Fussball-Bundesliga: Hertha im Niemandsland
Die Berliner verlieren 0:1 gegen Meister Dortmund. Angesichts des Trainercoups juckt das kaum jemand.
Der Schweiß tropfte Peter Niemeyer vom Gesicht. Aber die vergeblichen Anstrengungen, die der Hertha-Mittelfeldspieler gerade hinter sich gebracht hatte, waren in den Katakomben des Olympiastadions schon wenige Minuten nach Abpfiff nur noch zweitrangig. Trotz aufopferungsvollen Kampfes hatten die Berliner gegen den Deutschen Meister Borussia Dortmund mit 0:1 verloren. Im Vergleich zum desolaten 0:5-Ausreißer in Stuttgart vergangene Woche war die Hertha wieder defensivstark, aber erfolglos gewesen. Doch das schon reichlich bekannte Zetern darüber wurde kaum wahrgenommen.
Bei Hertha BSC hatte bereits eine neue Zeitrechnung begonnen. Denn Manager Michael Preetz hatte an diesem Tag bestätigt, dass der 73-jährige Otto Rehhagel den Bundesligisten die nächsten drei Monate trainieren wird. So waren die Fragen an Niemeyer zur Partie gegen den Spitzenreiter, das Hertha erstmals diese Saison ein ausverkauftes Stadion (exakt 74.244 Zuschauer) bescherte, ganz schnell abgehandelt.
Danach wurde er ausschließlich zum überraschenden Comeback des Mannes befragt, den man eigentlich schon zur Bundesliga-Geschichte zählte. "Den hatte man nicht auf der Rechnung. Aber ich freue mich drauf. Mehr Erfahrung geht nicht", sagte Niemeyer.
Im Umkehrschluss hätte man über René Tretschok und Ante Covic, die das Profiteam als Interimstrainer gegen Dortmund betreuten, sagen können: Weniger Erfahrung geht nicht. Nichtsdestotrotz wäre ein Überraschungserfolg der beiden Bundesliganeulinge durchaus drin gewesen. Zu Beginn der zweiten Halbzeit hatte Patrick Ebert gleich zweimal die Chance, den Führungstreffer zu erzielen. Doch beide Male strich der Ball knapp am Pfosten vorbei.
Revolutioniert hatten Tretschok und Covic das Berliner Spiel gewiss nicht, aber das konnte auch keiner erwarten. Ihre Möglichkeiten hatten die Herthaner vornehmlich der Dortmunder Behäbigkeit im Mittelfeld zu verdanken und weniger ihrem eigenen Spielwitz. Gezwungenermaßen fehlten bei den Gästen die Kreativspieler Mario Götze und Shinji Kagawa. Zudem verzichtete das Team von Jürgen Klopp auch auf ihr ansonsten so gefährliche Tempospiel.
Das hatte gewiss mit dem großen Berliner Engagement zu tun, das Dortmunder Kurzpassspiel gar nicht erst zur Entfaltung kommen zu lassen. Kapitän Andre Mijatovic stellte im Anschluss an das Spiel fest: "Wir haben wieder Leidenschaft gezeigt." Und auch Tretschok äußerte sich vor allem erfreut über den großen Einsatz, den seine Mannschaft gezeigt habe. Den grundsätzlichen Mangel, den er erkannte, wird künftig Otto Rehhagel beheben müssen. "Jetzt müssen wir das mit dem Ergebnis aber noch hinbekommen."
Auch wenn Tretschok sich bescheiden gab und Fragen nach seinen Gefühlen beim Bundesligadebüt immer wieder mit der Phrase "Es geht nicht um meine Person, sondern um Hertha BSC" abwiegelte, konnte einem der Juniorentrainer von Hertha ein wenig leidtun.
Als Dortmunds Trainer Klopp frühzeitig die Pressekonferenz verlassen durfte, wanderten die Reporter mit ihm scharenweise ab. Das Interesse für Tretschok und seinen Kompagnon Covic war an diesem Tag äußerst gering.
Richtig geil gearbeitet
Da nutzte es auch nicht viel, dass Peter Niemeyer noch einmal deutlich machte, wie sehr er sich auch darüber freue, dass Tretschok und Covic künftig für Rehhagel als Kotrainer arbeiten werden. Er stellte den beiden ein gutes Zeugnis aus: "Wir haben diese Woche richtig geil gearbeitet."
Bei dem bislang stets autokratisch agierenden Rehhagel werden Tretschok und Covic wohl nicht viel mehr als Erfüllungsgehilfen sein. Möglicherweise sollen sie auch eine Art Brückenfunktion zu den Spielern übernehmen. Denn mit dem, was die meist noch recht jungen Hertha-Spieler bewegt, dürfte der 73-jährige Rehhagel nicht sonderlich vertraut sein.
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