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Kommentar Schuldspruch gegen ChiracDas Ende eines Justizdesasters

Rudolf Balmer
Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer und Rudolf Balmer

Der Schuldspruch gegen den Expräsidenten Jacques Chirac war für die Vergangenheitsbewältigung bitter nötig. Und er beweist die Unabhängigkeit der französischen Justiz.

E inen verdienstvollen Staatspräsidenten wie Jacques Chirac an seinem Lebensabend durch ein Gerichtsurteil zu besudeln? Das hielt die Verteidigung für nicht statthaft. Denn damit würde ja Frankreichs Geschichte in den Dreck gezogen.

Dass die französischen Politik bis in die 1990er Jahre fast alle Mittel zur Geldbeschaffung recht waren, weil die Parteifinanzierung nicht klar gesetzlich geregelt war, räumen gern alle ein. Aber: Ist das ein Grund, alle Verfahren gegen den Exbürgermeister von Paris und Exchef der Gaullisten einzustellen?

Es war eine Desaster für den Ruf der französischen Justiz, dass eine ganze Reihe von Finanzskandalen aufgrund der Immunität des Präsidenten von 1995 bis 2007 in der Schublade auf die Verjährung warten mussten - obwohl sie mit allen Details in der Presse standen.

privat
RUDOLF BALMER

ist Frankreich-Korrespondent der taz und lebt in Paris.

Die jetzige Entscheidung war zur Bewältigung dieser Vergangenheit nötig. Denn Chiracs Platz in der Geschichte durfte weder auf einer mit juristischen Tricks und politischem Einfluss erwirkten Straffreiheit beruhen noch auf der Nachsicht für einen altersschwachen Angeklagten.

Das Gericht in Paris hat mit dem Schuldspruch auch ein Exempel der Unabhängigkeit statuiert, die sie immer wieder für sich beansprucht. Noch sind solch mutige Urteile gegen den expliziten Wunsch des Justizministeriums in Frankreich die Ausnahme. Die Regel bleibt, dass die politische Macht den Staatsanwaltschaften sagt, was sie in brisanten Verfahren tun sollen - und was nicht.

Dass dies im Fall Chirac trotz massivem Drucks von oben nun nicht funktioniert hat, ist eine erfreuliche Überraschung. Zwar wurde die Zivilklage der Vereinigung "Anticor" vom Gericht abgewiesen. Aber dennoch hat der Kampf gegen Korruption, Vettern- und Klientelwirtschaft in der Politik in Frankreich gestern einen wichtigen Sieg errungen.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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4 Kommentare

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  • KK
    Karl K

    Sorry, ich versteh die Freude, aber weder die Überschrift noch in weiten Teilen den Beitrag.

     

    Sicher. Staatsanwälte sind weisungs"gebunden" - wie in Deutschland auch- .

    Leider.

     

    Untersuchungsrichter - die es in dieser Form in Deutschland nicht! gibt -

    leider! - sind es nicht!

    Was in der vergangenheit dazu geführt hat, dass ebensolche in die Parteizentralen gestiefelt sind und allerlei Undelikates ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt haben.

     

    Richter sind - hie wie da - unabhängig. Verfassung sei dank.

     

    Sie haben daher - egal was die Staatsanwälte beantragt haben - auf eine Verurteilung unter Anwendung von Recht und Gesetz im Fall Chirac erkannt.

     

    Systemische Schwächen in Ehren und der Wille von Staatsanwälten, das weisungsrecht in den Orkus der Justizgeschichte zu treten.

    Was ich bei uns ebenfalls mit Vehemenz begrüßen würde.

     

    Aber Desaster der Justiz ? Nirgendwo ! Gewaltenteilung! Aber ja!

    Aber soo schlecht funktioniert die doch nicht.

     

    Ps auch die anderen Artikel im Netz tragen den dicken Stift nicht !

  • KK
    Karl K

    Sorry, ich versteh die Freude, aber weder die Überschrift noch in weiten Teilen den Beitrag.

     

    Sicher. Staatsanwälte sind weisungs"gebunden" - wie in Deutschland auch- .

    Leider.

     

    Untersuchungsrichter - die es in dieser Form in Deutschland nicht! gibt -

    leider! - sind es nicht!

    Was in der vergangenheit dazu geführt hat, dass ebensolche in die Parteizentralen gestiefelt sind und allerlei Undelikates ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt haben.

     

    Richter sind - hie wie da - unabhängig. Verfassung sei dank.

     

    Sie haben daher - egal was die Staatsanwälte beantragt haben - auf eine Verurteilung unter Anwendung von Recht und Gesetz im Fall Chirac erkannt.

     

    Systemische Schwächen in Ehren und der Wille von Staatsanwälten, das weisungsrecht in den Orkus der Justizgeschichte zu treten.

    Was ich bei uns ebenfalls mit Vehemenz begrüßen würde.

     

    Aber Desaster der Justiz ? Nirgendwo ! Gewaltenteilung! Aber ja!

    Aber soo schlecht funktioniert die doch nicht.

     

    Ps auch die anderen Artikel im Netz tragen den dicken Stift nicht !

  • H
    Hasso

    Solange die Wölfe heulen, geht man ihnen aus dem Weg.Einen lahmen Wolf aber-, den erschlägt man. "Das ist die Kraft der Gerechtigkeit".

  • V
    vic

    Wenn eine Bewährungsstafe auch nur ein symbolischer Akt ist, der Schuldspruch ist ein wichtiges Signal.

    Ich wünschte, die deutsche Justiz hätte bei Kohl auch ein wenig Unabhängigkeit und Mut gezeigt.