piwik no script img

Bionade im freien FallFlüssige Tiefkühlpizza

Einst war die Bionade Ökovorzeigemarke und Trendgetränk. Heute ist sie ein Problemfall, die Absatzzahlen sind eingebrochen. Die Gründe dafür sind hausgemacht.

An schlechtem Marketing gescheitert? Bionade geht der Saft aus. Bild: dpa

Wer lernen will, wie ein Unternehmen sich selbst zerstören kann, muss sich den Fall Bionade anschauen: Seit 2007 hat der Öko-Limonadenhersteller nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zwei Drittel seines Absatzes eingebüßt. In diesem Jahr verkauft Bionade voraussichtlich nur noch 60 Millionen Flaschen.

Unternehmenssprecherin Nicola Schuldt-Baumgart sagt der taz dazu, dass sie "Gerüchte nicht kommentieren möchte". Aber sie dementiert die Zahlen auch nicht. Und in Branchenkreisen erzählt man sich schon lange, dass Bionade dauerhaft viel schlechter als die Konkurrenz dasteht und sich im freien Fall befindet. Die fatalen Absatzzahlen scheinen also zu stimmen.

Schuld daran hat Bionade selbst. Auf dem Absatzhöhepunkt 2007 hatte Bionade das Image des kleiner Newcomers, an dem die Kunden schätzten, dass er alle seine Agrarrohstoffe aus umweltfreundlicher Biolandwirtschaft bezieht. In seiner Werbung spielte Bionade mit dem "David gegen Goliath"-Thema. Im Sommer 2008 erhöhte die Firma dann die Preise um satte 30 Prozent und sprach von einem "Premiumaufschlag".

Vielen Bionade-Fans war die Ökolimo jetzt nicht nur zu teuer. Sie fühlten sich ob so dreisten Marketinggelabers auch auf den Arm genommen. Zu diesem Glaubwürdigkeitsverlust kamen Konkurrenten, die sich ähnlich leicht und manchmal sogar bio präsentierten wie das Original. Prompt verkaufte Bionade 2008 nur noch halb so viel Flaschen wie im Jahr davor.

David wird Teil von Goliath

Vielleicht hätten sich die Wogen wieder geglättet. Doch 2009 verkaufte der Mineralwasserabfüller Rhönsprudel seinen 51-Prozent-Anteil an Bionade an den Lebensmittelkonzern Dr. August Oetker - bekannt zum Beispiel für seine konventionellen Tiefkühlpizzen. Inzwischen hält Oetker sogar 70 Prozent.

"Damit hat Bionade die Authentizität seiner Marke wirklich verspielt", urteilt Paul Werner Hildebrand, Geschäftsführer der Werbeagentur organic Marken-Kommunikation, die sich auf "grüne" Unternehmen spezialisiert hat. Denn bei Oetker hapere es wie bei fast allen großen Lebensmittelkonzernen an der Glaubwürdigkeit: So fällt die Branche immer wieder dadurch auf, dass sie bei der Nährtwertkennzeichnung von Lebensmitteln trickst, um etwa Zucker- und Fettbomben als gesunde Vitaminspender zu verkaufen.

So wurde aus David ein Teil Goliaths und das hatte Folgen: Mittlerweile gibt es Bionade zwar an jeder Tankstelle, aber viele Ökoläden ersetzen die Brause durch unabhängige Marken wie etwa Lemonaid.

Anfang des Jahres löste Bionade auch noch eine Protestwelle in Blogs und sozialen Netzwerken aus: Das Unternehmen musste zugeben, das jahrelange Sponsoring für ein Konzert gegen Gentechnik im Rahmen einer Demonstration für eine ökologischere Landwirtschaft einzustellen. Es distanzierte sich sogar von den Zielen der Veranstaltung. Bionade-Chef Peter Kowalsky entschuldigte sich später - die Demo in Berlin sponserte er dennoch nicht.

Und das ist auch im Januar 2012 so. "Wir haben ein Sponsoring angefragt. Bionade hat freundlichst abgesagt", erzählt Organisator Jochen Fritz der taz. Die Firma bestätigt das. Dieses Mal sei Fritz aber nicht böse auf die Kowalsky-Leute, denn in einem Schreiben hätten sie sich ausdrücklich hinter die Ziele der Demo gestellt. Sie würden ja auch ein Bio-Landbau-Projekt in der Rhön unterstützen. Das allerdings schon seit Jahren, und so bleibt es dabei: Bionade wahrt die Distanz zur politischen Anti-Agrarindustrie-Bewegung - und demontiert so sein Image als Alternativlimonade weiter nach Kräften.

Wie lässt sich die Marke retten? "Die müssen die komplette Kehrtwende machen. Oetker muss aussteigen", rät Werbefachmann Hildebrand. "Aber die Frage ist, ob es nicht schon zu spät ist."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

32 Kommentare

 / 
  • B
    Bionadeschnecke

    @ yadgar :

     

    Wozu der Aufwand ?

     

    Es reicht völlig BIER von der dt. Fußballscene bewerben zu lassen. Geldgier, Rechtsextremismus, Homophobie, Geringbildung und der Drang etwas wehrloses zu treten sind da schon Tradition.

  • Y
    Yadgar

    Vielleicht sollte man mal als Kontrastprogramm das definitive Anti-Gutmenschen-Getränk kreieren, Zielgruppe rechtspopulistische Welt-Online-Kommentarspalten-Arschlöcher... also, es müsste auf jeden Fall aus den USA kommen, vorzugsweise von Coca-Cola, es müsste extrem zucker- und fetthaltig, alkoholisch und am besten auch noch radioaktiv sein ("Three Mile Island Sunrise - mit echtem Reaktorplutonium!"), hergestellt werden müsste es in Fabriken mit zertifizierten KZ-Bedingungen, und es sollten auch Spuren von zu Tode geschundenen Arbeitern in ihm nachweisbar sein.

     

    Die Werbekampagne sollte zu schmalzigem Country-Gegniedel (oder auch krrrrrruppstahlharrrrrrt daherrrrrknüppelnderrrrrr Marrrrrrrschmusik!) archetypische Anti-Gutmenschen als Konsumenten zeigen, also fette Bible-Belt-Rednecks in noch fetteren SUVs, Burschenschafter beim Kommers, PI-Gruppentreffen, Tea-Party-Aktivisten oder ein Anders-Breivik-Double, wie es gerade bis an die Zähne bewaffnet und mit gut sichtbarer Erektion durch Neukölln rennt und "Musels" abknallt, um nach dem anstrengenden Massaker mit einer Flasche "Three Mile Island Sunrise" zu entspannen (anschließendes Rülpsen nicht vergessen)!

     

    Ob sich so etwas besser verkaufen würde als Bionade?

  • J
    Josefine

    Typisch! Anstatt sich darüber zu freuen, daß es jetzt fast überall ein Bio-Getränk zu kaufen gibt, das auch noch schmeckt, wird sich über die Firma beklagt. Das sie ihre Vertriebswege ausbaut und somit mehr Leute dazu kriegen kann, bio zu trinken, wird als Verrat als der eingeschworenen Gemeinschaft gesehen. Diese “etwas ist nur gut, wenn es dem kleinen aber erlesenen/erleuchteten Kreis der Bioladenkunden vorbehalten ist”-Mentalität finde ich a) kurzsichtig (ist doch gut, wenn bio von der breiten Masse getrunken wird!) und b) arrogant.

  • T
    Tom

    Recht so das der Bionade-Absatz eingebrochen ist denn wer will schon ein Getränk in Plastikflaschen kaufen und trinken???

  • DH
    Daniel Helfrich

    Viel Spass :-)

    Bionade-Schade

    http://www.youtube.com/watch?v=dbUdmeQRwss

  • U
    unbeteiligt

    wer wird das ganze wieder ausbaden müssen?

    es sind die Bauern die sich verpflichtet haben holunder für bionade anzubauen, denn sie werden keinen vernünftigen Preis dafür bekommen, weil totaler holunderüberschuß besteht.

  • U
    unbeteiligt

    wer wird das ganze wieder ausbaden müssen?

    es sind die Bauern die sich verpflichtet haben holunder für bionade anzubauen, denn sie werden keinen vernünftigen Preis dafür bekommen, weil totaler holunderüberschuß besteht.

  • F
    Frutz

    @Bea

     

    Orangen und Zitronen sind momentan wohl kaum Saisongemüse! Jedenfalls sicher nicht regionales. Die müssen von weit her importiert werden! Deinen ökologischen Fußabdruck möchte ich nicht haben. Meine Limonade wird aus Äpfeln und Honig oder aus Pilzen und Moos gemacht und schmeckt auch gut, etwas herber vielleicht!

  • U
    uuu

    Ich mag die Kräuter-Bionade, die andern nicht so. Der Verfall kommt vielleicht auch durch den Begriff "Bionade-Biedermeyer", denn ähnlich wie beim Hipster will das niemand sein, schon gar nicht die, die das offensichtlich sind. Daher meidet man vielleicht die Flaschen in der Öffentlichkeit. Das Anspruchsdenken auf Förderung durch Bionade finde ich aber auch kurios - als ob man dadurch Glaubwürdigkeit verkaufen/erwerben könnte.

  • E
    EnzoAduro

    Lustig nur die Emotionale Bindung vieler Leute zu diesem Produkt. Ist das nicht totaler Konsumkram. Irgenwie was besseres sein, wie bei Apple.

    Da kann man sich dann auch ein Porsche kaufen. Der ist wenigstens messbar besser.

  • G
    grafinger

    PS: Danke, dass Ihr meinen ersten Kommentar "gekürzt" habt. Sieht so aus als ob der Jost keine kritische Stimme zu seiner journalistischen Universalkompetenz hören will.

    Wenn er nur noch das Gelaber von Claqueuren lesen will solltet Ihr die Kommentarfunktion ganz sperren.

  • G
    grafinger

    Ach Herrje, "grassroots", im Gegensatz zu Dir kenne ich die Getränkebranche recht gut. Die Bielefelder haben schon mit "Brau und Brunnen" bewiesen, dass sie ihren Töchtern freie Hand lassen. Überdies, Du würdest Dich wundern welche "authentischen" Getränke zu welchen Großkonzernen gehören.

    Selbst wenn eine Marke "nachhaltig und glaubwürdig" (sic!) sein sollte, die Grundstoffe kommen von einem der großen Hersteller wie Döhler, Symrise, Bell oder Wild. Gemischt und abgefüllt wird dann bei einem der auch nicht gerade kleinen Lohnabfüller und die Logistik übernimmt Seifert, Kühne und Nagel oder Danzas. Die Marge die der Marke selbst noch bleibt ist lächerlich.

    Sorry, aber wer an die in der Waschküche entwickelte, zusammengebraute und abgefüllte Limo glaubt die mit dem Leiterwagen herumgekarrt wird, der glaubt wirklich an den Colamann in Rot.

    Wenn Du wirklich etwas Gutes tun willst dann steig um auf das Bier der Kleinbrauerei in Deiner Nähe.

  • B
    bea

    2-3 Zitronen (Orangen) auspressen, 1l-Leitungswasser (mit oder ohne Sprudel) drauf, evtl. etwas Zucker.....das ist echte Limonade!!!

  • EP
    Entwicklungshilfe P'Berg

    Aufgrund der nun drohenden Dürrekatastrophe im Prenzlauer Berg suchen wir dringend drei Entwicklungshelfer mit Erfahrung im Bereich Dinkel-/Crannberrybrunnenbohren zur sofortigen Anstellung.

     

    SCNR

  • G
    grassroots

    @ grafinger: "Die Bionade ist überdies nicht im "Dr. Oetker" Portefolio sondern gehört zur unabhängig wirtschaftenden Getränketochter Radeberger."

     

    Glaubst Du auch noch an den Weihnachtsmann?

     

    Ich hoffe dieser Warnschuss wird von der gesamten Branche gehört:

    Die Zeiten für unbeschränkes, gnadenlos kapitalistisches Wachstum sind vorbei.

    Greenwashing funktioniert auf Dauer nicht.

    Nur wer langsam, vernünftig, nachhaltig und glaubwürdig - also tatsächlich ehrlich - wirtschaftet wird sich auf Dauer etablieren.

     

    Das Schlimmste an der ganze Geschichte ist, dass die Gründerfamilien mit dem Oetker-Deal sicher ihre Schäfchen in Millionenform ins Trockene gebracht haben. Doch der Schuss, der nun nach hinten los ging, wird vielen Mitarbeitern, die an die Sache geglaubt haben, den Job kosten.

     

    Diese sch*** Gier kotzt einfach nur an.

  • RB
    Robin B.

    Mir hat's sowieso noch nie geschmeckt...

    Also who cares?

  • MR
    Marika Rübel

    Lieber TAZ,

    was soll uns dieser Artikel sagen? Organisatoren einer Veranstaltung sind sauer, weil sie keine Freiware bekommen haben. Und das schon zum zweiten Mal. Und deshalb wird nun mit aller Gewalt ein Haar in der Limo gesucht?

  • N
    Nick

    erschwerend hinzu kommt dass sie echt scheisse schmeckt.

  • HR
    HP Remmler

    Das freut mich zu lesen. Dann hat mein Boykott seit der erwähnten Preiserhöhung, die ja ausschließlich mit "Weil wir uns das wert sind" begründet wurde, ja vielleicht doch mal was gebracht.

  • S
    sharken

    als grösster anteilseigner der gentech-saatgutfirma KWS SAAT ist oetker für mich unglaubwürdig, wenn es um bio geht. ich brauch auch keine bionade oder wagner pizza, es gibt auch echte bioprodukte ohne aromazusätze.

  • R
    RedHead

    Oh ja. Es war ja so ökologisch, diese Limonade in 0,3l-Flaschen zu füllen, durch die Gegend zu karren und im Einzelhandel den Yuppies zu verkaufen, damit die sich damit ein reines ökologisches Gewissen antrinken konnten, dass ich mich als Leitungswasser trinkende Umweltsau richtig dafür geschämt habe.

    Es gab einen Hype, aber da Bionade nunmal auch sch... schmeckt, konnte der nicht lange anhalten. Irgendwann war es halt mainstream und damit nicht mehr geeignet, dass sich irgendwelche Leute damit als etwas besseres gegenüber ihren Mitmenschen profilieren konnten. Ohne den Statussymbol-Charakter wollte das plötzlich keiner mehr trinken. Wo ist da jetzt eigentlich das Problem? Die pseudoökologischen Yuppies werden schon etwas anderes finden, um sich irgendwie abzugrenzen und ich werde sie vermutlich weiterhin dafür belächeln, damit sind am Ende alle zufrieden.

  • B
    Bernd

    So merke ich mir BIONADE: BI für Bielefeld, O für Oetker und NADE für Natur ade.

  • JG
    Juan Gosch

    Ökovorzeigemarke und Trendgetränk? Übertreibt doch nicht es. Leckeres Getränk und abwechslungsreichen Sorten. Nicht weniger, aber auch nicht mehr!

  • G
    grafinger

    Das unterschwellig angepriesene "Lemonaid" kommt zusammen mit "CharyTea" dieses Jahr vielleicht! auf 1,5 mio Füllungen, also höchstens 1/40 der Bionade.

    Die Bionade ist überdies nicht im "Dr. Oetker" Portefolio sondern gehört zur unabhängig wirtschaftenden Getränketochter Radeberger.

    Wer wirklich den Grund für die sinkenden Verkaufszahlen wissen will sollte einmal bei Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Produktzyklus) nachlesen.

  • V
    vic

    Wär ja auch zu schön gewesen; auch diese Schwalbe machte keinen Sommer. Die Welt ist halt doch schlecht.

  • DW
    Daniel Walter

    In der Bundesrepublik Deutschland ist es gelungen, zweiseitig zu verwendendes Toilettenpapier herzustellen.

    Der Vorteil liegt klar auf der Hand!

  • SK
    Sibille Kuttig

    Es ist vermessen, blauäugig und weltfremd zu glauben, ein Unternehmen mit "grünen" Produkten muss nun alles sponsern, was ebenso grün ist.

    Typisch - sorry für den Ausdruck - Ökos! Da habt ihr etwas, was Erfolg hat. Bei Massen! Und was macht ihr? Ihr hackt so lange drauf rum, bis es schlecht aussieht. Warum?!

  • E
    EnzoAduro

    Wenn es einen Gott gibt dann trifft das auch bald Apple-Computer und Mini-Autos.

  • MR
    Max Rubens

    Ich weiß nicht, was ich von dem Artikel halten soll. Bionade ist super lecker und seit Jahren immer wieder auf meiner Einkaufsliste. Die Alternativen, von Lemonaid bis Club Mate, schmecken einfach nicht. Und darauf kommts doch an - euch nicht?

  • P
    Piefke

    Ein Geschäftsmodell, das davon abhängig ist irgendwelche Festivals zu sponsorn war doch schon von vorneherein zum scheitern verurteilt. Auffällig ist, dass niemand jemals über den Geschmack von Bionade geschrieben hat. Ich trinke doch keine ideologie. Ich trinke was mir schmeckt. Scheinheilig sind doch vorallem die Verbraucher.

  • E
    emil

    ein gutes gefühl, dass es auch mal so kommt. fehlen nur noch ein paar firmen, die ebenfalls einknicken sollten!

  • M
    mensch

    Wieso soll die marke gerettet werden?

     

    Soll Oetker doch 100 % übernehmen und jemand anderes macht einfach eine neue "authentische Biomarke".

    Letztlich zeigt sich einfach, dass ein Großkonzern sein Portfolio nicht erfolgversprechend um ein Öko-Lifestyle-Produkt erweitern kann.

     

    Netter Versuch, aber Dr. Oetker wirds verkraften - und wir trinken halt was anderes...