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die WahrheitDer Binsenpräsident

Kolumne
von Hartmut El Kurdi

Mehrere Wochen hat Deutschland darüber diskutiert, ob Joachim Gauck der richtige Mann für das Präsidentenamt ist und ihn dabei an seinen Äußerungen der letzten dreißig Jahre gemessen.

M ehrere Wochen hat Deutschland darüber diskutiert, ob Joachim Gauck der richtige Mann für das Präsidentenamt ist und ihn dabei an seinen Handlungen und Äußerungen der letzten dreißig Jahre gemessen. Das ist nun vorbei. Gauck hat sich am Freitag in seiner Antrittsrede – wie Madonna mit einem neuen Album – neu erfunden und die Presse ejakuliert kollektiv. Kritik war gestern, jetzt wird gejubelt. Und ich gestehe: Auch ich bin glücklich.

Gauck ist wirklich ein tofter Präsident. Der ist sogar gegen Rechtsradikalismus! Und gegen religiöse Fanatiker. Wahnsinn. Aber doch – anders als erwartet – für mehr Gerechtigkeit. Einwanderer findet er auch dufte. Aber man darf selbstverständlich nicht aus falsch verstandener Korrektheit Themen unter den Teppich kehren. Logo. Und hoppla – wer hätte das gedacht? – sogar die 68er waren für irgendwas gut.

Der neue Bundespräsident besitzt offensichtlich die entscheidende Bundespräsidentenqualifikation: keine Binse auszulassen! Und mit dieser plattitüdengesättigten Rede hat sich der „Querdenker“ (Financial Times Deutschland), „Levitenleser“ (Der Spiegel) und „Demokratielehrer“ (Focus) bei allen Parteien, die ihn zum Präsidenten gekungelt haben, bedankt. Wie es sich eben gehört.

Wobei: Ein einzelner überraschender und verstörender Satz ist Gauck doch rausgerutscht, nämlich der, in dem er klarstellt, dass das Grundgesetz die Menschenwürde jeder Person zuspricht, egal, wo sie herkommt und ob sie sich integrieren möchte oder nicht.

Dieser Satz bedeutet, dass Freiheit tatsächlich mehr ist als der Sozialdarwinismus der Präsidentenmacher-Partei FDP. Er bedeutet, dass eine freiheitliche Gesellschaft auch Dinge aushalten muss, die ihr inhaltlich nicht passen. Auch das ist eigentlich eine demokratische Banalität, aber hierzulande sehen das inzwischen viele anders und stimmen dem Quartalsirren Sarrazin zu, den auch Gauck vor Kurzem noch für seinen Mut lobte.

Originalton Sarrazin: „Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert.“

Viel interessanter als Gaucks Antrittsrede war übrigens seine Dankespredigt direkt nach der Wahl vor eineinhalb Wochen, die darin gipfelte, dass Gauck erzählte, wie er sich vor exakt 22 Jahren, am 18. März 1990, nach der ersten freien Volkskammerwahl, in einer Art dankbarer Demokratie-Ekstase geschworen hatte, nie wieder eine Wahl zu versäumen.

Bei mir passierte nach dieser Gauck’schen Aussage vom 18. März 2012 übrigens etwas Vergleichbares: Nach einer ebenso inhalts- wie würdelosen Kandidatenkür und einer Wahl, die nach politischer Erpressung und Nötigung müffelte und ausschließlich von Taktik, Eitelkeiten und Opportunismus bestimmt wurde, habe ich beschlossen – sozusagen im Gegenzug –, nie wieder an einer Wahl teilzunehmen! Nee, Quatsch … war nur Spaß, so was wäre mir viel zu pathetisch und gauckoid.

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10 Kommentare

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  • M
    moritz

    Also ich kann beim besten Willen keine Spur von Hass entdecken in diesem Artikel. Tut mir leid, Yücelhasser.

  • T
    TheKrill

    Also echt - - -

     

    was für ein Problem hat denn die Linke speziell die Taz eigentlich mit Gauck??

     

    Da gibt es doch nun wirklich zig andere Öffentliche Personen, über die man sich viel mehr aufregen könnte,

    wogegen wir wirklich froh sein können, jemanden wie Gauck an dieser Stelle, wo er ist zu haben.

  • MK
    Matthias Klingenberg

    diese glosse ist so lästig 90iger jahre mäßig zwanghaft geschrieben ....grusleig, dass es noch bläter gibt, di soetwas schablonehaftes drucken, naja taz halt ... grauehafter stil, so uncool wie überholt und mindestens so öde wie eine gauckoide Präsirede. gähn.

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    Nicht als 'Binsenpräsident' wird sich Joachim Gauck erweisen, sondern als Wahrheitszpräsident, der die Epochenwechsel-Wahrheit der sich immer weiter aufschaukelnden Systemkrise der EURO-Staaten stellt.

     

    Nur die Wahrheit macht uns frei, d.h. befreit uns von der krisenverursachenden Machtstruktur des 2%Wachstumszwang-Régimes der Kapitalstock-Maximierer, die nach dem Modell Rumpelstilzchen sich zur fast-geheimen, absolutistisch herrschenden Machtspitze hochgearbeitet hat, und dem alle demokratischen Institutionen unterworfen sind.

     

    Ich warte auf die Rumpelstilzchen-Rede unseres Bundespräsidenten. Wenn er die Wahrheitsrede nicht hält, dann wird die Wahrheit auf anderen Wegen das Rumpelstzilzchen stürzen. Die taz-Redaktion wird es wohl eher nicht sein, die das 2%Regime öffentlich benennt.

  • B
    brikan

    Herr Sarazin wird als Quartalsirrer bezeichnet,aber jeder Andere darf gegen gute Sitten verstossen.

    Üben Sie etwas Demokratie

  • N
    Nassauer

    Wo "el Kurdi" draufsteht, ist leider nur "Yücel" drin...

  • M
    Matthias

    Wenn das alles so richtig ist, hätte Gauck als angeblicher Meister der Binsen ja glatt auch taz-Redakteur werden können. Der dazu anscheinend notwendige Stinkstiefel soll er ja sowieso schon sein.

  • P
    Plattner

    Ich freue mich schon auf die Fortsetzung »Die Binsenkanzlerin«.

    »Richtig ist: wer sich mit dem Saarland befasst hat, weiß, dass das Saarland das Saarland ist«.

     

    Ist Gauck jetzt merkelesk – oder Merkel gauckoid? Eigentlich sind beide kafkaesk.

     

    »

  • N
    Nassauer

    Der Yücel schon wieder - Auch unter Pseudonym die gleiche verbohrte Sch... wie immer!

     

    Dieser Hass auf Gauck ist wirklich schon pyschopathisch. Gaucks Personenschützer haben sich wohl schon Yücels Gesicht eingeprägt für den Tag, an dem dieser es nicht mehr beim Ruf-Mord belassen will...

  • L
    Lexi

    Nie wieder an einer Wahl teilzunehmen, wäre sicherlich ziemlich gauckoid. Da haben Sie Recht. Der Artikel ist aber schon recht gauckesk. Gratulation. Sie sind auf dem richtigen Weg. Bleiben Sie dran! El Kurdi for president 2022.