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Betreuung von Menschen mit BehinderungFür eine Handvoll Euro

In Hamburg und Bremen kämpfen Betriebsräte der Assistenzgenossenschaft um einen Tarifvertrag für ihre Pflegekräfte. Und könnten am eigenen Arbeitsprinzip scheitern.

Kampf um bessere Löhne: Betreuer und ihre Klienten protestieren. Bild: Christian Ditsch

BREMEN taz | In Frankfurt haben sie gerade einen bekommen, wenn auch erst nach einem Streik. In Bremen verhandeln sie momentan darum, die Betriebsräte und Gewerkschaftler. Und in Hamburg fordern die ihn ebenfalls – einen Tarifvertrag für die Assistenzgenossenschaft (AG).

280 MitarbeiterInnen hat jene in Bremen, zusammen unterstützen sie, im Zweifelsfall rund um die Uhr, rund 60 Menschen mit Behinderungen. Nein, es muss nicht einfach „pflegen“ oder „betreuen“ heißen, denn genau das wollen sie hier nicht: den Menschen nur in eine passive Rolle drängen. Die AG – und Bremen war hier einst Vorreiter – ist ein Kind der Behindertenbewegung der 70er-Jahre. Hier geht es um Emanzipation, um Selbstbestimmung, um Teilhabe.

Deshalb arbeiten hier nicht nur examinierte, sondern angelernte Kräfte. Die Behinderten, so die Idee, sind Fachleute in eigener Sache. Und wüssten also selbst am besten, was gut für sie sei, sagt Jörn Bracker, Betriebsratsvorsitzender der AG Bremen. Sie bräuchten vor allem einen Ersatz für Hand oder Fuß – „auch wenn die persönlichen Assistenten natürlich viel mehr darstellen“, so Bracker.

Assistenz in Hamburg

1993 gründeten behinderte Menschen aus der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung nach Bremer Vorbild die Hamburger Assistenzgenossenschaft (HAG).

Die Kunden suchen sich ihre Assistenten selbst aus und leiten sie an. Damit übernehmen sie in vielen Belangen die Funktion von Arbeitgebern.

In Hamburg verdienen die Pflegekräfte anfangs neun, nach einer sechsmonatigen Probezeit zehn Euro pro Stunde brutto. Sie arbeiten in Teilzeit, bis zu 25 Stunden die Woche.

Kostenträger sind - wie in Bremen - die Sozialbehörde und die Pflegekassen.

Dafür bekommen die PflegerInnen in Bremen 9,15 Euro die Stunde. Ist jemand sieben Jahre dabei, gibt es einen Euro mehr. In Hamburg gibt es bislang zehn Euro. In Frankfurt aber sollen es, dank des zum Juli in Kraft getretenen an den Öffentlichen Dienst angelehnten Tarifvertrages (TVÖD) zwischen 11,50 Euro und 14,79 Euro werden nach einer Übergangszeit.

Das ist auch das Verhandlungsziel der Bremer AG, doch die Geschäftsleitung hat der Gewerkschaft Ver.di bisher nur einen Einstiegslohn von knapp zehn Euro angeboten. „Wir sind seit knapp 20 Jahren von der allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt“, sagt Bracker. Allein inflationsbedingt arbeite man heute für weniger als drei Viertel des Lohnes von 1995.

„Wir wollen eine tarifliche Lösung und finden es richtig, dass unsere MitarbeiterInnen mehr verdienen“, sagt Solveig Eisert, geschäftsführender Vorstand der Assistenzgenossenschaft Bremen. Das sei auch notwendig, um Pflegekräfte zu finden. Da habe die AG schon jetzt „extreme Probleme“. Pflegekräfte würden überall gesucht, sagt Eisert, „aber bei uns schlägt sich das am deutlichsten nieder“.

Das Problem: Die AG bekommt ihr Geld von den so genannten Kostenträgern – der Bremer Sozialbehörde und den Pflegekassen. „Wir können es uns nicht leisten, den Bestand der Assistenzgenossenschaft zu gefährden, wenn die Kostenträger nicht mitziehen“, sagt Eisert. „Unsere Lohnhöhe“, sagt Bracker, „ist abhängig von einem politischen Willen.“

In Bremen ist das der von Rot-Grün. Und die Koalition hat die bessere Bezahlung von Pflegekräften in ihrem Koalitionsvertrag stehen. Der grüne Staatsrat Horst Frehe, einst Gründer einer Krüppelgruppe und Aktivist der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung, ist Mitbegründer der AG Bremen. Es sei nicht hinnehmbar, wenn die persönlichen AssistentInnen von der allgemeinen Lohnentwicklung abgehängt würden, sagt Frehe. Der Tarifvertrag aber sei eine Sache der Tarifparteien.

Es laufen jedoch Gespräche mit der AG zur Frage der Refinanzierung. Offenbar ist die Behörde bislang aber nicht bereit, mehr als den „ortsüblichen“ Satz zu bezahlen. Andere in Bremen zahlen ihren MitarbeiterInnen aber noch weniger als die AG. Die Behörde will unter Umständen nur für einen Teil der Mehrkosten aufkommen, die ein Tarifvertrag nach sich zöge.

Hinzu kommt, dass die Entgeltstufe 5 des TVÖD, wie ihn Gewerkschaft und Betriebsrat nach Frankfurter Vorbild fordern, nur für Menschen mit einer dreijährigen Ausbildung vorgesehen ist. Wer bei der AG arbeitet, ist aber, so oder so, als Hilfspfleger angestellt. Manche sagen deshalb, die Festlegung auf Laien sei der Geburtsfehler der Assistenzgenossenschaften gewesen.

„Wir sind immer noch der Meinung, dass dieses das richtige Modell ist“, sagt Eisert. Und das wolle man jetzt auch nicht auf den Kopf stellen. Natürlich hätten viele MitarbeiterInnen hohe Qualifikationen. Nur kämen die eben bei dieser Tätigkeit finanziell nicht zum Tragen.

Am 23. Juli wird in Bremen weiter verhandelt. In Hamburg hat die AG-Geschäftsleitung sich zunächst geweigert, Tarifverhandlungen für die rund 200 MitarbeiterInnen aufzunehmen – wegen der unklaren Refinanzierung. Nun setzt man sich auch dort an den Verhandlungstisch.

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