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Kein Ort für Schwule

Schulleiter gesucht im Oldenburger Land: Als sich ein schwuler Lehrer bewirbt, regt sich Protest; der Pfarrer sammelt ihn, der Bewerber zieht zurück. Gegen Homophobie trommelt jetzt - der Schützenverein.

Da lang - oder nicht? Der Weg in die Grundschule führt in Rechterfeld offenbar immer noch über die Kirche St. Antonius. Bild: Lars Chowanietz

RECHTERFELD taz | Der Schulleiterstreit von Rechterfeld – man könnte ihn als bäuerlichen Schwank inszenieren, wenn der Ausgang nicht so ernst wäre. Aber vielleicht wäre das auch genau das richtige Ende dieses Stücks. Schwänke müssen ja nicht lustig ausgehen, sie können den Leuten auch den Spiegel vorhalten. Seht mal her, geht es bei Euch wirklich so zu?

Die Ingredienzien jedenfalls stimmen: Die Grundschule in dem 1.200-Einwohner-Dorf, das zur Gemeinde Visbek im erzkatholischen Landkreis Vechta gehört, – Südoldenburg, agrarisch geprägt, schwärzer als das Strauß-Bayern – sucht seit Monaten einen Schulleiter. Einer bewirbt sich; Schulvorstand, Schulausschuss und CDU-Bürgermeister sind angetan, ein Kandidat nach Maß, endlich: Das Ende der Vakanz scheint nah.

Doch dann: Ein Anruf nach dem anderen, so berichtet die Oldenburgische Volkszeitung, geht beim katholischen Ortspfarrer ein. Alle beschweren sie sich über den Bewerber, schwul sei er und evangelisch – wobei man nicht weiß, was schwerer wiegt für die Leute. Der Pfarrer teilt dem Lebenspartner des Bewerbers mit, dass es Proteste gibt, bietet ein Gespräch mit dem Bewerber an, der in dem Moment selbst nicht zu Hause ist. Aber dazu kommt es nicht mehr: Der Mann will doch lieber Lehrer in Bremen bleiben und weiter zwischen dem Wohnort in der Nähe von Rechterfeld und der Großstadt pendeln, die ihm – jetzt noch mehr vielleicht – als Ort erscheint, an dem es egal ist, wie er lebt und liebt.

Der Pfarrer als Hauptfigur, wie es sich gehört für einen katholischen Ort, in dem die Kirche – immer noch, und nicht nur ihr backsteinerner Neogotik-Bau – in der Mitte des Ortes steht. Hermann Josef Lücker, so heißt der Geistliche, sagt, zehn Rechterfelder hätten ihn angerufen. Ihre „Sorgen, Ängste und Nöte“ hätten sie ausgedrückt. Er habe ihnen gesagt, sie sollten sich direkt an den Kandidaten wenden, das aber hätten sie nicht tun wollen. Also habe er es getan, weil es wichtig sei, dass man „offen und ehrlich miteinander redet“. Aber hat er damit nicht erst losgetreten, was er jetzt selbst als „Katastrophe“ bezeichnet? Nein, sagt er, er habe das nicht unter den Teppich kehren wollen.

Auf die Idee, seine Schäflein zur Räson zu bringen, ihnen etwas von jener liberalen Haltung zu predigen, die er für sich selbst reklamiert, und so – mit der Autorität seines heiligen Amtes – jene Sorgen, Ängste und Nöte aus der Welt zu schaffen, auf diese Idee ist er wohl gar nicht erst gekommen. Nun beklagt auch er sich darüber, dass Schmutz über Rechterfeld ausgekübelt wird, dass das Katholische und Bäuerliche und Konservative zu jener Mixtur verrührt wird, aus der die Südoldenburger zwar einerseits ihr Selbstbewusstsein speisen, unter der sie aber immer auch leiden. Pfarrer Lücker will jetzt Schaden abwenden, vom Dorf, von der Region. Er sagt, es sei den Anrufern nicht um „schwulenfeindliche Äußerungen oder darum, dass der Bewerber evangelisch ist“ gegangen, es sei „nicht wahrhaftig“, was jetzt berichtet werde. Ja, was war denn dann das Problem? Er könnte es erklären, aber er tut das nicht, sondern will darüber schweigen, was die umtrieb, die jetzt der homophoben Hetze beschuldigt werden. Und lacht am Telefon, als man sagt, dass das aber auch nicht weiterhelfe bei der Suche nach Gründen für das, was passiert ist.

Auch wenn am Freitag eine Solidaritätskundgebung für den Ex-Kandidaten geplant ist, sich die Vorsitzende des Schulvorstands Elke Meyer-Pundsack für den Mann ausspricht und „eine Riesenschweinerei“ nennt, was passiert ist, auch wenn sich die einflussreiche Schützenbruderschaft St. Antonius gegen Schwulenhetze wendet – wenn auch aus Sorge um den Wirtschaftsstandort, wie der Vorsitzende Markus Dorissen-Wesjohann bekennt –, und auch wenn jetzt viele betonen, man könne die Leute nicht über einen Kamm scheren, schwulenfeindlich sei ihr Dorf nicht: Der Kandidat, der zur Sache nichts mehr sagen möchte, wird sich nicht umstimmen lassen. Und die Rechterfelder werden noch lange darüber nachdenken, was ein paar Leute aus ihrem Ort angerichtet haben.

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9 Kommentare

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  • M
    Maxi

    schwulenfeindlich

    diskriminierend

    ich würde mich nicht unterkriegen lassen

  • A
    Arcy

    Recherche ist was anders!

     

    Wieso werde ich in der TAZ nicht darüber informiert, dass sich die Kirche, der Weihbischof, sich von den schwulenfeindlichen Protesten distanziert: "Homosexualität ist weder krankhaft, noch eine schlechte Veranlagung", sagt Prälat Peter Kossen (Vertreter des Weihbischofs). Das ganze steht in eben derselbigen Oldenburgische Volkszeitung online verfügbar, aus der auch dieser Artikel seine Quellen bezieht.

     

    http://www.ov-online.de/visbek/item/kirche-distanziert-sich-von-schwulen-hetze

     

    Arcy

  • A
    Arcy

    Hätten sich die zehn Hansel doch an die taz gewendet. Dann hätte die taz nun das Problem. Oder natürlich nicht, wenn sie den Mund gehalten hätte ;-)

     

    Mir scheint es geht hier vor allem darum, einen Anlass zu haben, um die eigenen Vorurteile von erzkatholischen, miefigen homophoben "Käffern" als Sau durch Dorf zu jagen. Da ist es relativ irrelevant und mehr "Folklore", dass sich im konkreten Fall das Sinnbild eines "Kaffs", ein Schützenverein! (ist das nicht ein waffenvernarrter, saufender Männerhaufen?) gegen Homophobie ausspricht

     

    Spielen da vlcht. auch noch Priester-Fantasien bei der Berichterstattung eine Rolle? Die sind doch für alles gut. Sie sind schwul, sie sind gleichzeitig homophob und mit Kindern machen sie es ja auch noch. Der rechtsradikale Pfaffenspiegel läßt grüßen!

     

    Ansonsten liebe taz, als Bremer taz-Leser kann ich nur sagen: Gemäß dem, was die priesterlichen bremischen taz-nachrichten so vermelden, ergibt sich für Bremen dann mit gleicher Logik folgendes Bild: ein rechtsextremes evangelikales Öko-Kaff.

  • N
    N.N.

    Ich lese hier mehrfach "Homosexuelle und Lesben" - was soll das? Sind Lesben nicht homosexuelll??

  • D
    Dhimitry

    Gegen Diskriminierung, auf nach Bremen!

     

    Das wussten schon die Stadtmusikanten...

  • T
    Tommy

    Traurig, was ein Klüngel von Betonkatholiken in diesem Kaff anrichtet! Statt gegen einen Mitmenschen zu hetzen, was ein Verstoß gegen das christliche Liebesgebot darstellt, sollten diese Leute ihre Nase lieber in den hochoffiziellen und gültigen katholischen Katechismus stecken, in dem unter dem Stichwort "Verbot der Diskriminierung homosexueller Menschen" geschrieben steht (Artikel 2358): "Man hüte sich, sie in irgend einerWeise ungerecht zurückzusetzen." Und, Herr Banse: Weder Homosexuelle noch Lesben oder Behinderte bedürfen einer "Rehabilitation". Sie alle sind von Gott geliebt wie Sie und ich. Bedenken Sie in diesem Sinne doch mal die in Joh 14,2 Satz 1 zitierten Worte Jesu: "In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen." (Auch welche für Schwule und Lesben undMenschen mit Handicap!)

  • K
    Knut

    Warum sollte der Pfarrer seine Schäfchen zu Räson bringen? Haben die Leute gedroht diesen Mann zu verprügeln? Nein. Es wurden lediglich Bedenken geäußert. Und das muss in diesem Land erlaubt sein, ohne das gleich die Moralapostel ihre schlauen Forderungen stellen. Für einen frommen Katholiken ist Homosexualität Sünde. Soll der Papst nun als oberster Verwalter der Kirche dieses befürworten und damit die ganze christliche Lehre und das Erbe Christus infrage stellen? Die katholische Kirche hat sich bereits mit dem 2. Vaticanum zu Tode reformiert.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Moral und Sitte sind noch nicht out

    Homosexualität ist in der katholischen Kirche nicht legitimiert,was nicht zu beanstanden wäre,im Bezug auf einen homoseuellen Lehrer.

    Bevor Homoseuelle,Lesben rehabiltiert werden,sollte erst einmal eine andere homogene Minderheit rehabilitiert werden,was Menscehn mit einem Handicap betrifft.

    Als Bewerber weiss man,dass gerde in der katholischen Kirche noch viel Wert auf Sitteund Moral gelegt wird-deshalb ist es unverständlich dass ein Bewerber,der sich als homoseuell outet,sich in einer Gegend bewirbt,die überwiegend katholisch geprägt ist.

  • W
    Weinberg

    Hätte der schwule Bewerber doch wenigstens der römisch-katholischen Kirche angehört ...