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Kommentar Piraten im UmfragehochWarten aufs Platzen der Blase

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Die Umfragewerte der Piraten steigen weiter, aktuell auf 15 Prozent - trotz der jüngsten misslichen Äußerungen von Parteioberen im Zusammenhang mit Rechtsextremen.

Je mehr Inhalt, desto mehr Stimmen? Bild: dapd

E s geht also immer noch höher. Jetzt liegen die Piraten in Umfragen schon bei 15 Prozent, nur noch ein Pünktchen hinter den Grünen, den selbsternannten Oppositionsführern. Und man fragt sich: Wo eigentlich liegt der Zenit dieses Steigflugs?

Es sind ebenjene Grünen, die das beantworten können. Vor einem Jahr kletterten die Ökos bis auf 30 Prozent – um bei der Wahl im September fast auf die Hälfte zurückzufallen. Es war das Ende eines Hypes. Und der Tag, der die – vorläufige – Niederlage der Grünen gegen die Piraten besiegelte. 17.000 Wähler luchsten die Neuen der Künast-Truppe ab, mehr als allen anderen. Und, schlimmer noch: den Nimbus des Authentisch-Lässigen.

Es ist dieses Image, von dem die Piraten bis heute zehren. Plötzlich stehen die Piraten für Trademarks, die die Grünen seit jeher innehatten: Bürgerbeteiligung, Transparenz, Datenschutz. Plötzlich wirken die Piraten wie die coole Partycrowd und die Grünen wie die mahnende Mutti-Partei. Dass die Piraten im Parlament gar nicht viel anders sprechen als die Grünen, dass sie ähnliche Themen setzen und meist gemeinsam abstimmen – wen interessiert’s.

Rationale Beißhemmung

Piraten bei 15 Prozent

Der Höhenflug der Piratenpartei ist auch durch den Streit um die Parteispitze nicht zu stoppen: Sie legte in der jüngsten Forsa-Umfrage im Auftrag der Berliner Zeitung im Vergleich zu März um 2 Punkte auf 15 Prozent zu. Damit sind die Piraten schon fast so stark wie die Grünen (16 Prozent/ +1,0). Die rot-schwarzen Regierungsparteien gaben im Vergleich zum Vormonat je 1 Punkt ab und liegen wieder in etwa auf Höhe ihrer Wahlergebnisse vom September. Die SPD erzielte 28 Prozent, die CDU kam auf 23 Prozent. In der Beliebtheitsskala ist Innensenator Frank Henkel mit +1,3 Prozent dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) mit +1,4 Prozent dicht auf den Fersen. (dpa)

Nur auf den ersten Blick überrascht, dass die Grünen auf die Neulinge mit stoischer Beißhemmung reagieren. Denn auch ihnen ist klar: Jetzt zu reklamieren, das Original zu sein, ließe sie nur noch älter aussehen.

So bleibt den Grünen nur zu warten –auf das Platzen der Blase, diesmal der piratischen. Zu warten, dass die Projektionen verblassen, der Hype weiterzieht. Ab dann zählen nur noch Inhalte.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).

10 Kommentare

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  • O
    ole

    @Bitbändiger

     

    Also erstens sprach bzw. schrieb ich von der Aufgeregtheit der etablierten Parteien, nicht von der des Kommentators Bitbändiger :-)

     

    Zweitens ist nie die Rede von einer Demontage bzw. pauschalen Verunglimpfung des Systems gewesen. Würde ich auch nie tun, weil es mir a) zu einfach wäre und b) all die Parteileute diskreditiert, die anständige und ehrlich gemainte Basisarbeit leisten, egal in welcher Partei. Und ich kann dies auch nicht als bundesweiten Trend erkennen. Es ist lediglich eine neue Partei auf der Bildfläche erschienen, die sich irgendwann bei einem Prozentsatz einpendeln wird - nicht mehr und nicht weniger.

     

    Ihren zweiten Absatz kann ich so nicht unterschreiben. Momentan sind es doch gerade die Grünen, welche Transparenz, Basisdemokratie et cetera erfunden haben wollen. Die FDP gibt sich als Erfinder und Bewahrer der Freiheit und der Bürgerrecht. Zumindest wird es immer dann besonders betont, wenn irgendwo die Piratenpartei im Gespräch ist. Wieso? Weil man den Wähler mal eben belehren möchte, wer besser ist? Ich finde das kindisch. Denn die meisten Bürger wissen um die Verdienste der Grünen. Und sie wissen um die Geschichte der FDP.

     

    Spaß- und Hipwähler gibt es wohl bei allen Parteien. Aber Guidos 18%-Spaßmobil haben die Piraten mit Sicherheit nie ins Auge gefasst. Und Kraft's "SPD ist Currywurst"?? Ist das ein Slogan für vollkommen verBLÖDete Nichtwähler oder nicht doch ein wenig "hip" gemeint, auf der Suche nach den Spaß- und Hipwählern sowie den jungen Leuten, ohne aber die Tauben- und Kaninchenzüchter im Ruhrpott zu verprellen?

     

    Die Piraten jedenfalls ziehen neben einem kleinen Anteil an Stammwählern hauptsächlich Protestwähler an, so meine Beobachtung. Und da kann sich Frau Künast hinstellen und behaupten: wir können auch Homepage... ja, nur ich finde auch das albern. Das ist doch kein politisches Statement als Gegenentwurf zu den angeblich inhaltslosen Piraten.

     

    Und ich teile auch nicht ihren Hinweis auf die Konstellationen bevorstehender Blockaden.

    Trotz der Piraten gibt es auch stabile Koalitionen wie bsw. in Berlin. Hier kann überhaupt nicht die Rede von Blockade sein.

    Zudem ist mittlerweile die größte Fraktion die der Nichtwähler. In einigen Bundesländern ist deren Anteil sogar größer als der einer großen Koalition. Und diesbezüglich können sich die etablierten Parteien in erster Linie an ihre eigenen Nasen packen.

     

    Andererseits sind die etablierten Parteien oft genug selbst die Meister der Blockaden, wo immer es dem Stimmenfang, dem Ego aufstrebender Parteijünger oder dem innerparteilichen Auseinandersetzungen nützlich ist. Die Folgen sind Zersetzungserscheinung innerhalb von Parteien wie bsw. in der FDP. Oder Koalitionen wie bsw. in NRW, SH oder Hamburg, die völlig instabil sind oder teilweise nicht einmal eine Periode überstehen. Daraus folgen unzählige Gesetzesbeschlüsse, die von Verwaltungs- und Verfassungsgerichten zurückgewiesen werden. Und daraus folgen eben auch viele Nicht- und Protestwähler.

     

    Wenn Sie also von einer Partei schreiben, die Protestwähler auf sich zieht- okay. Aber die Voraussetzung dafür waren und sind Parteien, die diese Protestwähler erst produzierten.

     

    Was den Hype in den Medien betrifft: stört mich nicht wirklich. Gab es schon immer. Das ist keine Dauererscheinung, es wird auch wieder abnehmen.

  • B
    Bitbändiger

    Nun, lieber @ole, ich bin nicht parteigebunden, sondern nur ein unabhängig denkender Bürger und eigentlich Wechselwähler (in gewissen Grenzen natürlich). Und ich habe am realen politischen System und vielen der darin Agierenden, über Parteigrenzen hinweg, so manches auszusetzen. Gegen die verbreitete pauschale Demontage und Verunglimpfung des Systems wehre ich mich allerdings (das gilt selbst für die "etablierten" Parteien, deren Worte und Taten mir zuwiderlaufen).

     

    Die Piraten berühmen sich unentwegt, dieses System überwinden zu wollen und Transparenz, Basisdemokratie und Bürgerrechte zu vertreten (wenn nicht gar erfunden zu haben). Sie gerieren sich damit sehr eindeutig als die ersten "wahren Demokraten". Mir sagt hingegen meine Lebenserfahrung, dass man viele Dinge nicht erst "ausprobieren" muss, um zu wissen, dass sie außerhalb einer definierten Laborumgebung nicht funktionieren, gar schaden oder zumindest nicht besser sind als das etablierte System.

     

    Im übrigen rege ich mich ja nicht über "die Piraten" auf - das wäre zutiefst undemokratisch. Was mir Sorge macht, ist das von auflage- und quotengeilen Medien erzeugt "geistige" Umfeld, in dem eine weitgehend aussageabstinente Erscheinung zur hippen, zeitgeistadaequaten Sekte hochstilisiert wird.

     

    Wenn's dabei um die Repräsentanz im Vorstand eines Kaninchenzüchtervereins ginge, könnte ich darüber amüsiert schmunzeln. Aber Politik hat dummerweise einen sehr ernsten, manchmal fatalen und viele Menschen in ihrem gesamten Lebensumfeld berührenden Hintergrund. Wenn eine Gruppierung zuhauf Spaß-, Protest- und Hip-Wähler auf sich zieht, führt das in Konstellationen und Blockaden, die sich niemand wünschen kann.

  • O
    ole

    Was für ein Quatsch, sorry...

     

    Die Piraten nehmen keinesfalls für sich in Anspruch, besser als alle Etablierten zu sein. Und daß eine solche Partei, die sich zweifelsohne noch in einer Findungsphase befindet, gelegentlich beim "Absondern von Sprechblasen" erwischt wird - geschenkt.

    Nun kann man darüber lächeln oder lästern. Eines ist jedoch sicher: die Aufgeregtheit der sogenannten etablierten Parteien wirkt auf die meisten Bürger ziemlich kindisch und hilflos. Wären die "Etablierten" wirklich so "programmatisch gefestigt", müßten sie sich doch eigentlich keine Sorgen machen. Souveränität jedenfalls sieht anders aus.

  • B
    Bitbändiger

    @Karin

     

    In der "Realpolitik", liebe @Karin, gibt es neben all den jämmerlichen Sprechblasen-Produzenten immer noch ein paar Leute (und zwar in allen etablierten demokratischen Parteien), die sich sachlich, fundiert und strukturiert zu Themen, Vorhaben und Entscheidungsgründen äußern, wenn man sie ausreden lässt.

     

    Die Piraten nehmen für sich in Anspruch, anders - nämlich besser - zu sein als die zeitgeistlich pauschalierte Karikatur der Etablierten. Wenn sie dann ebenfalls beim Absondern von Sprechblasen ständig erwischt werden, müssen sie sich außer der berechtigten Kritik auch ein bisschen Häme ob ihrer nervtötenden Selbstgefälligkeit gefallen lassen.

  • K
    klaus

    Der Tod der Grünen war der von ihnen zu verantwortende Angriffskrieg auf dem Balkan. Hr. Fischer gefällt sich ja auch jetzt in der Rolle der Kriegstreibers.

     

    Die Piraten haben noch keine Kriegshetze betrieben. Sie stehen zwar für nix - aber wenigstens auch nicht für Krieg.

     

    Fr. Roth der hohle Topg mag tönen solang sie will. Rot Grün ist tot und das ist das Verdienst der Piraten.

  • A
    anonymous

    Ihren Kommentar hier eingebenPiraten und Grüne haben eine Menge unterschiedlicher Standpunkte. Die Grünen stehen zum Beispiel für HartzIV und Sozialabbau, die Piraten für Bedingungsloses Grundeinkommen. Die Grünen stehen für die "Otto-Pakete", die Piraten für den Schutz der Privatsphäre und Transparenz von Politik und Wirtschaft. Die Grünen stehen für eine Verschärfung der Urheberrechte zugunsten der Verwertungsmafia, die Piraten für freies Wissen und freie Kultur. Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen.

    :-)

  • K
    Karin

    @Bitbändiger

     

    "Stereotype Sprechblasen" sind das Hauptmerkmal zeitgenössischer Politiker (vgl. bspw. Crouch: Postdemokratie). Sowas wie "Inhalte zählen", "Rückkehr zur Sachpolitik", "Verzicht auf Personaldebatten zur Unzeit" und der ganze Scheiß, den Politiker aller Parteien nunmal so von sich geben wenn der Tag lang ist, ist doch nicht weniger stereotyp - und deshalb ist es auch altbacken, nun ausgerechnet den Piraten sowas vorzuwerfen. Diese "Kritik" ist doch selbst bloß eine Sprechblase, die man auf alles und jeden münzen kann.

     

    Und überhaupt "Inhalte" und "Programm": Welche Partei hält sich denn an ihr Programm und welcher Wähler (außer grünen Studienräten vielleicht) liest denn vor seiner Wahlentscheidung alle Parteiprogramme durch und trifft nach sorgfältiger Abwägung seine Entscheidung?

  • A
    Arrr

    Trademarks, die die Grünen seit jeher innehatten: Bürgerbeteiligung, Transparenz, Datenschutz.

     

    Bei den Piraten sind das aber keine trademarks. Man will es wirklich machen. Wo der Autor Bürgerbeteiligung bei heißen Themen bei sagen wir mal Multikulti gesehen hat, ist sein Geheimnis. Die Grünen waren die erste Europapartei, welche nach der schweizer Volksabstimmung zu Minaretten still und heimlich die Einfrierung der vorgesehenen Volksentscheide in Europa vorbereiteten. Was abgestimmt werden darf wollen die Grünen bestimmen. jetzt reden sie wieder von Bürgerbeteiligung. Von Datenschutz auch. Oh, da fallen mir doch glatt die Otto-Gesetze ein. Wie blöd für die Grünen. 25% der Grünen waren mal Umweltschützer oder Friedensbewegte. 75% kamen aus extremen linken Sektierergruppen der 70er. Entsprechend ist ihr Vertrauen zum Volk. Eigentlich eine Art unendlich selbstgerechter SED, voller Doppelmoral, die ihren generalsekretät in einer tasächlich demokratischer Wahl wählt. Die taz ist ihr zentralorgan. Man biedert sich jetzt bei den Piraten an. Was man mit der Nazikeule nicht erschlagen konnte will man jetzt am besten mit einer Umarmung ersticken falls es nicht zu Grüne 2.0 wird und danach sieht es nicht aus. Ich werde die Piraten wählen weil sie immer noch glaubhaft für Freizügigkeit, Freiheit und echte Demokratie stehen. Das tun die grünen nicht. Die haben höchstens trademarks.

  • B
    Bitbändiger

    @michael

     

    "Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen. "

     

    Stimmt so nicht, lieber @michael - diese Liste ist schon so gut wie zu Ende, weil bei den Piraten weitere Themen allenfalls sporadisch und diffus auffindbar sind. Und die 3 genannten erweisen sich beim Versuch, konsequent nachzuhaken, als stereotype Sprechblasen, ohne jeglichen Ansatz zu Realisierbarkeit und Finanzierung.

  • M
    michael

    Piraten und Grüne haben eine Menge unterschiedlicher Standpunkte. Die Grünen stehen zum Beispiel für HartzIV und Sozialabbau, die Piraten für Bedingungsloses Grundeinkommen. Die Grünen stehen für die "Otto-Pakete", die Piraten für den Schutz der Privatsphäre und Transparenz von Politik und Wirtschaft. Die Grünen stehen für eine Verschärfung der Urheberrechte zugunsten der Verwertungsmafia, die Piraten für freies Wissen und freie Kultur. Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen.