piwik no script img

Orchesterretter im SüdwestenEnsembles von Weltruf

Der SWR will seine beiden Sinfonieorchester zusammenlegen. Dagegen regt sich Widerstand. Im Gespräch ist auch eine kommunale Förderung.

Das Sinfonieorchester des SWR: Aber welches? Bild: dpa

Der Südwestrundfunk (SWR) will ab 2016 seine beiden baden-württembergischen Sinfonieorchester in Stuttgart und Baden-Baden/Freiburg zusammenlegen. Das hat der Rundfunkrat beschlossen.

Der SWR macht nun Tempo: Schließlich müsse für die kommenden Jahre geplant werden, sagt Sprecher Wolfgang Utz. Warum aber dieser radikale Schritt trotz nicht verstummender Kritik? Unternehme man nichts, fehlten ab 2016 jedes Jahr 166 Millionen Euro im Senderetat, sagt Utz. Es komme weniger Geld aus Rundfunkgebühren, gleichzeitig stiegen die Kosten „weit über das normale Maß“.

Das SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg gilt als ein Ensemble von Weltruf bei der Vermittlung neuer Musik; auch die Stuttgarter Kollegen sind berühmt: Gerade hat das Radio-Sinfonieorchester (RSO) den „Echo Klassik“ in der Kategorie „Sinfonische Einspielung des Jahres“ bekommen.

Der Ruf der Freiburger ist für Arno Bohn vom Freundeskreis des badischen Orchesters Grund genug, sich bei den „Gebietskörperschaften der Region“, also Städten und Landkreisen, um Unterstützung zu bemühen. Für Bohn könnte das Orchester der Klangkörper der trinationalen Metropolregion Oberrhein sein, die von der Nordschweiz bis nach Landau reicht. Er ist auch verantwortlich für die Onlinepetition www.orchesterretter.de, mit der Unterschriften gegen die Fusion gesammelt werden.

Ob das hilft, ist offen. Walter Preker, Sprecher des Freiburger Oberbürgermeisters Dieter Salomon, bestätigt nach einem Besuch von SWR-Intendant Peter Boudgoust bei seinem Chef den Eindruck, dass der Ton schärfer wird: „Wir wollen das SWR-Sinfonieorchester in Freiburg halten.“

Gremienbeschlüsse nötig

Die Musiker spielen unter anderem im Konzerthaus – die derzeitige Vereinbarung läuft bis 2016. Der SWR wolle je Orchester 2,5 Millionen Euro jährlich von dritter Seite, der Intendant führe die Gespräche dazu sehr schnell. Freiburg werde mitziehen, wenn andere dabei seien – „dafür brauchen wir Gremienbeschlüsse“.

Salomons Stuttgarter Kollege Wolfgang Schuster hat im Rundfunkrat gegen die Fusion gestimmt. Rathaussprecher Sven Matis erinnert daran, dass das Gremium den Intendanten verpflichtet habe, bis 30. September über mögliche Alternativen zur Fusion zu berichten. Der OB setze sich dafür ein, „alle Varianten bis zur Trägerstruktur zu prüfen, damit der SWR seinem kulturpolitischen Auftrag gerecht werden kann“.

Und Baden-Baden? OB Wolfgang Gerstner sagt, schon jetzt sei sein Haushalt nicht ausgeglichen, 10 Prozent der Ausgaben gingen in die Kultur, mehr sei nicht möglich. Eine Trägerschaft von außen sieht er skeptisch; das sei für die Musiker „nicht erstrebenswert“. In Stuttgart geht es um 102, in Freiburg um 98 Musiker.

Der SWR rechnet vor, dass er rund 6,5 Prozent der Mittel, „die für unmittelbare Programmaufgaben zur Verfügung stehen“, für seine Orchester und Ensembles ausgibt. SWR-Sprecher Utz beziffert das Jahresbudget beider Orchester „nach Abzug aller Erträge und Aufwendungen“ auf 20 Millionen Euro. Diese Summe stamme aus Rundfunkgebühren.

Derzeit, teilt ARD-Pressestelle in Köln mit, habe die ARD neun Sinfonieorchester, zwei Rundfunkorchester, vier Bigbands und fünf Chöre. Wie die Orchester im Süden vielleicht doch noch gerettet werden könnten, machen die Berliner vor, deren Ensembles nicht mitgerechnet sind: Zwei Orchester und zwei Chöre sind in der ROC Berlin GmbH zusammengefasst, Gesellschafter sind das Deutschlandradio, der RBB, die Bundesrepublik und Berlin. Noch einmal Utz: „Das ist eins der Modelle, die geprüft wurden.“ Bislang fehlten dafür aber langfristige Zusagen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!