial, das in dem Projekt steckt, hat auch Schneider erkannt. "Vor einigen Jahren wäre ich noch skeptisch gewesen", sagt der Behindertenbeauftragte. Die Wheelmap sei "eine sehr einfache Untersuchung". Wenn es für bestimmte Einrichtungen konkrete Daten und Vermessungen gäbe, "wäre es wunderbar, diese weiterführenden Daten einzubinden".

Mit einem umfassenden Informationsangebot wollen sich die Sozialhelden jedoch noch nicht zufriedengeben. Er wolle für das Thema sensibilisieren, sagt Krauthausen. "Die Frage ist, wie man einen Ladenbetreiber animiert, seinen Laden rollstuhlgerecht zu gestalten." Meist hätten die Leute Angst vor Bürokratie. Dabei gebe es oft auch ganz praktische Lösungen. Bei einem Eingang mit zwei Stufen würde eine kostengünstige Klapprampe dem Problem schon Abhilfe schaffen. Auch Menschen mit Rollatoren oder Kinderwagen, die ebenso zur Zielgruppe der Wheelmap-Macher zählen, würden profitieren. Die Sozialhelden planen, mit Einrichtungen, die in ihrer Karte nicht grün markiert sind, in Kontakt zu treten.

Dass alle gut beraten sind, auf Barrierefreiheit zu achten, darin sind sich Schneider und Krauthausen einig. Allein schon wegen der immer älter werdenden Bevölkerung - ein Trend, der nach Berechnungen der Senatsverwaltung trotz des Zuzugs junger Menschen auch vor der Hauptstadt nicht haltmachen wird. "Der Berliner Fernsehturm, das Aushängeschild der Stadt, ist nicht rollstuhlgerecht. Das müsste peinlich sein fürs Land", meint Krauthausen. Er will arbeiten, "bis man die Wheelmap irgendwann gar nicht mehr braucht".

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