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Buback-ProzessBeugehaft für kranke Ex-RAF-Frau

Christa Eckes soll trotz Leukämie-Erkrankung für sechs Monate ins Gefängnis, weil sie nicht im Buback-Prozess aussagen will. Sie beruft sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht.

Ex-RAF-Mitglied Christa Eckes, aufgenommen 1976. Bild: dpa/Archiv

BERLIN taz | Die krebskranke Ex-RAF-Frau Christa Eckes soll Weihnachten in Beugehaft verbringen. Eine Ladung zum Haftantritt hat sie bereits erhalten. Jetzt hat ihr Anwalt Heinz-Jürgen Schneider Rechtsmittel eingelegt.

Die Beugehaft wurde von der Bundesanwaltschaft beantragt und am 1. Dezember vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart beschlossen. Eckes soll im Verfahren gegen Verena Becker aussagen. Becker ist wegen Beteiligung an der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback 1977 angeklagt. Vor drei Jahren soll sie sich mit Christa Eckes und anderen RAF-Angehörigen abgesprochen haben, keine Aussagen zu machen. Über diese Absprache soll Eckes jetzt als Zeugin befragt werden.

Doch Eckes will nicht aussagen. Die 60-Jährige beruft sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht, weil sie sich nicht selbst belasten will. Tatsächlich hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Buback-Verfahren bisher alle Anordnungen von Beugehaft gegen Ex-RAFler wieder aufgehoben. 2008 bewahrte der BGH Christian Klar, Brigitte Mohnhaupt und Knut Folkerts vor der Beugehaft, in diesem Sommer auch Siegfried Haag und Roland Mayer.

Anwalt hat Beschwerde eingelegt

Doch bei Eckes hofft das OLG auf einen anderen Ausgang, weil sie von 1974 bis 1981 inhaftiert war, also keine Strafverfolgung wegen der RAF-Anschläge von 1977 zu befürchten habe. Anwalt Schneider hat gegen die Anordnung der sechsmonatigen Beugehaft aber bereits Beschwerde beim BGH eingelegt.

Noch empörender findet er aber, dass Eckes ins Gefängnis soll, obwohl sie an Leukämie leidet und per Chemotherapie behandelt wird. Im vorgesehenen Haftkrankenhaus Hohenasperg sei keine ausreichende Behandlung möglich. Die Haftladung sei erfolgt, bevor die Haftfähigkeit von Eckes auch nur geprüft wurde. Deshalb hat Schneider beim OLG beantragt, die Vollstreckung der Beugehaft zumindest aufzuschieben.

Das OLG wird in den kommenden Tagen entscheiden. Ein Sprecher sagte, es sei üblich, dass über die Haftfähigkeit erst nach Aufforderung zum Haftantritt entschieden wird. Vermutlich muss Christa Eckes Weihnachten doch nicht im Gefängniskrankenhaus verbringen.

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14 Kommentare

 / 
  • NG
    Nichts gelernt

    Die Aufregung über die Beugehaft kann ich nicht nachvollziehen. Frau Eckes hat die Wahl, die Wahrheit auszusprechen oder nach rechtsstaatlichen Vorgaben zeitweise arrestiert zu werden.

    Wenn es ihr Lebenssinn ist, bis zum letzten Atemzug für eine MörderInnenbande einzustehen, ist ihr das unbenommen. Die Mitleidstour der armen, krebskranken Frau ist dann aber einfach nur widerlich. Das Mitleid gehört den von der RAF ermordeten und den Angehörigen dieser Mordopfer.

    Die Leserbriefaussagen, die eine Teilschuld bei den Mordopfern (z. B. wegen ihrer NS-Vergangenheit) sehen, erinnern mich sehr an den Zeitgeist der Nazizeit. Auch damals gab es genug Volksgenossen, die bei geschundenen Juden, Kommunisten oder Homosexuellen einen Schuldanteil an deren Leid sahen.

  • VG
    Volker Gajewski

    Ja und selbst, wenn sie grundsätzlich bereit wäre, auszusagen könnte sie ja ohnehin nichts tatsächlich relevantes zur Aufklärung des Buback-Attentats beitragen...da saß sie ja nun (und zwar schon lange vorher und auch lange danach) im Knast.

    Das nun ausgerechnet das den Vorwand geben soll ihr das Aussageverweigerungsrecht abzusprechen und die todkranke Frau, die eh schon über 15 Jahre im Gefängnis saß nun erneut wegzusperren ist nicht nur hochgradig zynisch, sondern auch ein Beleg dafür, daß der Geist von "Rachejustiz" weiter am Ruder ist.

  • TA
    Thomas aus dem Westen

    @Weiße Rose & @Peter Alexa

     

    ...sehr richtig, zum Glück sind hier auch einige besonnene

    Kommentarschreiber am Werke;

    schöne Grüße aus dem Westen der Republick

  • M
    Marla

    Es ist nicht zum Aushalten was für Kommentare da von

    Thomas, Johannes und Manus zu lesen sind.

    Warum tummelt ihr euch auf TAZ-Online?

    NSU und die RAF gleichzusetzen ist doch der Wahnsinn...

  • JB
    Johannes Böhm

    Ganz normale "deutsche Verhältnisse"...

    Bleibt zu hoffen, dass wenigstens der BGH die Relation der Mittel anders sieht.

  • PA
    Peter Alexa

    Liest man einige der Kommentare hier, hat man den Eindruck sie wären auf einem Veteranentreffen pensionierter Blockwarte zustande gekommen.

    Auch als überzeugter Aktivbürger sollte man in der Lage sein, zumindest Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen.

    In den 70er und 80er Jahren interessierte es Justiz und Ermittlungsbehörden einen Dreck, ob sie den einzelnen RAF Mitgliedern eine individuelle Tatbeteiligung nachweisen konnten, mit Hilfe des § 129a wurden sie summarisch abgeurteilt, Hauptsache es kam Lebenslänglich dabei heraus.

    Heute soll mit dem Mittel der Androhung von "Beugehaft" Aussagen zu Taten erpresst werden, für die die Betroffenen ihre meist langen Haftstrafen schon abgesessen haben. Diese Mischung aus justizieller Dämlichkeit und nachholender Rachsucht ist besonders widerlich, wenn die schwere und lebensbedrohliche Krankheit von Christa Eckes benutzt wird, um sie unter Druck zu setzen.

    Die Gnadenlosigkeit mit der die deutsche Justiz Linke und Revolutionäre verfolgt, hat ja eine lange Tradition und steht im umgekehrten Verhältnis, zu ihrer Blindheit gegenüber rechter Gewalttaten.160 Tote durch rechte Gewalt seit der sogenannten Wiedervereinigung, ein braunes Trio das fröhlich mordend durch die Lande zieht, eine Justiz und Ermittlungsbehörden, die in den letzten 20 Jahren hauptsächlich damit beschäftigt waren Linke und Nazi Gegner zu verfolgen und zu verurteilen, rechte V-Leute die durch ihre Komplizen vom Verfassungsschutz großzügig mit finanziellen Mitteln ausgestattet wurden und als Bonbon der Buback Prozess, in dem ehemalige RAF Mitglieder öffentlich vorgeführt werden und in dem die Justiz zeigen kann, dass sie doch zu etwas nütze ist. Deutsche Realität eben.

  • S
    Stefan

    Über eine krankheitsbedingte Haftverschonimg könnte man reden, wenn eine Krankheit NACH einer Tat/Verurteilung bekannt wird. Diese Frau jedoch trifft ihre Entscheidungen jetzt! Krankheit darf kein Freibrief sein.

  • TA
    Thomas aus dem Westen

    Was ich hier an Leserkommentaren sehe lässt mein Herz erschauern.

    Eine manipulierbare Masse über Fragen der Justiz entscheiden zu lassen wäre die reinste Barbarei,

    dann wären wir bald wieder bei Hexenverbrennungen und Progromen.

    Helmut Kohl musste nie einen Tag in Beugehaft verbringen, wegen eines angeblichen Versprechens gegenüber Schmiergeldzahlern, also eines Versprechens gegenüber von Kriminellen die seine Regierung gekauft haben. Was ist denn das für eine unheimliche Omerta.

    Wenn Frau Eckes im übrigen Mitglied der NSU gewesen wäre, dann bleibt zu bezweifeln, dass deutsche Behörden bis heute Notiz von ihr genommen hätten.

    Falls sie es doch getan hätten, dann wahrscheinlich nur um ihre Aktivitäten mit reichlich V-Mannkohle finanziell ab zu sichern.

  • WR
    Weiße Rose

    Wer sich in unserem geliebten Deutschland an einem Ex-NSDAP Mitglied wie Buback oder gar an einem Ex-SS-Mitglied wie Schleyer zu schaffen macht, kann doch wohl nicht auf den humanitären Geist einer Justiz hoffen, die ihrerseits aus der Asche der NS-Justiz wieder auferstanden ist, oder?

     

    Von daher könnt ihr

     

    @Manus manum lavat

    @Johannes

    @Thomas

     

    ganz entspannt warten, bis unserem Ländle der neue Heiland geboren wird! Spätestens dann werden Leute wie ihr drei Überflieger dringend gebraucht...

  • B
    BZellner

    Unschuldige Menschen ermordet?

     

    Mord ist nie gerechtfertig, aber "unschuldig" bei einem ehemaligen SS-Angehörigen, der sich durch Lügen vor der Entnazifizierung bewahren konnte und dann in der BRD unbehelligt als Arbeitgeberpräsident aufzutreten ist ja wohl das verlogenste überhaupt.

     

    Und Leute in Arbeitslager stecken oder lebenslange Freiheitsstrafe sagt doch schon mehr als genug über Ihre Gesinnung aus...das ist nach dem Grundgesetz genau so terroristisch (wenn nicht mehr) als Mord.

  • K
    Karl-Heinz

    Es ist wirklich nicht mehr zum aushalten. In jedem Forum das gleiche. TAZ oder SPOn oder FAZ! Ganz egal!

     

    Ins Arbeitslager! Kein Mitleid! Auf dem linken Auge blind!

     

    Überall tummelt sich nur noch faschistoides Gedankegut! Rechtstaat ade! Was für ein Land!

     

    Da fällt mir nichts mehr ein!

  • MM
    Manus manum lavat

    Och Gott, die Arme. Sie hat doch die Wahl - Aussage oder eben Beugehaft. Ehrliche Geschichte. Wäre das Mitgefühl ebenso groß, wenn diese Terroristin Mitglied der NSU wäre. Wohl kaum, die TAZ auf dem linken Auge blind, wie so oft.

  • J
    Johannes

    Weshalb wird stets der Ausdruck "Ex-RAF-Terroristin verwandt? Ex-Terroristin wäre ok. Aber da sich fast alle Ehemaligen an die Schweige-Omerta halten, sind sie meiner Ansicht nach noch immer RAF.

  • T
    Thomas

    Ich habe kein Mitleid mit der Linksterroristin Eckes. Ich wäre sogar dafür diese Person in ein Arbeitslager zu stecken. Vielleicht könnte man darüber ja basisdemokratisch per Volksabstimmung das Volk entscheiden lassen.

     

    Diese Linksterroristen haben damals kaltblütig unschuldige Menschen exekutiert, solche Leute darf man eigentlich niemals freilassen.