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Panter-Preis-Nominierte 2012Menschen mobilisieren

Johannes Wolf will mit gebrauchten Fahrrädern aus Deutschland Menschen in Sambia und Namibia helfen. Und auch selbst etwas von der Welt sehen.

Eine Halle voller Räder: das Lager in Oschatz. Bild: Anja Weber

Es sieht ein wenig traurig aus, das Fahrrad, das die beiden Mechaniker für die Reise fertig gemacht haben. Der Lack ist verkratzt, Vorderrad und Pedale sind abmontiert und mit einem Seil am Rahmen festgebunden. Der Lenker ist verdreht. „Das ist gut“, sagt Johannes Wolf. „So sparen wir Platz.“

Wolf steckt die Hände in die Taschen, schlendert durch die Werkstatt, schaut sich hier und da ein Fahrrad an. Mit seinem T-Shirt und der dickrandigen Brille sieht der 26-Jährige aus, als würde er sich nach einem Rad umschauen, um zur nächsten Vorlesung zu fahren.

Es ist Wolfs erster Besuch bei den beiden Fahrradmechanikern. Ihre Werkstatt in Leipzig ist einer von 16 Orten in Deutschland, an denen gebrauchte Fahrräder gesammelt werden – für Johannes Wolf. Oder besser: für Menschen in Sambia und Namibia. „Die Ladung ist im Moment noch auf dem Weg“, berichtet Wolf, „aber sie wird bald in Afrika ankommen.“

Die Ladung, das sind 900 Fahrräder. 900 Fahrräder, die Wolf und seine Helfer von den Sammelstellen abgeholt, in einer Halle im sächsischen Oschatz zwischengelagert und per Schiff nach Sambia geschickt haben. Zwei Container voll. Im letzten Jahr, als Wolf für Namibia sammelte, war es erst ein Container.

Nah dran bleiben

„In Sambia arbeiten wir jetzt mit der gleichen Organisation wie in Namibia zusammen“, erzählt Wolf den Fahrradmechanikern. „Da kenne ich die Leute.“ Das sei enorm wichtig. Nah dran bleiben, beobachten, mit den Menschen sprechen. Dem ersten Container folgte Wolf bis zur letzten Station, bis in die namibische Stadt Mariental.

PANTER PREIS 2012

Die Nominierten: Sechs KandidatInnen hat unsere Jury vorausgewählt. Der taz Panter Preis geht an Menschen, die sich mit großem Einsatz für andere starkmachen und mutig Missstände aufdecken.

Die Verleihung: Jedes Jahr werden zwei Preise verliehen. Den ersten vergibt eine taz-Jury, den Preis der Leserinnen und Leser vergeben Sie. Beide Preise werden am 15. September im Deutschen Theater in Berlin verliehen.

Die Porträts: Jede Woche stellen wir in der sonntaz einen Kandidaten oder eine Kandidatin vor. Die erste Kandidatin war in der vergangenen Woche Antje Krajci, die ein verletztes afghanisches Mädchen bei sich aufnahm. Ab dem 4. August haben Sie die Möglichkeit, jene(n), der oder die Ihnen am preiswürdigsten erscheint, für den taz Panter LeserInnenpreis zu wählen: per Mail, per Post oder auf www.taz.de/panter

Von dort schrieb Wolf am 8. September 2011 auf seinem Blog: „Container am Ziel!“ Jetzt steht der Überseecontainer auf einem öffentlichen Gelände in Mariental. In seinem Innern wurde ein Fahrradladen mit Werkstatt eingerichtet, in dem Einheimische die Räder verkaufen und reparieren. Von Wolfs Partnern vor Ort werden in der Containerwerkstatt Fahrradmechaniker ausgebildet. Auch die beiden nach Sambia verschifften Container sollen dort zu Werkstätten umfunktioniert werden.

Wolf ist Vorsitzender des Vereins „Fahrräder für Afrika“. Das Ziel des Vereins ist laut Eigenbeschreibung, „Menschen mit Hilfe von Fahrrädern zu mobilisieren und damit einen Weg aus der Armut in ein besseres Leben zu ermöglichen“. Die Fahrräder werden daher an ihren Zielorten günstig verkauft. In Ländern, in denen sich viele Menschen kein Auto leisten können, erklärt Wolf, erleichtern die Secondhandräder den Weg zur Schule, zur Arbeit oder zum Arzt.

Kein Entwicklungshelfer

Entwicklungshelfer möchte sich Wolf nicht nennen. „Koordinator“ sei die richtige Bezeichnung für seinen Job: Wer holt die Räder von den Sammelstellen ab? Wer hat einen Lieferwagen? Wer stellt die Lagerfläche zur Verfügung? Wer hilft, die Container zu beladen? Das sind die Fragen, die ihn beschäftigen.

Auch war es nicht der Wunsch, die Welt zu retten, sondern die Begeisterung für Fahrräder, die ihn auf sein Projekt brachte. „Fahrräder sind eine geniale Art der Fortbewegung“, sagt er. „Keine Kosten, keine Abgase. Alles, was man braucht, sind zwei Beine.“ Entdeckt hat Wolf sein Hobby bei einem Schülerpraktikum in einem Fahrradladen. Am liebsten hätte er die Schule abgebrochen und gleich als Fahrradmechaniker weitergemacht, aber seine Eltern waren dagegen.

Auch jetzt im BWL-Studium fällt es Wolf noch schwer, im Hörsaal zu sitzen. Aber er weiß, dass er das Kaufmännische braucht. Denn ein Fahrrad sei mehr als ein reines Fortbewegungsmittel. Von „Preiskalkulation“ spricht er, davon, dass der „betriebswirtschaftliche Hintergrund der Fahrräder“ mitgedacht werden müsse. Da scheint er dann durch, der BWL-Student.

Mehr von der Welt sehen

Und warum Sambia und Namibia? „Es hat mich gejuckt, ein bisschen mehr von der Welt zu sehen“, sagt Wolf. Im Internet stieß er auf die Entwicklungsorganisation BEN Namibia, das Bicycling Empowerment Network. Wolf machte sich auf den Weg nach Namibia, reiste von Fahrradwerkstatt zu Fahrradwerkstatt, um Fahrradmechaniker vor Ort fortzubilden. Bis heute ist BEN Namibia einer von Wolfs Partnern.

„In Namibia ist mir bewusst geworden, wie selbstverständlich es in Deutschland ist, ein Fahrrad zu haben“, sagt Wolf. Dort sei das anders. „Da lag es natürlich auf der Hand, alte Fahrräder von A nach B zu bringen.“ Neu ist die Idee nicht, gibt Wolf zu. Aber da es in Deutschland keine vergleichbare Initiative gab, legte Wolf einfach los. Er erzählte Bekannten von seiner Idee, sammelte alte Räder erst im Haus seiner Eltern in Oschatz, bastelte eine Facebookseite. „Schnell hatte ich zehn, zwanzig Fahrräder zusammen. Irgendwann 100“, erinnert er sich. Ende 2010 folgt die Gründung des Vereins „Fahrräder für Afrika“.

Eins kann Wolf nicht mehr hören: den Vorwurf, er würde Schrott, den die Deutschen nicht mehr brauchen, nach Afrika verschiffen. Denn „es gibt eine strenge Auswahl, was verschifft wird und was nicht“, betont er.

Wenn die beiden Container mit den 900 Fahrrädern im Juli ankommen, will Wolf nach Sambia reisen, um sie vor Ort in Empfang zu nehmen. Ob er die Zeit dazu findet, weiß er allerdings noch nicht. Mitte August beginnt das neue Semester, das er in den USA verbringen wird.

„Auf jeden Fall wird es Anfang 2013 mit dem Projekt weitergehen“, sagt Wolf. Dann wird er neue Sammelstellen suchen, wird Fahrräder abholen und Container beladen. Auch um gesponserte Brötchen und Bratwürste für die Helfer wird er sich wieder kümmern müssen. Geld bekommt er dafür nicht. „Andere haben ein Hobby, gehen schwimmen oder so“, sagt er. Wolf koordiniert lieber.

Jannis Hagmann

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2 Kommentare

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  • G
    Georg

    Bei allem Respekt, aber dei Kommentar ist Bullshit! Vermutlich hast du keine Ahnung und bist befürworter der Bi-oder Multilateralen Entwicklungshilfe bei der Millionen von Euro verbrannt werden. DAS ist ein Skandal. Leute auszubilden und Menschen mit günstigen Fahrrädern zu Mobilität zu verhelfen ist Hilfe an der Basis! Und das wird alles ehrenamtlich neben bei organisiert. Ein wenig mehr Anerkennung wenn ich bitten darf!

     

    Weiter so Johannes!

  • A
    Abenteuerurlauber

    Johannes Wolf will etwas Abenteuerurlaub. Dazu gibt es einen großen Fördertopf, der es Leuten wie ihm ermöglicht mit großen Worten gewappnet und in Selbsttäuschung und Täuschung anderer einen netten Afrikaaufenthalt zu erleben. Ein paar Afrikaner bekommen dafür gebrauchte Fahrräder. Peter Scholl-Latour hat diese Afrika-"Helfer" mal sehr trefend und wenig schmeichelhaft beschrieben. Es wird diese "Helfer"-Industrie nicht stoppen, denn Sich-moralisch-Wohlfühlen und dabei Geld anderer Leute zu verschwenden ist Mainstream. Das bei uns vorhandene Bild von Afrika kann man wegwerfen. Dann hätten aber viele Leute nichts zu tun. Natürlich könnte man auch einen Bericht über den Schindluder bei der "Entwicklungshilfe" schreiben, am besten mit den Aussagen gebildeter Afrikaner. Das würde aber zu sehr am Weltbild kratzen, die Taten der letzten 30 jahre blöd aussehen lassen und Johannes Wolf könnte mit seinen Fahrrädern keinen Abenteuerurlaub machen. Das passt nicht zur taz und vielen ihrer Leser. Die Realität stört da einfach zu sehr. Schöne Reise.