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Vorstandswahl der LinksparteiWahl mit vielen Spitzen

Elf Linke-Politiker wollen am Samstag Parteichef werden: Unter ihnen sind Gewerkschafter, Pragmatiker und Feministinnen. Die taz stellt sie vor.

Bartsch (m.) und Kipping (r.) wollen's werden, Wagenknecht könnte kurzfristig auch antreten. Bild: dpa

■ Bernd Riexinger (56), Westen. Steht für: das Gewerkschaftslager in der Linkspartei, hat als Geschäftsführer des Stuttgarter Ver.di-Bezirks auch gute Verbindung zu den Protestbewegungen gegen Agenda 2010 und Hartz IV im Südwesten. Intimfeind von Dietmar Bartsch, dem er einmal Illoyalität gegenüber dem damaligen Parteichef Oskar Lafontaine vorwarf. Könnte mit: Katja Kipping. Siegchance: wurde von Lafontaine und Wagenknecht zur Kandidatur aufgefordert, kann deshalb mit Rückhalt bei den Gegnern von Dietmar Bartsch rechnen.

■ Dietmar Bartsch (54), Osten. Steht für: die Pragmatiker, die die Partei modernisieren und anschlussfähig an Rot-Grün machen wollen. Gegner jeglicher DDR-Nostalgie. Realpolitiker im Osten. War als Bundesgeschäftsführer erfolgreicher Parteimanager, wegen angeblicher Illoyalität zu Oskar Lafontaine in Ungnade gefallen. Intimfeind des Lafontaine-Lagers. Mitglied der SED ab 1977, später Geschäftsführer des Neuen Deutschland und der jungen Welt. Könnte mit: Dora Heyenn und Katja Kipping. Siegchance: hat große Unterstützung bei den Ostgenossen, unter vielen Westlern verachtet.

■ Sabine Zimmermann (51), Osten. Steht für: die Partei als „politisches Projekt“, für eine Gesellschaft, in der „kein Kind in Armut aufwachsen muss“. Die Frau aus dem Osten steht für eine „Verankerung in den Gewerkschaften“. Sie ist DGB-Vorsitzende im südlichen Sachsen. Im eigenen Realo-Landesverband isoliert, soll dort nicht mehr als Kandidatin für die nächste Bundestagswahl aufgestellt werden. Gilt als Lafontaine-Gefolgsfrau. Lebt heute in Sachsen, stammt aus Vorpommern. Kann mit: Riexinger, eventuell Bartsch. Siegchance: gering.

■ Katja Kipping (34), Osten. Steht für: feministische Positionen, Sozialpolitik, bedingungsloses Grundeinkommen; hat gute Kontakte zu sozialen Bewegungen und gründete das rot-rot-grüne Institut Solidarische Moderne mit. Distanz zum Gewerkschaftslager. Kipping kommt aus dem sächsischen Landesverband, genauer aus Dresden. Könnte mit: Katharina Schwabedissen, beide kandidieren als „Paket“ in einem Team. Siegchance: wird bei denen punkten, die von den dauernden Flügelkämpfen die Nase gestrichen voll haben. Das sind viele.

■ Katharina Schwabedissen (39), Westen. Steht für: Frauen- und Friedensarbeit, Aktionen gegen Studiengebühren. Hat als Landessprecherin der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen an der Tolerierung von Rot-Grün mitgewirkt, verantwortet aber auch den Absturz der Linken bei der NRW-Landtagswahl im Mai 2012 auf 2,5 Prozent. Könnte mit: Katja Kipping. Siegchance: kann auf Anhänger eines „dritten Wegs“ zwischen den innerparteilichen Blöcken zählen, erhält auch Stimmen von der Antikapitalistischen Linken und aus dem feministischen Lager.

■ Dora Heyenn (63) Westen. Steht für: gesetzlichen Mindestlohn, Sozial- und Bildungspolitik; trat 1999 aus der SPD aus und kam als Gewerkschafterin über die Wahlalternative zur neuen Linkspartei. Erfolgreiche Fraktionsvorsitzende in der Hamburger Bürgerschaft. Könnte mit: allen. Siegchance: gut. Könnte beim Lager von Dietmar Bartsch als dessen potenzielle Quoten-Partnerin – Frau aus dem Westen – punkten und ebenso bei nichtdogmatischen Westlern. Nur das Lafontaine-Ernst-Wagenknecht-Lager zeigt deutliche Distanz zu Dora Heyenn.

■ Sahra Wagenknecht (42), Osten. Steht für: das Erbe von Oskar Lafontaine und einen antikapitalistischen Kurs, deutliche Distanz zu den Sozialdemokraten. Scharfe Kritikerin der Reformer in der Linkspartei – die tiefe Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Könnte mit: auf gar keinen Fall mit Dietmar Bartsch. Siegchance: hat eine Kandidatur bisher nicht erklärt, zuletzt aber auch nicht mehr völlig ausgeschlossen. Tritt sie auf dem Parteitag in Göttingen überraschend an, werden die Westdelegierten und das linke Spektrum in Jubel ausbrechen.

■ Klaus Ernst (57), Westen, genauer gesagt: München. Steht für: die gewerkschaftlich orientierte Traditionslinke der Bundesrepublik mit Hassliebe zu den Sozialdemokraten, interessiert sich nicht so sehr für die Erfahrungen der Ostgenossen. Anhänger von Oskar Lafontaine, Gegner von Dietmar Bartsch. Könnte mit: Sabine Zimmermann. Siegchance: weiß noch nicht, ob er auf dem Parteitag in Göttingen überhaupt kandidieren will, schließt das nicht aus.

Außerdem stehen zur Wahl: Bernd Horn (60), ehemals Mitglied von DKP und SDAJ (Jugendorganisation der DKP), Nordrhein-Westfalen; Norbert Pultermann (56) und Ralph-Alfred Böttcher (59) aus Berlin; Jürgen Onko Stange (74), Rheinland-Pfalz; und Werner Klein (69), Schleswig-Holstein.

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9 Kommentare

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  • V
    Vulgärfeministin

    Gerade die Ost-Leute der Partei versuchen über die Identitätsschiene ihrer DDR-Sozialisation besonderen Eindruck zu schinden, sie kehren sie dauernd selbst heraus, so als ob ihre Herkunft sie als besonders kompetente VertreterInnen linker Vorstellungen auszeichnenn würde. Abgesehen davon, wird das von beiden Lagern als probates Mittel angesehen, im Osten wie im Westen WählerInnen zu gewinnen. Ist doch nun wahrlich nix neues. Irgendwie doof, aber traurige Tatsache.Auf die Ost/Westherkunft der einzelnen hier vorgestellten Linke-PolitikerInnen hinzuweisen, ist da nur folgerichtig und ganz sicher in deren Sinne.

  • T
    Tachy

    Es wird Zeit, dass sich diese Ex-SED selber abschafft.

  • G
    GWalter

    Gerade in unserer Zeit brauchen wir DIE LINKE

     

    Die einzige nicht NEOLIBERALE PARTEI in Deutschland ist noch die LINKE.

     

    Seit Schröder wurde der Hebel in Deutschland in Richtung Ausbeutung der Arbeitnehmer, Betrug der Rentner und Mißachtung der Arbeitslosen herumgelegt.

     

    Alle Nachfolgeregierungen haben diesen Ausbeutungskurs ausdrücklich beschworen, gestützt und weiter verfolgt !!

     

    Natürlich ist dieser Sozialabbau ein Teil des wirtschaftlichen Erfolges von Deutschland, aber es ist auch der Teil, der Schuld am Auseinanderbrechen der EURO-ZONE ist.

     

    Die anderen EURO Länder haben nämlich ihre Menschen nicht abgezockt und zahlen den Bürgern ein gutes und gerechtes Einkommen.

     

    Diese SOZIALE POLITIK mit besseren Löhnen und Renten möchte auch DIE LINKE...und wer für die weitere Ausbeutung der Menschen in Deutschland ist, kann sich ja bei CDU-FDP-SPD-GRÜNE melden !!!

  • M
    manfred (60)

    Wenn ich das mal so zusammenfasse, wie ich diese Kandidatenvorstellung verstehe: Es geht um eine Konfrontation Ost gegen West, wobei es nach Meinung der taz wohl das beste wäre, die Westler übernähmen den ganzen Laden, um ihn dann auf Gewerkschaftslinie zu bringen, wobei die Richtlinienkompetenz bei Lafontaine liegt. Und die Kandidaten, die der taz gar nicht passen, stellt sie erst gar nicht genauer vor.

     

    Und nun meine Meinung: Der größte Fehler der Linken wäre es, sich zum verlängerten Arm oppositioneller Gewerkschafter machen zu lassen. Der DGB hat sich schon längst mit den Sozialdemokraten verbündet, nicht umsonst sitzen DGB-Funktionäre für die SPD in den Parlamenten und haben u. a. auch die von Schröder und Eichel initiierten Finanzgesetze, die uns in die Krise führten, und Hartz IV mitbeschlossen. Damit kann man nicht kooperieren. Ich denke, die Linke sollte bei allen Kandidaten auf einer Entscheidung bestehen: Gewerkschafts- oder Parteifunktion.

  • S
    Sahra

    Ja, dieses Ost-West.Schema is völliger Schwachsinn. Auch die Unterscheidung in 'linken' und 'Realo' Flügel ist nur unzureichend.

    Warum Ernst oder gar Lafontaine linker als Kipping sein soll, ist mir schleierhaft. Aber das ist natürlich eine Definitionsfrage ebenso wie eine Frage der Prioriätensetzung. Mir sind die feministischen Positionen ebenso wie die ökologische Frage deutlich wichtiger als eine 'Wohlstand durch Wachstum' Politik von Ernst & Co.

     

    Was davon 'linker' ist? Gute Frage.

  • R
    reblek

    "Pragmatiker" - Das sind solche wie Fischer und Konsorten, nicht wahr? Die haben unser Land nicht nur in "Hartz IV" geführt, sondern auch in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Serbien. Klar, gegen Milosevic und Konsorten, aber macht das Schröderfischer und andere "Pragmatiker" besser?

  • A
    Arne

    Dietmar Bartsch: " War als Bundesgeschäftsführer erfolgreicher Parteimanager...".

    ???

    Er war Wahlkampfleiter für die Bundestagswahl 2002, bei der die damalige PDS aus dem Bundestag flog und rotgrün dann nach Herzenslust HartzIV beschließen konnte ohne eine Opposition dazu wahrzunehmen.

    Was soll daran erfolgreich sein? Nur weil jemand ein langweiliger Biedermann ist, heißt das nicht, dass er ein erfolgreicher Parteimanager ist. Da hätte sich Steinmeier in der SPD auch drüber gefreut, wenn das so wäre.

  • KK
    Kesse Konkubine

    Schade dass auch die TAZ meint das idiotische Ost-West-Schema darstellen zu müssen. Es sollte doch eher um Inhalte gehen und nicht um die Herkunft. Ja ich weiß das tut es in der Realität leider nicht unbedingt, aber als erste Kategorie Ost/West zu wählen hilft da wirklich wenig.

  • T
    TotalerOssi

    Nette Zusammenfassung, aber was soll den ständig die Herkunftsbezeichnung "Westen" und "Osten" und Sätze wie "Die Frau aus dem Osten"? Das ist unnötig, denn es gibt keine Unterschiede zwischen Osten und Westen, maximal, dass man in den neuen Bundesländern weniger Geld verdient.

     

    Beste Grüße

    Der Mann aus dem Osten, der diese Ost-West-Unterscheidungen für vollkommen überflüssig hält