Berliner SPD-Fraktion: Spandau führt die SPD
Raed Saleh setzt sich überraschend deutlich als Fraktionschef durch. In SPD-Kreisen wird aber spekuliert, inwieweit die Linke unter seiner Führung geschlossen bleibt.
Bis zuletzt galt der Ausgang der Kampfabstimmung als offen. Als die 47 Abgeordneten der SPD am Donnerstagvormittag zusammenkamen, um die Fraktionsspitze neu zu wählen, war das Ergebnis aber überraschend deutlich: 32 Stimmen entfielen auf den Spandauer Abgeordneten und Kreisvorsitzenden Raed Saleh. Der ebenfalls dem linken Flügel zugehörige Frank Zimmermann bekam 12 Stimmen. Die Neuwahl war nötig geworden, weil der bisherige Fraktionsvorsitzende Michael Müller als Senator für Stadtentwicklung in die Landesregierung wechselt.
Nach taz-Informationen bekam Saleh vor allem die Stimmen der konservativen "Mitte" und des ebenfalls konservativen "Aufbruchs", die zusammen auf 20 Stimmen kommen. Das bedeutet auch, dass die Parteilinke Saleh nur mit 12 Abgeordneten wählte. Tatsächlich aber stellt der linke Flügel in der SPD-Fraktion die Mehrheit. Nun wird in SPD-Kreisen darüber spekuliert, inwieweit die Linke unter der Führung des neuen Vorstands geschlossen bleibt - oder ob es künftig zwei linke Flügel geben wird.
Eine mögliche Aufsplitterung der Fraktion dürfte auch im Roten Rathaus mit Sorge beobachtet werden. Tatsächlich scheint mit der Wahl Salehs auch jener Kreis von Abgeordneten gestärkt zu sein, der Rot-Schwarz bis zum Schluss nur zähneknirschend mittrug.
Salehs Kreisverband in Spandau gilt in der SPD als traditionell links. Hier war auch einer der Kristallisationspunkte des Widerstands in der SPD gegen die Verlängerung der umstrittenen Stadtautobahn A 100. Mit der Fraktion könnte also ein neuer Machtfaktor entstehen - nicht unbedingt zur Freude des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD). Nach außen zeigte sich Wowereit aber mit der Personalentscheidung zufrieden. "Das Ergebnis ist positiv, weil es so eindeutig ist", sagte er.
Zu Stellvertretern Salehs wählte die Fraktion am Donnerstag die konservativen Abgeordneten Jörg Stroedter und Andreas Kugler sowie die Linken Ülker Radziwill, Susanne Kitschun und Clara West. Neuer Parlamentarischer Geschäftsführer wird der Pankower Abgeordnete Torsten Schneider.
Mit Raed Saleh nimmt nun - nach Sozialsenatorin Dilek Kolat - ein zweiter Migrant eine Führungsfunktion bei der Berliner SPD ein. Der 34-Jährige wurde im Westjordanland geboren und wuchs in Spandau auf. Bekannt wurde er unter anderem, als er als einer der Ersten nach den rassistischen Äußerungen Thilo Sarrazins dessen Rücktritt forderte. Der unterlegene Frank Zimmermann gilt im Gegensatz zu Saleh als eher bedächtig, aber auch ein wenig farblos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!