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Fragestunde mit Russlands RegierungschefZar Putin ganz im alten Stil

Beim jährlichen Zwiegespräch mit seinem Volk vor handverlesenem Publikum erfindet sich Wladimir Putin nicht neu. Im Gegenteil: Er hantiert mit Verschwörungstheorien.

Im Gepräch mit seinem Volk: Regierungschef Wladimir Putin. Bild: dapd

MOSKAU taz | Einmal im Jahr nimmt sich Russlands Regierungschef Wladimir Putin die Zeit zum Zwiegespräch mit dem Volk. Mehrere Stunden beantwortet er Fragen, von denen die Regisseure und Polittechnologen des Kreml der Meinung sind, sie müssten dem Volk unter den Nägel brennen.

Dem Zufall ist in dieser Inszenierung bis zur verzeihlichen Panne nichts überlassen. Die Illusion der Authentizität wird jedoch mit jedem Mal raffinierter. So raffiniert, dass die Herrschenden das Skript für ein Abbild der Wirklichkeit halten.

Seit November sind die Emissäre unterwegs und wählen Arbeitskollektive für den Auftritt aus. Am Donnerstag zelebrierte Putin die zehnte Fortsetzung des Dialogs seit 2002. Der unermüdliche Putin - vier bis fünf Stunden sprach er ohne Unterlass - hinterließ den Eindruck, als wolle er mindestens noch zehn Jahre an diesem Format festhalten.

Der Wahlbetrug der Staatspartei und die Massenproteste zwangen die Regierung indes, in letzter Minute das wichtigste innenpolitische Ereignis wenigstens anzusprechen. Die ersten Schritte fielen dem Präsidentschaftskandidaten Wladimir Putin denn auch nicht leicht. Vermutlich hatte die Regie auf ihn einreden müssen, dass die alte, selbstgefällige Tour auch bei den treueren Seelen nicht mehr ganz so verfängt. Mit Ausnahme jener 450 handverlesener Paladine, die im Studio saßen.

Unter ihnen Putins deutsches Sprachrohr Alexander Rahr von der deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und dem Beitz-Zentrum, dem Lobbyistenverein der deutschen Wirtschaft. Mit Spannung wurde erwartet, ob Wahlkämpfer Putin für die dritte Amtsperiode eine Version Putin 2.0 vorlegen und sich neu erfinden würde. Eine softere Variante, die auf die Stimmung im Land eingeht. Darüber hatten russische Beobachter spekuliert.

"Dass die Menschen ihre Meinung äußern, ist eine ganz normale Angelegenheit, wenn sich das im Rahmen des Gesetzes bewegt", sagte Putin eingangs vorsichtig. Ironisch dankte er auch den Demonstranten für die "ehrlichen Wahlen", die die wirklichen politischen Verhältnisse abbildeten. Wenn die Demonstranten das Ergebnis des "Putin-Regimes" seien, dann freue ihn das, meinte er. Es klang wie "was wollt ihr mehr?" - war aber nicht so gemeint, die Mimik verriet es. Was solle eine unterlegene Opposition anderes rufen als Betrug!

Kein Wort über Neuwahlen

Mit keinem Wort erwähnte er die Forderungen der Demonstranten nach Neuwahlen und Entlassung des Chefs der Wahlkommission. Stattdessen ging er zum Angriff über: Die weißen Bänder, die die Demonstranten aus Protest trügen, erinnerten ihn an Symbole des Anti-Aids-Kampfs, sagte er: "Irgendwelche Präservative haben sie sich umgehängt". Putin war wieder der Alte, den die Hinterhöfe Sankt Petersburgs sozialisierten. Noch hat er es nicht bemerkt: Das Vulgäre empfinden zunehmend mehr Bürger als peinlich. Man schämt sich seiner.

Dass System und Führungsstil den Vorstellungen vieler Menschen nicht mehr entsprechen und sie daher bereit sind, zu demonstrieren, lässt der Premier dem Volk nicht durchgehen. Die landesweiten Proteste seien wie die Orange Revolution in der Ukraine 2004 eine gezielte Inszenierung des Auslands, das ein Interesse an der Destabilisierung Russlands habe und es schwächen wolle. Überdies sei bewiesen, dass ein Teil der Jugend und Studenten für die Teilnahme an den Protesten bezahlt worden seien.

In einigen Schichten der Bevölkerung mögen derartige Verschwörungstheorien tatsächlich noch verfangen. Schwerer wiegt indes, dass der Premier nicht versteht, wie viele noch loyale Anhänger er damit verprellt, weil er ihnen keinen eigenen Willen zuspricht und sie für käuflich hält. Wie die vielen Anhänger der Kreml-Jugendorganisationen, die nur gegen Bezahlung Hingabe bekunden.

Eine Lockerung und Öffnung des politischen Systems wäre in einer dritten Amtszeit Putins nicht zu erwarten. Sollte das Volk ihn allerdings nicht unterstützen, würde er keinen Tag länger im Kreml bleiben, sagte er gegen Ende des Marathons. Aber ernst gemeint war es nicht. Er ist davon überzeugt, außer ihm sei niemand in der Lage, Russland zu führen. Eine frohe Botschaft hatte er auch noch für den prominentesten Gefangenen Russlands parat: Sollte Michail Chodorkowski ein Gnadengesuch einreichen, würde er dem als neuer Kremlchef nachgeben.

Wladimir Putin erkennt nicht die Zeichen der Zeit. Zwar sind die Schwellungen im Gesicht des Premiers nach einem Verjüngungseingriff zurückgegangen, die Folgen der Botox-Behandlung der Partei lassen unterdessen noch auf sich warten.

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7 Kommentare

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  • B
    Benz

    Putin hat wieder mal mit grosser Dossierkenntnis und souveränen Antworten gepunktet. Er scheint mir sehr viel überzeugender als die schrill vorgebrachten bizarren Vorwürfe seiner Gegner.

  • T
    toddi

    Wenn wir unseren Denis nicht hätten. Immer einen Kommentar bar jeder Argumente und Logik.

    Getrieben von einer Vendetta in der er seinem großen Vorbild Donath nicht nachstehen will.

    Nur das seine Position möglicherweise auf seine Sozialisierung bzw. persönliche schlechte Erfahrungen gründet- und warum soll ein Forum nicht auch Therapie sein? ;-)

  • G
    GWalter

    Taktak

    Die USA haben Milliarden in die Destabiliserung Russlands während und nach den Wahlen gesteckt.

    Sie möchten die Bodenschätze Russlands durch ihnen genehme Oligarchen ausbeuten lassen.

    Nur das steckt dahinter

  • D
    Denis

    Putin zieht jedes Jahr dieselbe Show ab und die Claqueure spenden Beifall.

  • PB
    Peter Bitterli

    Hilfe! Putin redet und Donath arbeitet ausser Rand und Band sein Zeilenhonorar runter! Hilfe! Mühsam errungene Klarsicht und Differenzierung drohen den Bach runter zu gehen! Hilfe, EU-Parlament: Ich erwarte eine Stellungnahme.

  • G
    GWalter

    An keiner Stelle des Berichts der OSZE - Wahlbeobachter ist von Wahlfälschung oder Betrug die Rede. Die Beobachter loben die gute organisatorische Vorbereitung und Durchführung der Wahl, ausdrücklich mit dem Hinweis auf die Größe des Landes.

     

    Kritisiert wurde, dass nicht für alle Parteien Chancengleichheit bestand, etwa wegen der regierungsfreundlichen Ausrichtung der Medien. Kritisiert wurde, dass sehr oft das Wahlgeheimnis nicht gewahrt wurde und zwar deshalb, weil die Wähler ihre Stimmzettel nicht gefaltet, sondern offen in die Urne legten.

     

    Auf diesem Niveau bewegt sich die Kritik der OSZE-Beobachter. Woher die deutschen Medien den Vorwurf des systematischen und das Ergebnis entscheidend fälschenden Betrugs nehmen, ist mir schleierhaft.

     

    Bezeichnend ist, dass weder Presse noch TV wörtlich aus dem OSZE-Bericht zitieren.

     

    Zugern würde ich doch mal eine deutsche Übersetzung des Berichts lesen.

     

    Die Tatsache, dass das Endergebnis in etwa das Ergebnis der Wahlprognosen wiedergibt, lässt man ganz unter den Tisch fallen.

  • G
    GWalter

    Seltsam ist, wenn Putin einmal markige Worte sagt, werden diese immer im Westen auf die Goldwaage gelegt.

     

    Wenn die US-Präsidenten ihre schon jahrelangen Kriegshetzen vom Stapel lassen wird noch Beifall geklatscht.

     

    Immerhin sollte jeder einmal bedenken, dass die USA bereit über 40 Kriege nach 1945 geführt haben und das dabei über 20 MILLIONEN Zivilisten getötet wurden.

     

    Dies hat sich kein anderes Land der Welt geleistet...besonders wenn es bei diesen Kriegen um den ausgeprägten Egoismus der Weltbeherrschung und der Marktbeherrschung geht!!!