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Streik in SüdafrikaGegen „moderne Sklaverei“

Mit dem größten Streik seit Jahren machen Gewerkschaften und Linke gegen den ANC-Präsidenten mobil. Mit von der Partie ist der geschasste Jugendführer Julius Malema.

Der landesweite Protest blieb weitgehend friedlich. Bild: dapd

JOHANNESBURG taz | Die Johannesburger Innenstadt glich gestern einem Meer von roten T-Shirts: Tausende marschierten mit gelben Fahnen und Protestplakaten gegen die Einführung von Straßenbenutzungsgebühren auf den neuen Stadtautobahnen. Zugleich demonstrierten sie gegen kurzfristige und ihrer Meinung nach unfaire Arbeitsverträge: Das sei moderne Sklaverei, riefen die tanzenden Protestler.

Polizisten hatten die Straßen blockiert und standen mit Wasserwerfern bereit. Geschäfte waren aus Sorge vor Vandalismus geschlossen. Der landesweite und angeblich seit vielen Jahren größte Streik in Südafrika blieb aber weitgehend friedlich.

Aufgerufen hatte Südafrikas Gewerkschaftsdachverband Cosatu, zugleich Regierungspartner des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) von Präsident Jacob Zuma. Somit schickte Cosatu mit dem Massenstreik auch eine Botschaft an Zuma, der bei den Wahlen 2014 eine zweite Amtszeit gewinnen will. Ende dieses Jahres wird auf einem Parteitag der ANC-Präsidentschaftskandidat bestimmt.

Die Massen in den Straßen jubelten nicht nur Cosatu-Chef Zwelinzima Vavi zu, sondern auch Julius Malema, der umstrittene radikale Jugendführer, der von der ANC-Führung als Jugendligachef abgesetzt und aus der Partei ausgeschlossen worden ist. Malema, der als kommender Herausforderer Zumas gehandelt wird, hatte sich zu Beginn des Protests kurz in der Stadt unter die Demonstranten gemischt. „Der ANC muss auf die Massen hören“, rief Malema, bevor er in seiner schwarzen Luxuslimousine wieder wegfuhr.

Die Gewerkschaftler zogen schon am Mittag vor Ende des eintägigen Streiks eine zufriedene Bilanz: Die erwartete Zahl von 100.000 Demonstranten sei überschritten worden. Gewerkschaftsführer Vavi fühlte sich bestätigt, dass Südafrikas Linke mächtig bleibe. „Trotz der politischen und sozialen Errungenschaften seit 1994 bleibt die Arbeiterklasse in diesem Land unter Druck des Neoliberalismus und dem Erbe von Apartheid und Kolonialismus“, sagt Cosatu.

Die Privatwirtschaft hat den Streik verurteilt. Befristete Kurzzeitverträge seien wichtig für Farmarbeiter und Saisonbeschäftigte, denn ohne sie würde Südafrikas offizielle Arbeitslosenquote von 24 Prozent noch viel höher ausfallen. Sie liegt inoffiziell schon bei knapp 40 Prozent. Schon der Streik allein koste den Bergbau und andere Wirtschaftszweigen enorme Summen an Arbeitsausfall.

Eines der größten Goldbergwerke Südafrikas, Goldfields, musste die Produktion stoppen, weil dort allein rund 85 Prozent Arbeitnehmer dem Streikaufruf von Cosatu gefolgt waren.

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3 Kommentare

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  • M
    Marcus

    @Udo Radert

     

    die Sache mit den "tanzenden Protestler"n ist eine Regionale besonderheit die man in großen Teilen Afrikas antrifft. Da gehört Tanz einfach dazu. Auch ander politische Veranstalltungen zeichnen sich z.B.: durch tanzende Prösidentschaftskanidaten aus. In sofern ist die Erwähnung durchaus gerechtfertigt, hätte aber erleutert werden müssen. Gerade durch die fehlende Erleuterung entsteht im europäischen Kulturkreis, tatsächlich ein difarmierender Eindruck.

  • UR
    Udo Radert

    "Zugleich demonstrierten sie gegen kurzfristige und ihrer Meinung nach unfaire Arbeitsverträge:

     

    Das sei moderne Sklaverei, riefen die tanzenden Protestler."

     

    ___________

     

    Diese beiden Sätze, gleich am Anfang des Artikels, zeigen ja nun wohl in einer Deutlichkeit, die nichts mehr zu wünschen übrig lässt, wohin die Reise gehen soll:

     

    Tagelöhnerei und Hungerlöhne sind also nur "ihrer Meinung nach" unfair!

     

    Nicht unbedingt aber nach der Meinung der Verfasserin dieses Artikels, wie die gewählte Formulierung ja zeigt.

     

    Und überhaupt scheinen die ja sowieso ein bissel Plem-Plem zu sein diese "tanzenden Protestler". - Na, wenn sie noch tanzen, dann kanns doch so schlimm nicht sein, oder? - Man muss das alles dann wohl nur ein bissel ernst nehmen, nicht allzusehr.

     

    Das jedenfalls erzeugen solche Formulierungen im Unterbewußtsein - und sollen sie wohl auch.

     

    Sie sind klar (ab-)wertend, vor allem das "ihrer Meinung nach", was (zumindest mir) zeigt, dass die taz beileibe nicht mehr das ist, was sie mal war, bzw. die Ansprüche, die sie an sich selber stellt, wohl nur noch ein Relikt aus vergangenen Zeiten sind, was zwar keiner mehr braucht aber was wenigstens gut aussieht.

     

    Schein und Sein halt.

  • 2
    2010sdafrika

    COSATU will nicht nur Arbeitnehmerrechte stärken, sondern auch dem ANC zeigen, dass diese auf die Gewerkschaft angewiesen ist: http://2010sdafrika.wordpress.com/2012/03/07/nationaler-protest/.