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Montagsinterview: Der Radioeins-Macher"Nur in Diktaturen freuen sich alle über den neuen Chef"

Von Fans wird das Moderatorenduo Skuppin/Wieprecht kultisch verehrt. Seit fast einem halben Jahr ist Robert Skuppin nun Programmchef von Radioeins.

Seit 23 Jahren beim Radio: Wellenchef Robert Skuppin. Bild: David Oliveira

Der Chef telefoniert noch. Freundlich winkt Robert Skuppin aus seinem Büro in Babelsberg. Und lacht. Eigentlich lacht er immerzu. Auch im Radio, wenn sein Moderationspartner Volker Wieprecht ihn mal wieder foppt. Also andauernd. Frotzeleien sind das Markenzeichen des von Radio-Eins-Hörern kultisch verehrten Duos, in dem Skuppin neben dem Zyniker Wieprecht den zurückhaltenderen, freundlicheren Part gibt. Alleine über die gemeinsame Geschichte ließe sich Stunden plaudern, wenn es da nicht noch dieses andere Thema gäbe: seine Erfahrungen nach fast einem halben Jahr als Programmchef von Radioeins. Skuppin hat aufgelegt. Es kann losgehen.

taz: Herr Skuppin, Sie haben eine steile Karriere hinter sich: vom Putzmann im damaligen SFB-Funkhaus an der Masurenallee bis zum Wellenchef von Radioeins vom Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB).

Robert Skuppin: Danke, das ist aber sehr zugespitzt. Ich habe zwar geputzt beim SFB, aber nur, um mein Studium zu finanzieren. Und damit ich hinterher an die Uni gehen konnte, eben morgens von 5 bis 9 Uhr. Oder besser: von 5 bis 8 - die letzte Stunde haben wir uns in der Cafeteria versteckt und gefrühstückt. Wir hielten das für unser gutes Recht, weil der Job so hundsmäßig schlecht bezahlt war. Der Vorteil für meinen späteren Job als Aufnahmeleiter bei Radio 4U …

Robert Skuppin

Robert Skuppin, 47, geboren in Cham im Bayerischen Wald, ist seit Juni Wellenchef von Radioeins, das er mit Gründungschef Helmut Lehnert entwickelt hat und das am 29. August 1997 auf Sendung ging.

Mitte der 80er war Skuppin zum Studium (Publizistik, Politologie und Geschichte) nach Berlin gezogen - zunächst an die Neuköllner Pannierstraße, wo es damals noch eher von Ratten wimmelte als von Bars. 1988 begann er seine journalistische Laufbahn als Nachrichtenredakteur bei Radio 100. Später war er freier Mitarbeiter und Redakteur bei Radio 4U (SFB) und Radio Fritz (ORB/RBB), wo er Volker Wieprecht kennen lernte und dessen Komoderator bei den "Radiofritzen" wurde.

Nach dem Wechsel zu Radioeins konzipierte und präsentierte er mit Wieprecht die Sendung "Der schöne Morgen" und hat mit ihm zudem mehr als zehn Jahre "Der Tag" und "Die schöne Woche" moderiert. Skuppin lehrte an der Bauhausuniversität Weimar und ist Autor mehrerer Bücher (u. a. "Lexikon der verschwundenen Dinge").

der kurzlebigen Jugendwelle des SFB …

… war aber, dass ich das Gebäude extrem gut kannte und mich nicht verlaufen habe wie sonst jeder am Anfang. Und klar ist es manchmal komisch, in einen Raum reinzukommen und einen Flashback zu haben. Im heutigen Büro von Claudia Nothelle, der rbb-Programmdirektorin, etwa hat meine Vorarbeiterin Frau Lüdermann 1987 die Kehrschaufel auf den Tisch gedonnert und gesagt: "Jetzt roochen wir erst mal eene." Darüber muss ich manchmal schmunzeln, wenn ich da sitze, weil ich mir damals immer ausgemalt habe, was in dem Raum für Sitzungen stattfinden.

Haben Sie damals wie Gerhard Schröder vorm Kanzleramt "Ich will hier rein" gerufen?

Das ging mir eher bei den Hörfunkstudios mit all den Reglern so. Da dachte ich mir: Das wäre toll, die mal bedienen zu können. Karriere in der Verwaltung wollte ich eigentlich nie machen. Auch weil ich gesehen habe, was das für ein harter Job sein muss.

Woran?

An den Flaschenbergen, die wir auf den Toiletten gefunden haben. Die hatten damals ein schweres Alkoholproblem, das gibts mittlerweile zum Glück nicht mehr in der Form.

Ist das Schnaps da hinten?

Nee, eine Duftlampe.

Und daneben eine Flasche Wein.

Die man mir zum Amtsantritt geschenkt hat. Die Duftlampe brauche ich, weil in diesem Raum so lange geraucht wurde und der das sehr tief in sich aufgesogen hat. Wir haben den Raum dreimal gestrichen, eine Grundreinigung gemacht, aber es hängt immer noch drin.

Frühes Aufstehen waren Sie demnach gewöhnt, als Sie 1994 mit Volker Wieprecht zusammen die Morningshow bei Radio Fritz angefangen haben?

Ich verstehe bis heute nicht, warum ich als Langschläfer so viele Jobs hatte, für die man früh aufstehen musste: Das fing ja mit dem Zeitungen-Austragen als Schüler schon an.

Und wie klappte es später beim Frühdienst mit Wieprecht?

Am Anfang haben wir uns gestritten wie die Wahnsinnigen. Der damalige Chef von Fritz hat zum Beispiel mal sein Büro geräumt, damit wir uns darin anbrüllen konnten. Weil die Fenster offen standen, lag anderthalb Stunden die Arbeit im Sender nieder, alle standen betreten rum und hörten mit an, wie diese zwei Tiere mit hochroten Köpfen aufeinander losgingen.

Trotzdem wurden Sie zum Dreamteam, das von den Hörern gerade für seine liebevollen Frotzeleien geliebt wurde.

Unsere Auseinandersetzungen waren so persönlich, dass es nur zwei Möglichkeiten gab: Feindschaft oder Freundschaft. Bei uns haben die Streitereien die Freundschaft, die ja vor unserer Zusammenarbeit schon bestand, noch weiter vertieft. Sobald wir beide unsere Rolle gefunden hatten, wurden die Konflikte weniger. Anfangs war ich für Volker nicht mehr als ein Sidekick - was ich durch meine Verzagtheit aber auch begünstigt habe.

Nach mehr als 15 gemeinsamen Jahren bei Radio Fritz und Radioeins muss Volker Wieprecht nun alleine moderieren. Wie ist er auf Sie zu sprechen?

Sehr gut. In den letzten Jahren waren wir ja vor allem beruflich zusammen und haben uns kaum noch private Fragen gestellt. Jetzt kann unsere Freundschaft wieder Fuß fassen. Vor Kurzem waren wir endlich mal wieder in Ruhe was trinken. Um 19 Uhr haben wir uns getroffen und sind um zwei Uhr auseinandergegangen. Am nächsten Tag hatten wir beide Schwierigkeiten, uns zu erinnern, wie wir nach Hause gekommen sind. Das war ein sehr, sehr lustiger Abend, so wie ganz früher. Die Entzerrung hat uns extrem gut getan. Aber wir freuen uns natürlich auch schon darauf, immer mal wieder zusammen zu moderieren - zum Beispiel "Die Krippenshow" an Heiligabend [24. Dezember, 14 bis 17 Uhr, auf Radioeins].

Wieprecht hat Ihnen zum Abschied angeboten, dass Sie bei ihm abschreiben dürfen, wenn Sie mal nicht weiterwissen in Ihrer neuen Funktion als Wellenchef von Radioeins. Sind Sie schon mal darauf zurückgekommen? Berät er Sie?

Volker ist so Berater, wie man mit einem Freund über Probleme, aber auch Erfolge bei der Arbeit redet. Und natürlich sagt er mir seine Meinung, wenn wir hier Veränderungen vornehmen. Seine Meinung ist mir sehr wichtig, weil ich weiß, dass er Ahnung hat. Deswegen möchte ich, dass Volker bei Radioeins noch mehr Verantwortung übernimmt. Er wollte früher mal Lehrer werden, und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er unsere jüngeren Kräfte zu Moderatoren ausbildet.

Den Aufbau junger Talente haben Sie sich auf die Fahne geschrieben, genauso wie bei Radioeins wieder stärker zu experimentieren.

Wobei die Experimente weniger on air stattfinden sollen als bisher. Das verunsichert den Hörer und ist auch den jungen Kollegen gegenüber unfair. Der Aufbau von Talenten gehört zu den wichtigsten Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Aber wir brauchen Schutzräume, in denen wir sie in Ruhe entwickeln können, in denen sie lernen können, mit anfangs niederschmetternder Kritik umzugehen. Ich weiß, wovon ich rede. Leute einfach mal so ans Mikro zu setzen - diese Form von Experiment akzeptieren die Hörer heute nicht mehr. Deswegen setzen wir im Tagesprogramm auf gestandene Kollegen wie Volker Wieprecht, Stephan Karkowsky, Anja Goerz und Neuzugang Silke Super. Kontinuität und Zuverlässigkeit sind mir da sehr wichtig - und den Hörern auch. Da ist eine Community entstanden, für die unsere Moderatoren eine außerordentliche Bedeutung haben und die für uns auch sehr wichtig ist.

Seit fast sechs Monaten sind Sie nun Programmchef von Radioeins. Wann hat sich Chefsein bisher am besten angefühlt?

Bisher war jeder Tag ein Fest (lacht).

Genau. Und jetzt die ehrliche Antwort.

Es gab viele schöne Momente, viele schöne erste Male. Aber kein Tag war so exponiert außerordentlich großartig, dass er sich eingebrannt hätte.

Aber man kann festhalten, dass die Radioeins-Mitarbeiter sich gefreut haben?

Ja, das stimmt. Jetzt lesen die das und fragen: Was?! Warum behauptet er das? Es haben sich welche gefreut, es haben sich vielleicht auch viele gefreut. Es haben sich aber sicher nicht alle gefreut. Nur in Diktaturen freuen sich alle über den neuen Chef.

Und wie oft haben Sie Ihre Entscheidung verflucht und Volker Wieprecht angebettelt, Sie zurückzunehmen?

Schon besser, die Frage. Insgesamt muss man sagen, dass ich den Druck der Verantwortung ein bisschen unterschätzt habe. Das kannte ich als Moderator so nicht. Das war zwar auch stressig und manchmal bitter, wenn man alles gegeben hat und nach der Sendung eine Mail kam: "Boah, so was Peinliches habe ich lange nicht mehr gehört." Verletzt hat mich besonders, dass Einzelne mir unterstellt haben, ich hätte die Programmreform nur benutzt, um mich selbst zu verwirklichen. Das fand ich ungerecht, weil es sehr weit weg ist von meiner tatsächlichen Motivation.

Was war denn der tatsächliche Leitgedanke der Programmreform?

Die Maßgabe war es, die Innovationskraft von Radioeins wieder herzustellen. Wir wollten wieder modern klingen. So viel mussten wir allerdings gar nicht ändern: Wir haben ein neues Soundlayout, die Stundenuhr ein wenig verändert, um den monolithischen Block aus Werbung, Nachrichten und Service aufzubrechen, und auch von ein paar Rubriken haben wir uns getrennt.

Unter anderem von Namensforscher Professor Udolph, dem DVD-Tipp und Ihrem Fernsehkritiker Bernd Gäbler.

Ich würde lieber sagen, was neu dazugekommen ist. Die Musiktextanalyse "Tancks Texte" etwa oder die "Kantine", wo wir Mittagsrestaurants kurz vorstellen. Wir sitzen noch an ganz vielen weiteren Formaten, die wir mit den vorhandenen vergleichen: Was ist besser, was eher nicht? Und was nicht funktioniert, wird auch nicht gesendet. Ich möchte, dass Radioeins polarisiert, kritisch ist, auch politisch. Also muss ich es aushalten, wenn das Programm nicht allen gefällt.

Sie wollen also zurück zum Anspruch von Helmut Lehnert, ein Programm mit "Tiefgang, Haltung und Stil" zu machen?

Hat er das gesagt? Unterschreibe ich sofort! Und um diesen Kern immer wieder neu aufzuladen, müssen wir uns verändern. Das funktioniert nicht mit betagten Formaten.

Es klingt durch, dass die Amtszeit Ihres Vorgängers eher für Stillstand steht.

Florian Barckhausen hat Radioeins mit ruhiger Hand geführt. Das hat etwas für sich: keine übereilten Veränderungen, alles gut vorbereitet. In seine Zeit fallen auch die Neuentwicklungen "Die Sonntagsfahrer" und "Eine Stunde Zeit"- eine Kooperation mit der Wochenzeitung Die Zeit. Es ist also nicht so, dass da gar nichts passiert wäre.

Stimmt es eigentlich, dass Sie schon 2005 Radioeins-Chef werden wollten, dann aber Barckhausen den Job bekommen hat?

Ja, Helmut Lehnert hat mich gefragt, und ich hätte mir das auch damals schon vorstellen können. Denn ich finde: Radioeins ist das beste Radioprogramm.

Weltweit?

Von all den Programmen, die ich weltweit kenne: Ja. Aber ich kenne halt längst nicht alle.

Der Markt in Berlin und Brandenburg ist sehr eng. Wie intensiv beobachten Sie Ihre Konkurrenz?

Natürlich stehen wir in Konkurrenz zu regionalen Mitbewerbern. Aber ich glaube, dass wir schon sehr speziell positioniert sind. Von all den Sendern in der Region kommt uns Flux FM am nächsten, und deswegen schaue ich da am genauesten hin. Flux FM hat den großen Vorteil, dass die als kleiner Sender sehr spitz in den Markt reingehen können und dass sie - wenn überhaupt einem Sender - dann uns Hörer abnehmen. Selbst wenn es wenige sind: Das tut uns natürlich weh. Auf der anderen Seite werden unsere Konkurrenten früher oder später damit zu kämpfen haben, dass ihre Hörerschaft immer heterogener wird. Das steigert deren Unruhe. Und beruhigt mich. Es gibt schon die ersten Hörerinnen und Hörer, die wir mal an die Kollegen verloren hatten und die jetzt zurückkommen, weil ihnen da plötzlich zu viel Werbung läuft oder die falsche Musik.

Wie muss zeitgemäßes Radio klingen?

Zeitgemäß.

Okay, anders: Inwiefern sollte sich das Radio von heute von dem vor 20 Jahren unterscheiden?

Auf der IFA musste ich neben anderen Rednern einen Vortrag halten über die Zukunft des Radios in Abgrenzung zu Musikdatenbanken im Internet. Das war eine reine Diskussion über Technik, darüber, wie Technik Radio verändert und ob das dann eigentlich immer noch Radio ist. Ich saß da und dachte: Ich kenne niemanden, der Radio hört, nur weil man das jetzt digital empfangen kann oder als App. Das Verkaufsargument sind doch die Inhalte und nichts anderes. So gesehen stimmt es, dass die Zukunft des Radios in seiner Vergangenheit liegt - das hat übrigens auch Helmut Lehnert gesagt. Es sind nämlich immer noch die Inhalte, die Geschichten, die Leute ans Radio binden. Und für die müssen wir immer wieder ein zeitgemäßes Gewand finden.

Vor Ihrem Studium haben Sie ein Praktikum in der Parlamentsredaktion der taz in Bonn gemacht. Hat Sie das für den Printjournalismus verdorben?

Ausgemacht waren mindestens sechs Wochen. Dann wollte mich allerdings schon am vierten Tag der damalige Parlamentskorrespondent sprechen. Er eröffnete mir, dass sich die taz in einem vorrevolutionären Prozess befindet und er daher nicht die Möglichkeit sieht, auch noch Journalisten für das System der Bundesrepublik auszubilden. Die taz bräuchte Profis, die ihr publizistisches Handwerk bereits gelernt haben, um in diesen gesellschaftlichen Konflikten … - ich dachte nur: Was für ein armer Löffel! Seitdem habe ich von ihm nichts mehr gehört.

Er hat Sie also rausgeschmissen?

Genau. Und die beiden Kolleginnen, die mich immer zu den Pressekonferenzen mitgenommen und mir Grundbegriffe des Journalismus nahe zu bringen versucht hatten, haben sich entschuldigt, mir alle möglichen Bücher aus der taz-Bibliothek geschenkt, aber gesagt, sie können leider nichts daran ändern. Nach so vielen Jahren habe ich das vielleicht auch ungerecht verzerrt - aber so kann man doch nicht mit engagierten Nachwuchskräften umgehen!

Also hat Sie das gescheiterte Praktikum in der taz tatsächlich für den Printjournalismus verdorben?

Nö, das hat sich dann nur einfach nicht mehr ergeben. Das Tolle am Radio ist für mich diese Unmittelbarkeit, diese Geschwindigkeit. Da kann weder der Printjournalismus mithalten noch das Fernsehen.

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