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Rita Süssmuth über die Frauenquote"Das sind wir uns schuldig"

Die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) will ein Gesetz mit fester Frauenquote. Dafür könne sie sich auch einen fraktionsübergreifenden Konsens vorstellen.

"Wer die Quote nicht will, der muss die Frauen wollen": Das habe nicht geklappt. Bild: dapd
Heide Oestreich
Interview von Heide Oestreich

taz: Frau Süssmuth, die Frauen der Union möchten eine feste 30-Prozent-Quote für die Spitzenjobs in der Wirtschaft, die CDU-Frauenministerin Kristina Schröder plant dagegen eine selbst gewählte flexible Quote. Was denken Sie?

Rita Süssmuth: Wir brauchen eine verbindliche Quote. Das sind wir Frauen, die wir für die Erweiterung des Artikels 3 im Grundgesetz gekämpft haben, uns schuldig. Da steht, dass der Staat auf die Beseitigung von Ungleichheiten hinwirkt. Wir haben bereits zehn Jahre mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung verloren, wir können uns keinen weiteren Zeitverlust mehr leisten. Deshalb habe ich auch die überparteiliche "Berliner Erklärung" unterschrieben.

Damit stellen Sie sich gegen die Frauenministerin.

Es geht darum, bei diesem Thema einen Wettbewerb um die beste Lösung zu ermöglichen. Die Quotierung wieder auf die lange Bank zu schieben, das kann nicht im Sinn der Frauen sein, das müsste auch Frau Schröder sehen.

ap
Im Interview: RITA SÜSSMUTH

74, Exbundestagspräsidentin (CDU) und 1986 erste Bundesfrauenministerin, fordert eine feste Quote in den Führungsetagen der Wirtschaft.

Schröder sagt, ihre selbst gewählte Flexiquote sei der Mittelweg zwischen der FDP, die gar nichts will, und den Frauen, die mehr wollen als sie.

Ihr Vorhaben ist kein Mittelweg. Es setzt den alten Weg fort mit geringfügig stärkerem Druck: Die Wirtschaft gibt sich selbst Quoten. Das ist nicht ausreichend.

Dennoch bleibt der unwillige Koalitionspartner. Was kann Schröder da tun?

Das war schon immer so: Die FDP hat, wenn es um Quoten ging, immer Nein gesagt. Sehen Sie beispielsweise in den Hessischen Landtag: Eine einzige Frau ist in der FDP-Fraktion, der frauenpolitische Sprecher ist ein Mann. Das ist, was Sie ohne Quote bekommen.

Dennoch kann man seinen Koalitionspartner nicht einfach übergehen.

Aber man kann eine breite gesellschaftliche Diskussion führen. Zunächst wird aus der Erklärung eine öffentliche Petition. Wir hoffen, möglichst viele MitzeichnerInnen zu gewinnen.

Im Parlament müssten die Frauen fraktionsübergreifend für die Quote stimmen. Halten Sie das für realistisch?

Wenn ich das jetzt schon für unrealistisch halten würde, hätte ich nicht mitgemacht. Wir haben bei der Vergewaltigung in der Ehe 25 Jahre gebraucht, um das Gesetz durchzubringen. Dazu gehörte viel Überzeugungsarbeit. Bleibt die Ministerin bei ihrem eigenen Entwurf, dann werden eben zwei Anträge abgestimmt.

Wenn die Unionsfrauen auch für die feste Quote votieren würden, hätte sie eine Mehrheit. Aber dafür müsste der Fraktionszwang aufgehoben werden - wie bei der Vergewaltigung in der Ehe. Wie haben Sie das damals geschafft?

Bei der Vergewaltigung in der Ehe als Straftatbestand gab es zunächst einen starken Widerstand der CDU/CSU. Wir haben gemerkt, wir als Parlamentarierinnen schaffen das nicht allein. Dann haben wir überlegt, wer dieses steinerne Nein erweichen könnte. Und wir haben eine hohe geistliche Persönlichkeit gewonnen.

Aus der Bischofskonferenz?

Ja. Mehr sage ich dazu nicht.

Sehen Sie einen Weg, dass man so etwas nun bei der Quote auch noch mal schafft?

Warum nicht? Die Fraktionen machen das nicht gern, weil sie für einen solchen Fall Gestaltungsmacht aus der Hand geben müssten. Aber in manchen grundsätzlichen Fragen ist ein parteiübergreifender Konsens wichtiger. Europa ist so ein Thema oder Migration. Aber eben auch die Quote. Übrigens hat auch niemand vorhergesehen, dass etwa Thomas Sattelberger, der Personalvorstand bei der Telekom, so intensiv für eine Quote kämpfen würde.

Aus dem Frauenministerium wird schon gewarnt: Der Erfolg eines Gruppenantrags, das bedeute Regieren mit wechselnden Mehrheiten und damit das Ende der Koalition.

Dann muss das Ministerium dafür Sorge tragen, dass es dazu nicht kommt. Das sind bloße Drohgebärden. Niemand will die Koalition infrage stellen.

Was würden Sie Frau Schröder raten?

Ich würde mich an ihrer Stelle mal mit den Frauen aus den verschiedenen Verbänden hinsetzen und anhören, was deren Kernargumente sind. So etwas ist ja tatsächlich ein anhaltender Lernprozess. Ich selbst habe immer gesagt: Wer die Quote nicht will, der muss die Frauen wollen. Und ich habe feststellen müssen: Das hat nicht geklappt. Auch unsere Frauenquote in der CDU haben wir erst im zweiten Anlauf durchbekommen. Da gilt der Satz von Samuel Beckett: "Scheitern, weitermachen, noch mal scheitern, besser scheitern, weitermachen". Das ist mein Grundsatz.

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5 Kommentare

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  • H
    Horsti

    Es ist schon bezeichnend, daß Leute wie Frau Süßmuth, die eine angebliche Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen beklagen, keinerlei Probleme damit hatten, ungleiche Löhne zwischen Festangestellten und Leiharbeitern herzustellen. Nunja, Leiharbeiter sind ja überwiegend Männer. Offenbar sind diese hunderttausenden von männlichen Geringverdienern nicht so systemrelevant wie ein paar hundert verhinderte Topmanagerinnen.

  • RC
    Roman Czybora

    Lieber Michael Dietz, so sehr ich Deiner Analyse applaudieren möchte, glaube ich, dass es die fähigen Frauen durchaus schon gibt, man muss sie nur ranlassen und auch ein bisschen schubsen, sprich durch die Quote herbeirufen und fördern.

  • L
    Lincoln

    Bei allem Respekt vor Frau Süßmuth, aber eine gesetzliche Quote ist der falsche weg und wird nur noch zu einer heftigeren Ablehnung von Frauen in Führungspositionen führen. Wer in eine Führungsposition möchte, der sollte dieses unabhängig vom Geschlecht auf Grund seiner fachlichen und soziale Kompetenz erreichen.

     

    Ich habe selber einmal erlebt, wie eine Frau, die fachlich eine Niete war, auf Grund gender-mainstream-Gedanken zur Chefin wurde. Folge war, das die niederen Chargen all ihre Fehlentscheidungen ausbaden mußten und der Arbeitsaufwand sich um ein vielfaches erhöhte. Wo die Arbeitsmotivation war, kann sich wohl ein jeder denken!

     

    In meinem jetzigen Job arbeite ich übrigens erneut unter einer Frau als Chefin. Sie hat aber ein 1a-fachliches Wissen, wo ihr niemand so schnell das Wasser reichen kann und besitzt auch eine enorm hohe soziale Kompetenz. Die Motivation bei der Arbeit ist unter den Mitarbeitern/innen top.

  • S
    Skeptiker

    Große Einigkeit unter den Spitzen-Politikerinnen aller Parteien: Eine Frauenquote für Führungspositionen muß her! Ob unsere Polit-Elite-Frauen wohl das gleich Engagement für Frauenförderung zeigen, wenn es um die Förderung von Normal- und Gering-Verdienern geht. Viele Journalisten und naive Zeitungsleser scheinen dies zu glauben - ich nicht.

  • MD
    Michael Dietz

    Es reicht nicht, eine Frauenquote zu fordern, wir brauchen auch andere Frauen dazu. Dies fehlt mir in der ganzen Diskussion. Dass es Frauen nicht schwer fällt, unsere augenblicklichen Spitzenpolitiker zu toppen, haben wir gesehen. Aber zu oft sind diese Frauen aus dem gleichen Holz wie ihre männlichen Kollegen geschnitzt. Sie übertreffen die Herren der Schöpfung locker, leider vor allem an Eitelkeit, Machtstreben und auch Stupidität.

     

    Ich wünsche mir an solchen Stellen Frauen, die einen anderen, nämlich partnerschaftlichen Hintergrund haben, wo Gemeinsinn an die Stelle von Konkurrenzdenken tritt, und zwischenmenschliche Empathie die Unternehmenshörigkeit ersetzt. Was nutzt es uns, wenn wir Krokodile wie Angela Merkel an die Spitze lassen? Das alte Männerrezept: "wenns nicht klappt, dann mehr von demselben" bringt uns nicht weiter, aus wenn es von einer jungen Frau angewandt wird. Wir brauchen andere Blickwinkel, die neue Lösungen erlauben und zukunftsorientierte Visionen statt der alten Ängste. Nach all den Jahren Frauenbewegung sollte da doch irgendwo ein Pflänzchen der Hoffnung gewachsen sein.

     

    Rita Süssmuth deutet ein solches Vorgehen schon an, als sie gefragt wird: "Wie haben Sie das damals geschafft?" Sich Unterstützung holen, einen parteiübergreifenden Konsens anstreben, sich zusammensetzen und die Kernargumente anderer Frauen anhören. Aber dazu sind Menschen gefordert, die ihre geistige Entwicklung nicht mit der Dissertation endgültig abgeschlossen haben, sondern die eine lebendige Welt voller Ideen wie die Luft zum Atmen brauchen und denen die Aufgeschlossenheit für grundsätzliche (und nötige) Veränderungen keine Bange macht.