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ESC-BerichterstattungZwischen Heuchelei und Anteilnahme

Laufen deutsche Journalisten Gefahr zu heucheln, wenn sie über Menschenrechtsverletzungen vor dem ESC in Aserbaidschan schreiben? Pro & Contra.

Die aserbaidschanische Hauptstadt Baku von ihrer glanzvollen Seite. Bild: dpa

Vor dem Finale des Eurovision Song Contest in Baku ist unter Beobachtern des Wettbewerbs ein Streit entbrannt, wie man angemessen über die Veranstaltung berichtet.

Kern der Diskussion ist die Frage, wie journalistisch mit den demokratischen Defiziten des Gastgeberlandes umzugehen ist; mit Zwangsräumungen, fehlender Meinungs- und Versammlungsfreiheit, mit Schikanen durch die Polizei und unrechtmäßigen Verhaftungen. Auch in der Redaktion der taz wird diese Frage intensiv diskutiert.

Für die taz berichtet aus Baku Redakteur Jan Feddersen, der den Eurovision Song Contest seit vielen Jahren beobachtet – schon vor seiner Abreise hatte er über Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan berichtet. Er bloggt zudem für den NDR aus Baku. In einer Kolumne auf taz.de hatte sich Feddersen zum Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, geäußert. Menschenrechtsskandale, wie sie Löning öffentlich angeprangert hatte, gebe es durchaus in Aserbaidschan, schrieb Feddersen. „Viele hier werden den Verdacht nicht los, dass es einerseits stimmt, was er mitteilte. Und andererseits auch eine Spaßbremse sondergleichen ist.“

Daraufhin kritisierte der Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, Wolfgang Grenz, Feddersens Aussagen als „weltfremd“. Auch der Medienjournalist Stefan Niggemeier, der für Spiegel Online aus Baku berichtet, hatte sich in seinem Blog kritisch zur Berichterstattung Feddersens geäußert. Journalisten, Fans und Kritiker hätten sich zuvor darauf geeinigt, dass es gut sei, wenn möglichst viele nach Baku fahren würden, um sich ein eigenes Bild zu machen. „Aber die Leute, die jetzt in Baku sind, sehen natürlich vor allem: die Fassaden.“ Felix Dachsel

PRO

Zunächst zu den Fakten: Dieses Land Aserbaidschan am Kaspischen Meer ist im Vergleich zu seinen Nachbarn nicht nur auf den ersten Blick eine westlich anmutende Oase.

Über die Demokratiedefizite Russlands, über die theokratischen Despoten in Iran oder über das auch nicht gerade plurale Georgien muss man kein Wort verlieren. Eher noch über die Türkei – im Gegensatz zu dieser wird in Aserbaidschan eine strikte Trennung von Staat und Religion geachtet.

Baku sieht westlich aus, Kopftücher bei Frauen sind rar, Schwule und Lesben werden durch kein Gesetz verfolgt. Dass Queerness in Aserbaidschan nicht so populär ist, liegt mehr an bislang fehlenden Einflüssen aus dem zentralen Europa. Was den Gehalt des Demokratischen anbetrifft, kommt dieses Land eher dem Niveau Rumäniens oder Bulgariens vor den Beitritten zur EU nahe.

Baku verströmt überall den Charakter von Moderne und einen fast wahnsinnigen Willen zum Aufbruch. Organisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International machen seit dem Sieg von Ell/Nikki in Düsseldorf im Mai 2011 einen glänzenden Job, auch ich habe damals auf die Probleme hingewiesen, die es in Baku geben würde. Die Organisationen machen das, wofür sie da sind: auf Missstände hinzuweisen. Und sie tun das in Form von Kampagnen. Ihre Hinweise in Sachen ESC und Aserbaidschan waren nötig – und gut. Tatsächlich sitzen etwas mehr als ein Dutzend Menschen im Gefängnis, weil sie gegen das Regime in Baku auch durch (nicht genehmigte) Proteste aufstanden. Die europäische Welt erfährt nun, dass in Aserbaidschan noch manches im Argen liegt.

Aber es ist kein Land wie Kambodscha unter den Roten Khmer, es ist kein Nordkorea, es ist kein Myanmar von vor einem Jahr: Vor allem ist es die freundlichste ESC-Gastgeberstadt, die sich denken lässt. Offenbar ist die immer breiter werdende Mittelschicht des Landes stolz, den arrivierten Europäern zu zeigen, dass sie so ein buntes Event veranstalten können. Anders beim ESC in Moskau 2009 oder in Belgrad im Jahre 2008. Dort wurden ESC-Besucher mehr geduldet und ertragen. Moskaus Bürgermeister Luschkow sagte damals, er werde nicht die Eröffnungsparty beehren – weil er einem Schwulen nicht die Hand schütteln wolle.

Zur Medialisierung gehört auch, Missstände zu benennen – aber mir als Journalist war und ist wichtig, alle Perspektiven gründlich in den Blick zu nehmen. Aserbaidschan braucht gewiss mehr Akkuratesse in puncto Menschenrechte. Was wir nicht brauchen, ist eine Medialisierung, die einseitige und verzerrende Schwerpunkte formuliert. Wer momentan in Baku übersieht, dass auch durch den ESC die Stadt quasi europäisch „infiziert“, ja „gequeert“ wird, verkennt das Politische am ESC. Jan Feddersen

Contra

Die Aufgabe von Journalisten lässt sich nüchtern auf die Formel bringen: hinter die Fassaden blicken. Das in Aserbaidschan und beim ESC nicht anders als anderswo, nur dass die Fassaden hier ganz außerordentlich prachtvoll sind.

Der Grand Prix ist für das autoritär herrschende Regime eine Fassade, um sich der Öffentlichkeit als europäisch, modern und weltoffen zu präsentieren. Einiges in Baku ist verblüffend europäisch.

Doch viele europäische Werte und Ideale zählen hier nichts. Kritische Journalisten werden zusammengeschlagen und drangsaliert, friedliche Demonstrationen gewaltsam aufgelöst, Leben und Werk von Bürgerrechtlern brutal zerstört.

Die Ausrichtung des ESC ist hier eine tatsächlich nationale Aufgabe, ein Regierungsprogramm. Deshalb gehört zur Berichterstattung darüber auch die Berichterstattung, um was für eine Regierung es sich handelt und welche Opfer Menschen dafür bringen mussten.

Der große Parkplatz, auf dem in Baku täglich Hunderte Journalisten in Shuttle-Busse zur Kristallhalle umsteigen, ist der Ort, an dem vor kurzem noch Menschen in Mittelklasse-Wohnungen lebten, bevor sie eilig, brutal und vermutlich selbst nach aserbaidschanischem Recht ungesetzlich vertrieben wurden. Man kann es Verantwortung nennen, diese Menschen nicht zu vergessen, oder Solidarität.

Es reicht aber schon ein journalistisches Selbstverständnis, hinter die Fassaden gucken zu wollen.

Es ist nicht alles Elend, was man dort erblickt. Aber es gibt auch viel Elend, das man dort nicht auf Anhieb erkennt. Die Zahl der politischen Gefangenen zum Beispiel ist im Vergleich gar nicht so groß, die Opposition klein, die Zustimmung im Volk zum Präsidenten hoch. Aber das ist auch Ausdruck dafür, wie geschickt das Regime Macht und Geld für sich nutzt; wie drastisch und vollständig es seinen Bürgern Interesse und Engagement ausgetrieben hat.

Jan Feddersen hat die Menschen, die darüber berichten, in vielfacher Weise verunglimpft. Er hat den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung eine „Spaßbremse“ genannt und Kritiker als „Menschenrechtisten“ verspottet.

Dabei gibt es hier keinen Druck auf alle und jeden, sich zur politischen Lage zu erklären. Auf den Pressekonferenzen werden die Sänger nicht mit Fragen danach behelligt, Roman Lob darf einfach die Stadt toll finden und über Tattoos und Mützen reden. Der ESC-Zirkus darf ESC-Zirkus sein. Aber die Chance, auch kritisch hinter den Vorhang zu gucken und mehr zu erfahren, wo er gastiert, warum und zu welchem Preis, die müssen wir Journalisten nutzen. STEFAN NIGGEMEIER

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21 Kommentare

 / 
  • S
    stromboli

    nachtragend noch einen überblick darüber, wie feddersen mittlerweile in der GLBT -community aufgenommen wird...

     

    http://www.queer.de/detail.php?article_id=16646

     

    Wobei der eigentliche skandal hier noch nicht angesprochen: die entscheidung der TAZ, Elmar Kraushaar's kolumne gegen feddersen nicht zu drucken!

     

    Es zeigt auf, wie "meinung" erstellt wird oder im zweifelsfalle nicht abgedruckt wird!

     

    Die begründung durch die redaktion ist bestenfalls beleidigend, weil sie schwules anliegen als verhandelbar, sprich mit einem "einmaligen kommentieren abgehandelt werden kann, statt den notwendigen streit eine offene plattform zu bieten...

    nun ja, baku erledigt sich in einem wochenendbeilageartikel , und menschenrechte sortieren sich nach vorrang...; da muss die LGBT-gemeinde halt bis zum nächten event mit ihren anliegen-forderungen warten!

    Danke TAZ

  • JB
    Jens Bln

    Aber natürlich geht's hier und anderswo um pure Heuchelei. Mir ist nicht bekannt, dass dereinst jemand auf den Trichter kam die "Olympischen" in China zu boykottieren. Diese perferse Diskussion um die EM in der Ukraine steht auf demselben Blatt.

    Überhaupt würde es mich freuen, dass zum nächsten Wettbewerb dieser Krakeeler und Schreihälse China und Mongolei dabei sind. Is' ja auch ein europäischer Wettbewerb...

  • R
    Rudimentär

    Die Musik hat nichts mit Qualität zu tun. Das ist billigste Popmusik unterster Kategorie. Noch nicht einmal landestypische Musik wird da vorgestellt. Die Künstler entsprechen meistens auch nicht den normalo Bürgern des Landes (Siehe z.B. Schweden). Alle Acts wären absolut austauschbar.Die Bekanntmachung eines Landes und die Vorstellung dessen Musikkultur ist nicht mehr erkennbar. Da könnte auch die BRD die Rolling Stones verpflichten.

    Und die Entscheidungen und Punktevergabe ist rein politisch bereits am grünen Tisch vorab beschlossen.

    Hier spielen Internationale Interressen der Großkonzerne und die Eitelkeiten der entsprechenden Regierungen ein Rolle. Allein das dieses Scheißland mit seinem Mist letztes Mal gewonnen hat, lässt mich kotzen. Statt die Ölmilliarden in die Infrastrucktur zu stecken und dem Volk zu Gute kommen zu lassen, wird hier ein Prestigeprojekt finanziert.

     

    Das beste der letzten Jahre war eh Lena!!!

     

    Blos nicht mehr anschauen und verarschen lassen!

  • SM
    Stefan Mielchen

    Wie genau sieht denn bitte "mehr Akkuratesse in puncto Menschenrechte" aus?

  • A
    Andrea

    Wir, die "aufgeklärten Demokratien" vermengen genau wie die Despoten Politik und Event, sei es Sport oder Musik. Wir haben gewählte Politiker und Diplomaten die sich zur Politik äußern sollen. Schweinsteiger, Lena Podolski et al. sollten nicht genötigt werden ukrainische oder aserbaidschanische zu kommentiern, denn sie sind NUR zum kicken und trällern da.

  • H
    Hervé

    @ Westlinker:

     

    Du hast zwar Recht, aber ich möchte dich bitten, von Feddersens "heilem Welt"-Gesabber nicht auf die gesamte homosexuelle Klientel zu schließen. Als bekennender Schwuler distanziere ich mich von dieser Form von Oberflächlichkeit, die einem heutigen ESC-Anhänger offensichtlich ohnehin von Haus aus in der Denke liegt. Anderenfalls müsste ihm bei kritischer Betrachtung bewusst sein, dass seit Einführung einiger "Reformen" bei diesem Festival wie z. B. dem Wegfall der Landessprachenregelung, Beliebigkeit der Nationalität von Komponist und Texter viel mehr Wert auf die Show und die ganze Ausstattung gelegt wird als auf die qualitativen Ansprüche an das Lied.

     

    Das ist ungefähr so, als ginge es bei einer Kunstausstellung nicht mehr um die Gemälde an sich, sondern welches den schönsten und attraktivsten Rahmen hat. Oder anders ausgedrückt: der Inhalt eines Buches ist nicht mehr entscheidend, sondern wie schick sein Einband gestaltet ist.

     

    Und ich weiß nicht, was perverser ist: der Umstand, dass mehr Geschrei um das oberflächliche Brimborium außenherum völlig losgelöst vom Inmhalt gemacht wird oder das Ignorieren dieser Tatsache.

     

    Insofern wird man von solchen Fans auch nicht erwarten können, dass sie über ihren subjektiven Tellerrand hinaus schauen (wollen): die Denke dürfte die sein "Was kümmert mich der Aussatz rundherum, wenn ich in meiner eigenen Schokoladenwelt lebe?" Und das ist eine Einstellung, die ich nicht nur für dekadent, sondern auch für zutiefst asozial halte. Und mit solchen Existenzen möchte ich unabhängig von der sexuellen Orientierung NICHTS, aber auch gar NICHTS zu tun haben.

  • W
    Westlinker

    Feddersens Haltung "Wenn Homos einigermaßen geschont werden, ist ein autoritäres Regime nicht gar so schlimm" hat etwas unangenehm klientelistisch-eigensüchtiges.

    Kennt er Martin Niemöllers Gedicht "Als sie die Kommunisten holten..."?

  • G
    genova

    ein zu null für niggemeier.

  • D
    Dennis

    Ich werde den ESC , die Formel 1 (wegen Bahrein) und die Fußball-EM (wegen Timoschenko) - so gut wie es eben geht - boykottieren und nicht aktiv etwas tun, um es zu sehen. Ich weiß, als Einzelner ist man machtlos. Aber wenn es alle die, die es aus Überzeugung tun, auch machen, wäre es ein Zeichen gegen die Menschenrechtsverletzungen. Wenn überhaupt, werde ich die kritischen Hintergrundsendungen anschauen.

  • A
    Amisista

    Sehr geehrter Herr Feddersen,

     

    Ich kann verstehen, dass Ihnen der renovierte Teil Bakus und das riesige Spektakel des ESC gefällt

    und dass Sie von Aserbaidschan überrascht sind. Was ich hingegen nicht verstehe ist, warum sie

    Aserbaidschan in ihren angeblich die "Fakten" wiedergebenden Absätzen als ein westlich anmutendes,

    relativ demokratisches Land, das seinen Nachbarländern in dieser Hinsicht weit überlegen ist,

    darstellen. Wie sie anhand der Realität zu dieser Einschätzung gelangen ist mir unverständlich.

     

    Aserbaidschan im Vergleich zu seinen Nachbarländern (die Türkei ist grenzt übrigens nicht an

    Aserbaidschan) als eine "westlich anmutende Oase" darzustellen ist geradezu absurd.

    Ihre Darstellung dass die Nachbarländer Russland, Iran und Georgien keiner Erwähnung bedürfen und

    von Aserbaidschan an "westlichkeit" weit übertroffen werden geht doch weit an der Realität vorbei.

     

    Man muss also über das "auch nicht gerade plurale" Georgien kein Wort verlieren, während Aserbaidschan mit Rumänien und Bulgarien vor dem EU-Beitritt verglichen wird? Ich weiß nicht worauf ihre Einschätzung beruht, aber ein Land in dem seit 1993 eine Präsidentenfamilie regiert

    würde ich nicht als demokratisch erwähnenswerter als Georgien einstufen. Im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (http://www.reporter-ohne-

    grenzen.de/ranglisten/rangliste-2011/) liegt Aserbaidschan auf Rang 162 und damit hinter Russland

    (142) und weit hinter Georgien (104). Auch im christlich geprägten Georgien tragen Frauen

    keine Kopftücher, falls das ihr Kriterium für "Westlichkeit" ist, und Homosexualität wurde im Jahr 2000 (und damit ein Jahr eher als in Aserbaidschan) dekriminalisiert.

     

    Ich habe in diesem Monat beide Länder besucht und kann mich auch in Bezug auf den "Willen zum Aufbruch" nicht ihrer Meinung anschließen.

    Auch äußerlich ist Tiblisi, die georgische Hauptstadt bei weitem westlicher als Baku, nicht

    umsonst wird sie oft als das Paris des Kaukasus bezeichnet. Auch hier wird an allen Ecken und

    Enden renoviert und das ganz ohne ein so medienwirksames Event wie den ESC. Hier hatte ich auch nicht den Eindruck, dass wie in Baku ein herausgeputztes "Disneyland" für Besucher geschaffen

    wird. Sobald man sich in Baku aus dem Stadtzentrum hinaus begibt ist es vorbei mit den glitzernden

    Fassaden und man findet Ölfelder inmitten von Wohngebieten oder die Anfänge größenwahnsinniger

    Bauprojekte wie die Khazar Islands, eine Stadt auf einer künstlichen Insel südlich von Baku.

     

    Zusammenfassend gesagt: Man kann den ESC mögen oder auch nicht, aber Aserbaidschan aufgrund einer

    glitzernden Showveranstaltung als "westliche Oase" und Vorbildstaat für seine Nachbarländer

    hinzustellen, das kann man, wenn man ein ernsthafter Journalist sein will, nicht.

  • N
    Nobilitatis

    "Über die Demokratiedefizite Russlands, über die theokratischen Despoten in Iran oder über das auch nicht gerade plurale Georgien muss man kein Wort verlieren."

    Warum nicht? Ex-sowjetische Staaten sind doch gerade die, welche man im Hinblick auf demokratische Entwicklung vergleichen muss? "Westlich" misst sich nicht am Konsumverhalten, sondern an der politischen Freiheit! Kann man seine Meinung frei äußern? Wie ergeht es denen, die eine von der Regierung abweichende Meinung vertreten?

    Was denn sonst?

    Und in der Türkei gibt es eine Opposition!

  • G
    gnaddrig

    Herr Feddersen, was mich an Ihrem Text stört ist nicht so sehr, dass Sie den Menschenrechtsbeauftragten eine Spaßbremse nennen. Vielleicht ist er das - der Hinweis auf Menschenrechtsverletzungen dürfte bei den meisten Leuten eher spaßbremsend wirken. Sollte es auch – die Leute, deren Rechte in Aserbaidschan systematisch missachtet werden, haben ganz bestimmt auch nicht so viel Spaß dabei.

     

    Schlimmer ist für mich aber folgendes: Es klingt so, als sei es Ihnen derart wichtig, beim ESC ein bisschen Spaß zu haben, dass Sie dieses Menschenrechtsdingens nur als Störfaktor sehen. Natürlich kann man nicht allen Spaß abblasen, solange irgendwo auf der Welt Unrecht geschieht. Man kann sicher auch zum Spaßhaben in Länder gehen, in denen Unrecht geschieht. Aber hier klingt es fast so in Richtung "Macht mal die Kerkertür zu, damit man das Gejammere der aus der Folterkammer nicht hört, das verdirbt mir hier oben den Appetit." Das ist vielleicht überspitzt, vielleicht (hoffentlich) denken Sie auch nicht so, aber zumindest im Ansatz klingt Ihr Text ein bisschen danach.

     

    Dann schreiben Sie: "(…)Schwule und Lesben werden durch kein Gesetz verfolgt. Dass Queerness in Aserbaidschan nicht so populär ist, liegt mehr an bislang fehlenden Einflüssen aus dem zentralen Europa."

     

    Das mit dem "durch kein Gesetz" mag sein, das weiß ich nicht. Aber dass die mangelnde Popularität von Queerness an fehlenden Einflüssen aus Europa liegen soll, halte ich für Unsinn. Fragen Sie mal in dem von Ihnen auch genannten Moskau nach, was dort von Queerness gehalten wird. Dort gibt es europäische bzw. westliche Einflüsse ohne Ende, aber als Schwuler muss man dort sehr, sehr vorsichtig sein, auch im Umgang mit der Polizei. Ähnlich dürfte das in Serbien aussehen, in Polen, in Ungarn, der Türkei. Europäische Einflüsse an sich machen eine Gesellschaft nicht weniger homophob, so einfach kann das nicht sein.

  • R
    reblek

    "Jan Feddersen, der den Eurovision Song Contest seit vielen Jahren beobachtet..." - Feddersen "beobachtet" gar nicht, er feiert es ab und die taz lässst ihn gewähren. Er ist ein Fan dieser Veranstaltung. Und wie es so ist beim Fan: Er hat eine eingegrenzte Sicht der Dinge. Der Sing-Sang könnte wo auch immer stattfinden, Feddersen wäre dabei.

    "Aber es ist kein Land wie Kambodscha unter den Roten Khmer, es ist kein Nordkorea..." - Könnte es sein, dass sich Feddersen aufgrund seiner Parteinahme für diese Regime in seiner K-Gruppe-Vergangenheit gut damit auskennt?

  • H
    Hervé

    Unabhängig von dem diesjährigen Austragungsland mit all seinen Unzulänglichkeiten in menschenrechtlicher Hinsicht ist der Eurovision Song Contest so überflüssig wie ein Kropf:

     

    Die Komponisten und Texter kommen meist nicht einmal mehr aus dem vorgeblichen Land, sondern eher aus anglophonen und/oder skandinavischen Staaten, die InterpretInnen sind austauschbar genau so wie ihre Beiträge: jedes Lied wird im phantasielosen Einheits-Einfaltsenglisch vorgetragen bzw. dem, was die Teilnehmer für Englisch halten, die Texte sind dünner als dünn, die Musik langweiliger Mainstream, kurz: diesen ganzen Schrott kann ich das ganze Jahr im Radio hören, wenn ich will. Und das ohne bedeutungsschwangere Länderwertungskulisse, die letzten Endes angesichts dieses kaputt globalisierten Wettbewerbs ohnehin nur noch ein Potemkinsches Dorf mit einem zu durchsichtigen Punktegeschachere aus ethnologischen und nachbarschaftlichen Sympathien heraus und auch sonst für diese Art von Beiträgen vollkommen sinnfrei ist.

     

    Also: was ist daran eigentlich noch besonders an diesem "Wettbewerb"? Besser wäre es, aus dieser überteuerten Schmierenkomödie auszusteigen und statt dessen ein paar gute Spielfilme bzw. eine gut gemachte Alternative zu zeigen. Das wäre wesentlich unterhaltsamer, vielleicht sogar billiger.

     

    Anders ausgedrückt: Stell Dir vor, es ist ESC, und niemand guckt sich diesen Mist an!

     

    P.S.: Dass dieser "Präsidenten"clan diese Gelegenheit nutzt, um die eigene Mischpoke und ihr Machtvolumen darzustellen und seine Position zu unterstreichen (dem Vernehmen nach moderiert das Präse-Töchterlein ja diesen Event), war ja von vorneherein klar. Ein Grund mehr, die Kiste auszulassen.

     

    Im Übrigen gebe ich Stefan Niggemeier voll und ganz Recht. Aber eine Frage habe ich jetzt mal an die taz: wenn Ihr so großen Wert auf Nettikette legt, was hat dann ein Jan Feddersen in Euren Reihen zu suchen?

  • S
    stromboli

    Bravo Stefan Niggemeier!

    Wenn herr ferddersen glaubt, als "queerfachmann" über alle politischen implikationen hinweggehen zu können, tut er eben auch den schwulen menschenrechtsforderungen die basis entziehen!

    Das dabei "nebensächlich" grundsätzliche menschenrechte marginalisiert werden, ist besonders beschämend für uns schwule.., in den "gemeinsamen topf " möchte ich nicht geworfen werden!

    Die TAZ täte gut daran sich von feddersen gütlich zu trennen!

    Seinem streben nach höherem ala fleichhauer-spon, sollte eine linke kulturzeitschrift, sofern ihr linker anspruch noch gültig, nichts in den weg gestellt werden ...

  • S
    Schnachsel

    Im Satz "schon vor seiner Abreise hatte er über Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan berichtet" über Jan Feddersen oben in der Einleitung fehlt das Wort "verharmlosend". Und warum läßt die taz überhaupt einen komplett Ahnungslosen ( jedenfalls was die politische Lage in Aserbaidschan angeht), der auch noch ESC-Fan ist und vom NDR für ESC-PR bezahlt wird, von dort berichten? Wann macht Parlamentskorrespondent Schulte PR für Merkel?

  • A
    atalaya

    Es hat den Eindruck, als verrechne Herr Feddersen den Umstand, dass Homosexuelle nicht verfolgt werden und das öffentliche moderne Gepräge mit den Menschenrechtsverletzungen und käme zu einem positiven Ergebnis. Es sei ihm angeraten, seine Regenbogenbrille einmal abzunehmen und nicht den Anbruch von Freiheit schon dort zu verorten, wo einstmals (eher) Privates nun öffentlich werden darf und wo der Schein der Moderne das Sein überstrahlt. Olympia 1936 lässt grüßen...

  • C
    chrisfre

    Zunächst ist der ESC als solcher m.E. ein Relikt aus der Zeit der Spaßgesellschaft UND nicht mehr als eine GESCHÄFTsidee der Medienindustrie, die sich inzwischen erübrigt hat.

    Welcher ernsthafte Mensch hört solche "Musik", schaut sich die unzählingen Castings dazu an außer den im medialen Verblödungszirkus Agierenden und den von ihm abhängig Gemachten? Die dreiste Dummheit des deutschen Bewerbers, den Mützenmode und Landschaft locken, spricht für sich.

    Wenn Feddersen mit Begriffen wie "Spaßbremse" und "Menschenrechtist" auf dem Hintergrund der Berichterstattung aus Baku seriöse Journalist_innen diffamiert, ist dies m.E. ein Beleg für die Fragwürdigkeit nicht nur dieses "Spaßes" sondern auch ähnlicher Großveranstaltungen (EM), die über

    Länder hinwegrollen, in denen Fassadendemokratie

    bei gleichzeitiger nicht nur von Amnesty festgestellter gravierender Menschenrechts-verletzungen Alltag sind, verbietet eigentlich schon die Teilnahme. Ich plädiere für ein Zurückfahren der sog. Eventkultur hin zu politisch

    und ökonomisch weniger fragwürdigen Großereignissen.

  • W
    Wolf

    Der saubere frühere Jornalismus ist schon seit langer Zeit vom Dreckskapital geschmiert worden.

     

    Diese Journalisten, die nach dem Munde ihrer Arbeitgeber schreiben, sollten ihren Job sofort aufgeben !

     

    Das Fragen und die Antworten nach den sog.

    7 journalistischen "wes" ist längst begraben.

     

    Gebe es durch die Bank in der Bananenrupublik einen

    sauberen Journalismus, würde Bananasrepublik heute

    politisch und wirtschaflich anders gestaltet sein.

     

    Ich habe noch keinen Journalisten erlebt, der z.B.

    auf Befragung von Politaffen, die ausweichende oder

    mit sofort feststellbaren Unwahrheiten konfrontiert wurde, das Interview mit z.B. dem bemerken "dieser Politiker hat uns eigentlich nichts zu sagen", etc. sofort abgebrochen hat.

     

    Jorunalismus weitgehend hier im Lande = Volksverdummer, Erfüllungsgehilfen des Dreckskapitals und der Politheinis, leider !!!

  • W
    Wolf

    Es stets dasselbe, es geht um viel Geld.

     

    Leider schlafen auch hier wieder Politidioten,

    Deutsche TV- und Rundfunkanstalten.

     

    Auch dort auftretende Künstler haben nur in ihren beschränkten Hirnen eines im Sinn, Geld, Geld und nochmals Geld.

     

     

    Unsere Familie wird sich weder diesen unnützen Wettbewerb aus Aserbaidschan, noch die Bolzer EU in Ukraine und Polen anschauen.

     

    In Ländern, wo Menschenrechte mit Füßen getreten wird, trägt man keine internationalen Wettbewerbe aus und die öffentl. rechtl. TV- und Rundfunkanstalten sollten in Zukunft per Gesetz zur Nichtüberagung gezwungen werden.

     

    Das beste Mittel um derartige Schmutzstaaten entgegen zu treten ist, ignorieren und wegbleiben !

  • C
    Canaillo

    aber: das Eurovision Song Festival (oder modern: Contest) ist doch an sich bereits eine Menschenrechtsverletzung, eine Ohr-Vergewaltigung?