Prozess gegen Rote Khmer in Kambodscha: "Massenlager für Sklaven"
Im Sondertribunal gegen drei ranghohe Exfunktionäre der Roten Khmer haben die Eröffnungplädoyers begonnen. Die Vorwürfe: Völkermord und Kriegsverbrechen.
BANGKOK taz | Im Prozess gegen drei ehemals führende Köpfe des Regimes der Roten Khmer haben am Montag die Eröffnungsplädoyers begonnen: Der UN-gestützte Gerichtshof hat den früheren Chefideologen Nuon Chea, Exstaatschef Khieu Samphan sowie Exaußenminister Ieng Sary wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen angeklagt.
Den Auftakt zu den viertägigen Plädoyers machte die kambodschanische Ko-Anklägerin Chea Leang: Die Roten Khmer hätten das Land in ein Massenlager für Sklaven verwandelt, sagte sie. Die greisen Angeklagten, heute 80 bis 86 Jahre alt, weisen alle Vorwürfe von sich.
Vor Gericht fehlte Exsozialministerin Ieng Thirith. Die 79-jährige Ehefrau von Ieng Sary war vor wenigen Tagen wegen Demenz für prozessunfähig erklärt worden. Zugleich wurde ihre Freilassung angeordnet. Doch die Staatsanwalt legte Einspruch ein. Bis darüber entschieden ist, muss sie in Haft bleiben.
Seit das Tribunal 2006 offiziell begann, wurde mit dem Exfolterchef Kaing Khek Iev alias "Duch" erst ein einziger Exführer des Rote-Khmer-Regimes zur Verantwortung gezogen: Im Juli 2010 wurde er zu 30 Jahren Haft verurteilt. Doch weil "Duch" schon Jahre vor der Anklageerhebung in Haft war und mit dem Tribunal kooperierte, muss er nur 19 Jahre absitzen. Opferverbände hatten auf dieses erste Urteil enttäuscht reagiert. Kurz danach legten sowohl die Anklage als auch "Duch" selbst Berufung dagegen ein. Eine Entscheidung soll im Februar 2012 fallen.
Heftige Zerwürnisse
Zudem häuften sich Vorwürfe politischer Einflussnahme durch die Regierung in Phnom Penh. Vor Monaten kam es über die Frage, den Täterkreis über die bis dato fünf Angeklagten hinaus zu erweitern, zu heftigen Zerwürfnissen: Sowohl Ko-Ankläger Andrew Cayley als auch Prozessbeobachter und Menschenrechtler warfen dem deutschen Untersuchungsrichter Siegfried Blunk und dessen kambodschanischem Kollegen vor, sie hätten Ermittlungen über weitere mutmaßliche Täter nur unzureichend durchgeführt.
Blunk, der damals noch bestritt, dass er und sein Kollege sich Manipulationen von außen gebeugt hätten, ist im Oktober zurückgetreten. Er reagierte damit auf von ihm selbst als "Einmischungen" bezeichnete Äußerungen hochrangiger kambodschanischer Regierungsvertreter.
Mittlerweile hat manches Opfer die Nase voll: Die Anwältin Theary Seng, deren Eltern umgekamen und die als erste Nebenklägerin bei dem Tribunal zugelassen wurde, bezeichnete dieses inzwischen als Farce.
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