STEFAN REINECKE ZU STEINBRÜCKS NEUESTEM BRAVOURSTÜCK: Unser Beppo, nur weniger lustig
Peer Steinbrück hat Silvio Berlusconi und Beppo Grillo, die in Italien von 55 Prozent der Stimmen gewählt wurden, als Clowns bezeichnet. Er hat die beiden auch Populisten genannt. Daran hätte niemand Anstoß genommen. Aber Clowns sind etwas anderes. Clowns muss man nicht ernst nehmen, Populisten schon.
Verständlicherweise hat Staatspräsident Georgio Napolitano ein angesetztes Treffen mit Steinbrück abgesagt. Napolitano, früher Kommunist, ist eine der wenigen allseits respektierten Figuren in dem zerfallenen politischen System in Italien. Eine Retourkutsche von Berlusconi hätte Steinbrück genutzt – Napolitanos Nein ist peinlich.
Was zeigt uns diese Affäre? Die Rot-Grün gewogenen Medien und das Willy-Brandt-Haus können fortan alle pädagogischen Bemühungen und Ermahnungen einstellen, die dem Kanzlerkandidaten Benimm beibiegen sollen. Sie sind überflüssig.
Steinbrück ist, wie er ist, und als solcher kein Freund des zweiten Gedankens. Vielleicht kann er nicht anders. Vielleicht hält er es für nutzlos, nach all dem zerschlagenen Porzellan, das am Weg seiner Kandidatur schon jetzt aufgetürmt ist, noch in die Rolle des seriösen Staatsmanns zu schlüpfen. Also weiter so.
In Potsdam, wo Steinbrücks Clowns-Äußerung fiel, wurde „Klartext mit Peer Steinbrück“ versprochen – und gehalten. Der SPD-Mann inszenierte sich dort als hemdsärmeliger Typ, der versteht, dass den Bürgern das übliche Drumherumgerede der Politiker auf den Wecker fällt.
Klartext reden, ein bisschen gegen die politische Klasse sticheln, aufs Diplomatische pfeifen und populistisch über andere herziehen – das ist das Rezept.
Vielleicht wird Steinbrück unser Beppe Grillo, die teutonischere, ernstere, weniger lustige Ausgabe der politischen Krawallschachtel. Grillos Partei bekam 25,6 Prozent. Für die SPD wäre das im Herbst mit diesem Kandidaten ein schönes Ergebnis.
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