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Teneriffa nachhaltigSchöner wohnen für die Forschung

Wer sich im bioklimatischen Dorf auf Teneriffa einquartiert, kommt in den Genuss von Nachhaltigkeitsstandards im Wohnungsbau. Man erfährt viel über Erneuerbare.

Die Vivienda El Pueblo, gebaut von den Architekten Kaarina Löfström und Markku Kolehmainen. Bild: iter

Nach Urlaubsparadies sieht es hier nicht aus. Der Industriepark des Instituto Tecnológico y de Energías Renovables (Iter) in Granadilla im Süden Teneriffas liegt zwar direkt am Meer, doch die in einer Linie stehenden riesigen Windräder verheißen keine paradiesische Ruhe.

Auch wenn sich die schleifende Geräuschkulisse der Windräder mit dem Meeresrauschen zu einem undefinierbaren Brummen der Gezeiten mischt. Unterhalb der Werkshallen, mitten in der kargen Landschaft auf dem Industriegelände von Iter, stehen originelle, individuell gestaltete Häuser. Sie wecken Neugierde.

In der zerklüfteten Vulkanlandschaft mit dem schwarzen Sand, gesegnet mit Sonne und Wind, haben 24 Architekten aus aller Welt ihre Vorstellung vom bioklimatischen Haus verwirklicht. Aus mehr als 400 Einreichungen wählte ein Jury 25 Entwürfe aus, 24 davon wurden mit den Geldern der Provinzregierung – ein Haus kostete ungefähr 120.000 Euro – errichtet.

Das Dorf

Das Projekt: Das bioklimatische Dorf im Süden von Teneriffa liegt etwa sieben Kilometer vom Flughafen entfernt. Die 24 vollkommen unterschiedlichen Häuser werden mit Windenergie gekühlt und mit Solarenergie versorgt. Auto notwendig. Einkaufsservice möglich. Alle Häuser liegen am Meer und unter Windrädern, ein Naturstrand ist etwa 10 Minuten zu Fuß entfernt. Instituto Tecnológico y de Energias Renovables, S. A., Pol. Ind. de Granadilla, s/n, 38600 Granadilla de Abona, Santa Cruz de Tenerife, Tel.: (00 34) 9 22 74 77 00, casas.iter.es

Die Preise: Haus für 2 Personen 136 Euro pro Nacht; Haus für 4 Personen 168 Euro; für 5 Personen 189 Euro und für 6 Personen 210 Euro.

Weitere Infos: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Tel.: (0180) 3 00 26 47, www.spain.info

Diese Reise wurde durch Teneriffa Tourismus unterstützt.

Sie heißen la Estrella, el Cubo oder el Caminito und sind technischen Koryphäen gewidmet: etwa Doktor Werner Bloss, einem Deutschen, der die Sonnenergie voranbrachte, oder Professor Robert Hill, einem Australier, der Nachhaltigkeit lehrte. Strom und warmes Wasser liefern Wind und Sonne, die Steine der Erde und der Häuser dienen als Temperaturspeicher, der tagsüber Wärme aufnimmt und sie nachts wieder abstrahlt. Süßwasser wird aus der institutseigenen Meerwasserentsalzungsanlage gewonnen.

Ingenieure des Energieparks vermessen den Nutzen der Häuser: Fühler in den Wohnräumen melden die Daten an eine Zentrale. Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit werden ausgewertet. Denn das von internationalen Architekten entworfene bioklimatische Dorf auf Teneriffa soll eine Vorlage auch für den sozialen Wohnungsbau der Zukunft bieten.

„Es ist als Versuchsprojekt für Architekten und Investoren weltweit gedacht, um sich umfassend über Möglichkeiten des bioklimatischen Bauens zu informieren“, sagt Ricardo Melchior, der Inselpräsident von Teneriffa, beim Gang über die Anlage. „Vielleicht gefällt einer von unseren 24 Lösungsansätzen.“ Das sei nicht nur für Reiche, sondern „jeder kann das machen“. Der freundliche Melchior ist ein Visionär, sein großes Vorbild ist die Weißenhofsiedlung in Stuttgart. Sie wurde 1927 vom Deutschen Werkbund unter der Leitung von Ludwig Mies van der Rohe errichtet. „Sie gilt heute noch als herausragendes Beispiel neuen Bauens“, sagt Melchior. „Wir wollen die Vorreiter des energiesparenden Bauens sein.“

Kreative Häuser

Viele der Architektenentwürfe auf dem Gelände von Iter wirken futuristisch: Häuser mit riesigen Glasfassaden, die die Sonne speichern, Häuser mit bunkergleichen Schießschartenfenstern, Häuser, die fast in der Erde verschwinden. Eine Ansammlung kreativer Entwürfe, die Wohnkomfort und Klimaneutralität miteinander verbinden wollen. Jedes Haus ist besonders und erfüllt doch die Kriterien: „Eine Siedlung, deren Bauten genau auf die Klimaverhältnisse des Standortes zugeschnitten sind“, weiß die Projektkoordinatorin Miren Irarte. Sie ist auch zuständig für die touristische Vermarktung der Häuser.

Stolz zeigt sie die Designermöbel in den Häusern – vorzugsweise in Weiß, Braun, Orange und Rot, teilweise aus haltbarer Plaste. Effiziente Hausgeräte und andere Spareinrichtungen zielen auf einen geringen Verbrauch von Energie und Wasser. Moderne Küchen, großzügige Wohnräume lassen die Häuser luxuriös, elegant erscheinen – 120 Quadratmeter Fläche verteilt auf drei bis vier Schlafräume und das Wohnzimmer.

Der Wohnraum der Häuser ist großzügig und elegant gestaltet. Die Terrasse verheißt ultimatives Urlaubsfeeling. Bild: iter

Seit 2011 können die Häuser für einen Ferienaufenthalt gemietet werden. Von Familien oder Surfern, die ihr Revier im nahegelegen El Médano haben. Die kleine Stadt im Südosten Teneriffas ist von Bettenburgen verschont geblieben. Der längste und hellste Naturstrand von Teneriffa erstreckt sich sichelförmig über eine Länge von mehreren Kilometern. Feiner Sand eingerahmt von Tuff-Felsen. Im Badeort El Médano warten die Wind- und Kitesurfer auf die perfekte Welle.

Um von zum sechs Kilometer entfernten abgelegenen Iter-Gelände zu kommen, braucht man einen Mietwagen oder ein Taxi. „Die Anlage ist natürlich vor allem für Tagungen von Architekten und Ingenieuren gedacht. Doch wenn wir Platz haben, dann ist es sinnvoll, sie touristisch zu nutzen“, sagt Melchior.

Fünf Millionen Besucher zählt Teneriffa jedes Jahr. Melchior ist sich sicher, „dass es darunter einige gibt, die sich für Nachhaltigkeit interessieren und die das Gelände und den dortigen Umweltpark mit großem Interesse besuchen.“ Insgesamt drei Windparks sind innerhalb der Anlage entstanden. Was als Pilotprojekt begann, kann mittlerweile als erfolgreiches Unternehmen bezeichnet werden. Der Iter-Windpark ist zu einem kanarischen Vorzeigeobjekt von Weltruf geworden. Derzeit werden in dem Park jährlich 35 Gigawatt Energie erzeugt und in das öffentliche Netz eingespeist. Man experimentiert mit verschiedenen Modellen, um die effektivste Methode zu erforschen.

Ein kleiner Umweltpark auf dem Gelände erklärt Sonnenkollektoren und zeigt Modelle der Wasser- und Windenergienutzung im Miniformat. „Wir – der Ingenieur Manolo Cendagorta und ich – sind seit 36 Jahren mit dem Thema regenerative Energien beschäftigt. Und niemand glaubte daran“, erzählt Melchior in bestem Deutsch, er hat unter anderem an der Ingenieurfachhochschule in Aachen studiert. Im modernen Besucherzentrum des Parks zeigt Melchior einen Film über die Entstehung des bioklimatischen Modelldorfes, in dem die Architekten ihre Idee, ihre Häuser vorstellen.

Wohnen im Labor

Touristen als Versuchskaninchen für bioklimatische Häuser? „Warum nicht“, sagt Melchior. „Die Leute müssen das erfahren.“ Für Melchior und seinen Mitstreiter, den Ingenieur Manolo Cendagorta, ist das Projekt ein Schritt dazu, die Insel komplett mit regenerativen Energien zu versorgen. „Unser Ziel ist ’Teneriffa 100‘, 100 Prozent regenerative Energie.“

Auf den Kanaren gibt es kein Erdöl, kein Gas, keine Atomenergie. Und die Inseln sind per se ein dezentrales Energiesystem. „Vor 10 Jahren waren wir Träumer, vor 30 Jahren Spinner. Jetzt sind wir angesagt. Ich bin in die Politik gegangen wegen meiner festen Überzeugung vom Nutzen der regenerativen Energien. Denn wir sagten uns: Wenn wir es nicht machen, wer dann?“

Zuerst Teneriffa, aber Melchior hat auch Ideen für Mauretanien, Tschad, Sudan. „Unsere unmittelbaren Nachbarn sind arm, die Region dort ist trocken. Wir können hier für die afrikanischen Länder Technologien entwickeln: Wasserpumpen, Sonnenenergie, Meerwasserentsalzungsanlagen, Biomassesysteme. Man muss vor Ort mit den Energien arbeiten. Das ist die Zukunft.“

Die Erschaffung dieser CO2-armen Zukunft kann der Urlauber im bioklimatischen Dorf hautnah und geräuschvoll erleben. Falls es zu laut wird, bietet der sieben Kilometer lange ökologische Wanderweg, vorbei an Sonnenkollektoren über das bergige Vulkangestein Richtung El Médano, erholsame Stille.

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4 Kommentare

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  • Ein tolles Projekt und wirklich gelungene Haus-Designs. Zum Kommentar von Raabe. Das Klima auf den Kanaren ist zwar ganzjährig frühlingshaft, aber bei Tiefsttemperaturen von 14 Grad im Winter, siehe www.kanarenzeit.de/klima-temperaturen/ machen auch dort energiesparende Häuser Sinn. Dicke Mauern sind vielleicht auf den Fincas in den Bergen noch verbreitet, aber wie überall wächst auch auf den Kanaren die Bevölkerung und Wohnraum wird dann meist recht billig geschaffen. Eben ohne Isolierung an Wänden und Fenstern. Von Freunden weiss ich, dass dort dann mit elektrischen 2400 Watt-Ölradiatoren geheizt wird, bei denen die Wärme durch unisolierte Wände und Fenster sich kaum in den Räumen hält. Eine riesige Energieverschwendung, auch wenn es nur 2 Monate im Jahr sind. Wenn die Inseln dann 100 Prozent auf regenerierbare Energien setzen wollen, wird das ohne energisparende Häuser schwierig. Und Teneriffa bzw. die kanarischen bieten eben auch viele Möglichkeiten zur Energiegewinnung aus Sonne, Wind und Wasserkraft.

    Ich finde das Thema extrem spannend und würde die Häuser gern mal besichtigen, auch ohne dort zu übernachten.

  • SO
    Steve O

    135 Euro pro Nacht :/ Da muss ich dann wohl doch zelten.

  • R
    Raabe

    Wie kann es sein, daß auf einer Inselgruppe wie den Kanaren, auf der frühlingshafte bis hochsommerliche klimatische Verhältnisse herrschen, und daher so gut wie kein Haus auf diesen Inseln mit einer Heizung oder Isolierfenstern ausgestattet wird, weil man diese Ausstattungen einfach nicht braucht, weil es keinen Winter, keinen Schnee und keinen Frost gibt (außer natürlich auf dem Vulkan Teide, aber da wohnt ja keiner) – wie kann es da sein, daß gerade auf Teneriffa, dieser Frühlingsinsel, Energiesparhäuser gebaut werden? Ich zitiere aus dem Artikel: …Melchior. „Wir wollen die Vorreiter des energiesparenden Bauens sein.“

     

    Die alten kanarischen Häuser besitzen dicke Steinmauern, die seit alters her für ein ausgeglichenes Raumklima sorgen. Heizungen oder Klimaanlagen braucht man da nicht.

     

    Und ausgerechnet in der unmittelbaren Nähe von Medano, dem Surferparadies mit den zahlungskräftigen Urlaubern, wird nun ein solch teures Ambiente mit ökologischem Touch angeboten – ei, ei, ei.

  • S
    Schorsch

    Immer wieder wird die Lautheit von Windkraftanlagen genannt oder gar angeprangert, das geht schon gebetsmühlenhaft und durchweht immer wieder die Medien, so lange, bis es jeder glaubt.

     

    Auch in diesem Artikel wird geschrieben: "doch die in einer Linie stehenden riesigen Windräder verheißen keine paradiesische Ruhe" - wohl bemerkt, sie "verheißen keine Ruhe", "verheißen" drückt ja lediglich die Erwartung aus, daß keine "paradiesische Ruhe" vorhanden sein werde, doch real nachgeprüft, wie laut oder leise eine Windkraftanlage ist, hat dies Frau Kresta offenbar nicht.

     

    Da ich mir diese Mär von lauten Windkraftanlagen nicht so recht vorstellen konnte, fuhr ich vergangenen Winter während meines Aufenthalts auf Teneriffa direkt an eine solche Anlage. Ich wollte es wissen, ob die Windkraftanlage laut ist. Wir stiegen aus dem Auto aus und liefen direkt unter den Rotor. Wir waren verblüfft. Es war nur ein leises Sch Sch Sch. Einige Meter davon entfernt, hörte man nichts. Und wir sind nicht taub.